Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)

Traditionelle chinesische Medizin & Qigong-Anwendungen

TCM: Akupunktur, Tuina, Diätik, Qigong

Die traditionelle chinesische Medizin blickt auf eine Jahrtausende alte Tradition zurück. Bedeutende Texte wie z.B. „Huang di Nei Jing“ (des Gelben Kaisers Klassiker zur inneren Medizin) gelten noch heute als wichtige Grundlagenliteratur. Der gelbe Kaiser regierte von 2696 bis 2598 v. Chr., was der Chinesischen Medizin eine Geschichte von mindestens vier Jahrtausenden bescheinigt.

chinesisches Schriftzeichen "Tranditionelle chinesische Medizin"

(Traditionelle) Chinesische Medizin – was ist das?
Unterschiede zur westlichen Medizin
Die Lebenskraft „Qi“ im Zentrum aller Überlegungen
Übung zur Qi-Empfindung
Die Quellen der Energie
Yin und Yang, die Polarität der Natur
Yin und Yang begreifen
Die Fünf Wandlungen begreifen, jetzt wird’s bunt
Die Fünf Wandlungen im Qigong: Das Power Response Prinzip
Leitbahnen, Meridiane, Akupunkturpunkte
Was uns krank macht und was uns gesund hält
Krank in der Leitbahn?
Diagnose in der Chinesischen Medizin
Muster erkennen – der Mikrokosmos im Makrokosmos
Akupunktur in der traditionellen chinesische Medizin
Pharmakologie in der traditionellen chinesische Medizin
Diätetik in der traditionellen chinesische Medizin
Tuīná in der traditionellen chinesische Medizin
Präventives und therapeutisches Qigong
Surf-Tipps zum Thema „Traditionelle chinesische Medizin“
Über den Autor Markus Ruppert

Traditionelle Chinesische Medizin – was ist das?

Die Chinesische Medizin zählt zu den bedeutenden Kulturgütern des chinesischen Volkes. In unserem Kulturkreis ist vor allem die Akupunktur zur Beeinflussung der Körperfunktionen bekannt geworden. Die Anwendung von pharmakologischen Präparaten aus Kräutern, tierischem Material und Mineralien ist jedoch ebenso wichtig wie die manuelle Therapie (Tuīná), Hitzeanwendungen (Moxibustion), diätetische Empfehlungen und Bewegungs- und Atemtherapie (Qigong).

Moxibustion mit Moxazigarre am Punkt Yonquan, chinesische Medizin

Die Chinesische Medizin beruht auf einer funktionellen Sichtweise und Behandlung des Menschen. Symptome werden dabei nicht isoliert betrachtet, sondern im Zusammenhang mit dem gesamten Organismus und der Umwelt des Patienten gesehen. Das soziale Gefüge, emotionale Belastungen, die Wohnsituation und sogar astrologische Faktoren werden bei der Anamnese berücksichtigt. Alle Körperfunktionen werden berücksichtigt, auch wenn der Patient oft keinen Zusammenhang zwischen seinem Symptom und anderen Funktionen erkennt. So können bei regelmäßigen Kopfschmerzen Angaben zum Stuhlgang und zur Verdauung, Schlafverhalten, Ernährungsgewohnheiten, Angaben zum Allgemeinbefinden u.v.m. wichtige Informationen zur Diagnosestellung liefern.

Unterschiede zur westlichen Medizin

Die westliche Medizin basiert auf einer anatomischen Denkweise. Die Medizin zersplittert in abgetrennte Fachrichtungen: Orthopädie, HNO, Kardiologie, Endokrinologie, Augenheilkunde, innere Medizin, etc. Nicht nur dass es am Austausch zwischen den Fachrichtungen mangelt, vor allem mangelt es an Wissen über funktionale Zusammenhänge. Werden funktionelle Zusammenhänge erforscht so sucht man nach einer stofflichen Erklärung dafür. Das Zusammenwirken von Hormonen, Nervenimpulsen und Einwirken von chemischen Substanzen auf Rezeptoren wird untersucht.

Im Mittelpunkt aller Überlegungen der Chinesischen Medizin steht die Lebensenergie. Auf einen substanziellen Nachweis dieser Kraft wird verzichtet. Das Qi (Chi) durchdringt die Materie und belebt diese. Kommt es zur Anhäufung, zum Mangel oder zu gestörtem Qi-Fluss erkrankt der Körper. Alle Körperfunktionen sind durch das Qi verbunden. Es wird nicht versucht Symptome zu heilen oder Organe. Stets wird das Qi reguliert.

Die Lebenskraft „Qi“ im Zentrum aller Überlegungen

Was macht ein biologisches System lebendig? Was unterscheidet uns von einem Leichnam? Gibt es eine Substanz, die uns durchdringt und zum Leben erweckt? Aus chinesischer Sicht gibt es diese Substanz, die „Qi“ genannt wird. Das Qi ist für unsere vitalen Funktionen verantwortlich. Es bewegt, transportiert, wärmt, schützt, es reguliert die Funktion der Organe, es ist für unsere emotionalen Regungen und unsere psychische Verfassung verantwortlich.

Qi, Chi Moderne Druckschrift

Das Schriftzeichen für Qi setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Einmal aus „Dunst“, „Dampf“ oder „Wolke“ (oberes Zeichen) und zum zweiten aus dem Begriff „Reis“ (unteres Zeichen). Qi hat also substanzielle Aspekte, genau wie flüchtige, nicht greifbare. Qi stammt aus der Luft die wir atmen und unserer Nahrung. Gleichzeitig ist es das Qi, das die Atmung ermöglicht und den Brustkorb bewegt. Wir benötigen Qi, um der Nahrung die Energie zu entziehen und sie uns eigen zu machen. Qi ist also Ursache und Wirkung zugleich.

Alle Körperfunktionen, Gewebe, Organe, Blut, Schweiß und andere Sekrete, auch Emotionen und Verhalten sind in den Augen der chinesischen Philosophie nicht trennbare Ausdrucksformen von Qi. Das Lungengewebe ist ebenso eine verdichtete Form von Qi, wie die Atmung selbst. Das Qi des Funktionskreises Milz/ Pankreas nimmt die Nährstoffe aus der aufgenommenen Nahrung auf und gleichzeitig sind es diese, die eine Quelle des Qi darstellen. Die traditionelle chinesische Medizien kennt keine Unterteilung in Körper, Geist und Seele. Auch wenn diese Aspekte des Daseins einzeln beschrieben werden, so sind sie immer nur Ausdruck der EINEN Schöpferkraft Qi.

Ist die Vitalenergie ausreichend vorhanden und kann sich ungehindert im Körper ausbreiten und wieder verdichten, ist das Qi also im freien Fluss, so ist der Mensch gesund. Kommt es jedoch zu Qi Mangel, staut das Qi oder ist es in seinen Bewegungen behindert, so entstehen Schmerzen, Unwohlsein und Krankheit. So ist auch die Zielsetzung klar, wenn Qigong zur Selbstheilung und Lebenspflege eingesetzt werden will:

  • Qi aufnehmen
  • Qi bewegen
  • Qi transformieren und regulieren
  • Qi speichern
  • Verbrauchtes und unreines Qi abgeben

Im Qigong üben wir mit der Energie, um diese anzureichern und im Fluss zu halten. Was heißt das konkret? Spüre ich nun einen energetischen Fluss, wie bei elektrischem Strom in meinem Körper? Ja vielleicht und gleichzeitig ist das nicht notwendig. In dem wir unseren Körper bewegen, benutzen wir Energie und bringen so Energie ins fließen. Wie fühlt es sich FÜR DICH an, wenn Du nach einem langen Spaziergang eine Pause auf einer Bank machst und in die Landschaft blickst? Wie beschreibst DU den Zustand, wenn Du einen Berggipfel erklommen hast und nun fast atemlos auf dem Berggipfel ankommst, die Sonne scheint und Du kannst mehrere hunderte Kilometer ins Land blicken? DEINE Empfindungen sind es, die Deinen Zustand beschreiben.

Übung zur Qi-Empfindung

Setze Dich auf die vordere Stuhlbeinkante. Die Beine stehen in etwa schulterbreit und entspannt. Neige Deinen Oberkörper minimal nach vorne, so dass sich das Becken und die Wirbelsäule natürlich aufrichten. Die Schultern und Ellenbogen sind entspannt. Halte Deine Hände vor dem Körper, als würden Sie einen Ball halten. Drücke die Hände zusammen, als würden Sie einen Luftballon zusammendrücken, die Hände berühren sich nicht dabei. Stelle Dir den Widerstand, den der Luftballon während der Bewegung erzeugt vor.

Ein anderes Bild, das hilfreich sein kann ist die Vorstellung, dass die Hände zwei Magnete gleicher Polung sind, die sich gegenseitig je nach Lage abstoßen oder anziehen. Kreise sehr langsam mit den Händen und konzentriere Dich auf die jeweilige Vorstellung.

Gib Dir für die Übung ca. zwei Minuten Zeit und experimentiere damit neugierig und forschend. Spüre nun Deine Empfindung. Löse Dich dabei unbedingt von dem Bild des Ballons oder der Magnete. In welche Worte kleidest Du Deine Qi-Empfindung?

Die Qi-Empfindung ist eine individuelle Erfahrung. Die Wörter die dafür verwendet werden sind sehr subjektiv. Obwohl zwei Menschen vergleichbare Erfahrungen machen, kann die Beschreibung sehr unterschiedlich ausfallen. Qi Empfindungen werden häufig mit folgenden Begriffen beschrieben:

  • Kribbeln
  • Wärme
  • Kälte
  • Druck
  • (Auf-)Spannung
  • Pulsieren
  • Fließen
  • Magnetismus
  • Kraft
  • Schwere
  • Leichtigkeit
  • Bewegung
  • Aufschwellen (z.B. der Hände)
  • Ausdehnung / Konzentration

Für den westlich orientierten Menschen ist das Erlernen von Qigong eine besondere Herausforderung, da wir die Übungen mit einem anderen kulturellen Hintergrund kennen lernen. Qi und Lebensenergie sind für uns fremde Begriffe. Dies muss aber kein Nachteil sein und bedeutet nicht, dass wir Qigong nie so tief begreifen werden, wie ein Chinese. Es kann sogar von Vorteil sein, da beim Ergründen der inneren Empfindungen keine konzeptionellen Blockaden vorliegen. Wir können unvoreingenommen an das Thema herangeführt werden

Die Quellen der Energie

Qi kann kultiviert, also gepflegt werden. In der chinesischen Tradition versteht sich der Arzt als Gärtner. Er gießt und düngt seine Pflanzen, schützt sie vor äußeren Einflüssen, die die Pflanze selbst nicht überwindet. Klimatische Faktoren werden reguliert.

Versteht man Qigong als eine Selbstheilungsmethode, so geht es darum das Leben so zu gestalten, dass die Energie genauso behutsam gepflegt und kultiviert wird, wie der Gärtner die Pflanze pflegt (Yangsheng: Vorbeugung und Gesundheitspflege). So kann regelmäßig die Ernte eingebracht werden. Man lernt Körper und Geist verstehen und wird für seine Signale sensibel. Qigong stärkt alle Körperfunktionen und die Abwehr. So können äußere Einflüsse abgewehrt und verarbeitet werden.

Die Energie wird im alchemistischen Prozess der Zeugung von den Eltern an das Kind übergeben. Diese erbgenetische Energie ist die Grundlage des Lebens und wird vorgeburtliches Qi oder auch Ursprungs-Yuan-Qi genannt. Es ist unser maximales Potential und dient uns wie ein Reservekanister, der möglichst nicht erschöpft werden sollte. Nachgefüllt werden kann diese Reserve nicht, nur durch Atmung und Ernährung ergänzt werden, um den täglichen Energiebedarf zu decken.

Energiegewinnung: Atmung und Ernährung (nachgeburtliches Qi)

Durch Atmung und Ernährung (nachgeburtliches Qi) kann der Mensch auch selbst Energie herstellen. Die Lunge und die Milz sind die Funktionskreise (nicht die Organe), die die Umwandlung der Luft und Nahrung in Energie vornehmen. Das daraus gebildete Sammel-Zong-Qi verbindet sich mit dem Ursprungs-Yuan-Qi der Niere zum Wahren-Zhen-Qi. Mit dieser Energie erfüllt der Körper seine Funktionen und die Abwehr gegen äußere Einflüsse.

Es sind also Ernährung, Atmung und unser Ursprung die Quellen der Energie. Fällt die tägliche Energiebilanz negativ aus, so wird dieses Soll durch das Ursprungs-Yuan-Qi ausgeglichen. Fällt die Bilanz positiv aus, so kann sie in verschiedenen Formen (z.B. als Essenz-Jing) gespeichert werden. Die Nieren speichern die Essenz-Jing.

Energie kann im eigentlichen Sinne weder entstehen, noch verbraucht werden. Qi unterliegt einer ständigen Wandlung. Möchte man Qi für sich selbst nutzen, so können Qigong Übungen die Atmung, die Funktionskreise sowie Abwehr- und Nähr-Qi stärken, innere Blockaden können behoben werden. Die innere Alchemie ermöglicht den Zugang zu einer unerschöpflichen Kraftquelle, um so das Ursprungs-Qi zu nähren.

Yin und Yang, die Polarität der Natur

Im DAO lebt das EINE (die Einheit). Das EINE beinhaltet die ZWEI (Yin, Yang).

Aus der ZWEI entsteht die DREI (Himmel-Yang, Erde-Yin, Mensch-Qi).

Aus diesen DREI entstehen alle Dinge.

Alle Dinge beinhalten das Yin und das Yang.

Durchströmt von der Lebensenergie Qi, die alles zusammen hält. […]

Was andere bereits gelehrt haben, das lehre auch ich.

Diejenigen die fest verwurzelt sind (im DAO), werden niemals vergehen.

Dieses nehme ich als Ursprung meiner Lehre. (lit1)

Das Qi ist die alles durchdringende belebende Kraft. Diese Kraft verdichtet sich zu Materie oder dehnt sich in flüchtigere energetische Formen aus. Aber woraus ist die Kraft entsprungen? Im Modell der Chinesischen Medizin entsteht diese Energie aus dem Spannungsfeld der Dualität.

Die Lehre von Yin und Yang ist wahrscheinlich die wichtigste Theorie der chinesischen Philosophie. Sie beschreibt die grundsätzliche Trennung aller Zustände dieser Erde. Alle Erscheinungen lassen sich polar beschreiben und gegenüberstellen. Wobei Yin und Yang nie trennbar sind. Sie bedingen einander und gehen auseinander hervor. In diesem Spannungsfeld der Pole entsteht die Lebensenergie Qi. (lit2) Die philosophische Verbindung von Yin und Yang, die „Gleichklang“ und „Einheit“ beschreibt, das „Taiji“ wird in dem bekannten Taiji-Symbol dargestellt. Der Ursprung ist niemandem bekannt, die Einheit nicht erklärbar, nur erfahrbar.

Die Schriftzeichen von Yin und Yang beschreiben, an der Natur angelehnt, die sonnige (Yang) und schattige (Yin) Seite eines Hügels. Die eine Seite ist die warme, die andere die kalte. Eine ist hell, die andere dunkler. Eine Seite nass, die andere trocken. Das Wasser fließt abwärts, die Wärme der anderen Seite steigt auf. Beide Pole sind getrennt voneinander, beziehen sich dennoch aufeinander. Keine Beobachtung kann für sich stehend als Yin oder Yang beurteilt werden, sondern nur im Vergleich zu etwas anderem:

Beispiele für Yin und Yang
Naturbeobachtung
YANGYIN
hell
warm
Ausdehnung
Tag
Bewegung
trocken
leicht
dunkel
kalt
Verdichtung
Nacht
Materie
nass
schwer
körperliche Strukturen
YANGYIN
oberer Bereichaußen (Haut, Muskeln)
hinterer u. seitlicher Bereich
Rückseite (Rücken)
Funktion
Kopf
Qi
Abwehr-Qi
unterer Bereichinnen (Organe)
vorderer u. mittlerer Bereich
Vorderseite (Brust-Bauch)
Struktur
Körper
Blut, Körpersäfte, Essenz
Nahrungs-Qi
Krankheitszeichen und Symptome
YANGYIN
aufsteigend
akut
plötzlicher Beginn
Hitzegefühl, mag Kühle
gerötetes Gesicht
Unruhe, Schlaflosigkeit
streckt sich aus
laute Stimme, redet viel
Urin: konzentriert
Obstipation
Zunge: rot, gelber Belag
tendiert zu Fülle
absteigend
chronisch
schleichender Beginn
Kältegefühl, mag Wärme
blasses Gesicht
Schläfrigkeit
rollt sich zusammen
leise Stimme, spricht ungern
Urin: klar,viel
weicher Stuhl
Zunge: blass
tendiert zu Leere

In Ihrer Verbingung folgen Yin und Yang gewissen Gesetzmäßigkeiten:

Gegenseitige Abhängigkeit: Yin und Yang stellt nie einen absoluten Zustand dar, sondern ist immer eine relative, vergleichende Betrachtung! Eine bestimmte Temperatur kann nur als warm oder kalt bezeichnet werden, wenn sie mit einer anderen verglichen wird.

Opposition: Je stärker das Yin wirkt, desto stärker wird der Keim, dass Yang entsteht. Das kleinste Licht ist umso sichtbarer, je dunkler der umgebende Raum wird. Das Yin keimt im Yang und umgekehrt.

Gegenseitiger Verbrauch: Yin und Yang verbrauchen sich gegenseitig. Regen befeuchtet die trockene Erde. Die Übermacht des einen Kontrahenten schädigt so den jeweiligen Partner und bringt so die Ordnung aus dem Gleichgewicht.

Gegenseitige Umwandlung: Je stärker sich das Yin ausdehnt, desto stärker der Drang sich in Yang zu verwandeln und umgekehrt. Winter- und Sommersonnenwende seien als ein Beispiel genannt.

Ungleich-Gewichte Yin & Yang

Diese Gesetzmäßigkeiten führen dazu, dass Yin und Yang ständig in Bewegung bleiben und sich gegenseitig regulieren. Zeitweise kann es zu Ungleichgewichten kommen, die sich aber selbst wieder ausgleichen werden. Mit dem menschlichen Leben sind allerdings Schwankungen nur im gewissen Umfang vereinbar. Beginnt ein krankhafter Prozess so geraten Yin und Yang aus dem Gleichgewicht. Der Therapeut analysiert das Geschehen und benennt das Ungleichgewicht. Durch die passenden Impulse wird der Organismus unterstützt wieder ins Gleichgewicht zu geraten.

Wichtig dabei ist zu erkennen, ob ein Zuviel an Yang durch einen Zuwachs an Yang entstanden ist, oder eine Abschwächung des Yin. So lassen sich verschieden Yang- und Yin-Zustände formulieren, die unterschiedliche therapiert werden.

Yin und Yang begreifen

Yin und Yang begreifen

Welchen Einfluss haben diese Erkenntnisse auf die Qigong Praxis? Die modellhafte Beschreibung von Yin und Yang lehrt uns, dass ein Ungleichgewicht der Pole zu starken Effekten auf den jeweiligen Gegenpol führen kann. Ein Gleichgewicht von Yin und Yang wird als angenehm und ausgeglichen empfunden.

Auch für unseren Alltag kann diese Lehre sehr hilfreich sein. Häufig sind wir heute sehr stark in den Yang Aspekten gefordert. Arbeit, Denken, Aktivität und Leistungserbringung wird im Alltag und Berufsleben gefordert. Der notwendige Yin Ausgleich in der Ruhe, Kreativität und im Bereich der Selbstwahrnehmung kommt dagegen zu kurz. So wundert es nicht, wenn sich im Körper Yang Symptome wie Bluthochdruck, Gedankenrasen oder Herzsensationen zeigen und andererseits der Yin Mangel, wie z.B. Schlaflosigkeit und mangelnde Libido.

Ruhe und Bewegung

Übe in Ruhe (Yin) und in Bewegung (Yang). Ist Dein Alltag durch wenig Bewegung bestimmt, so bewege Dich und umgekehrt. Ist Dein Alltag durch viel Stress bestimmt, so gleiche Dich durch ruhige und langsame Bewegungen aus. Die Übungsgeschwindigkeit kann variiert werden. Du wirst merken, dass nach einem hektischen Arbeitstag die Übungsgeschwindigkeit schneller ist. Übe erstmal in Deiner natürlichen Geschwindigkeit und verlangsame erst nach und nach. Wenn sofort sehr langsam geübt wird, dann wird dies meist als unangenehm empfunden. Auch komplexere Choreographien, wie im Taijiquan, werden dann als angenehm empfunden. Übungen bis fast zum Stillstand zu verlangsamen hat dagegen den Vorteil, dass ein bestimmte Körperhaltung genauer erspürt werden kann. Bleib doch in bestimmten Positionen stehen und spür, was die Übung ausmacht (Yin). Das zügige und fließende Üben hat den Vorteil die Natürlichkeit einer Bewegung genauer spüren zu können (Yang), Verkrampfungen lösen sich leichter, der Geist ist nicht so angespannt.

Sinken und Steigen

Qi hat die Eigenschaft leicht im Körper aufzusteigen (Yang), weshalb im Qigong das Absenken der Energie gerne betont wird (Yin). Aufgestiegene Energie, die nicht nach unten abfließt (obere Fülle) zeigt sich in verschiedenen Symptomen: Kopfschmerzen, Nackenverspannungen, Augendruck, Ohrendruck (Hörsturz oder Tinnitus), Rosacea, Bluthochdruck, u.v.m. Diese Symptome werden natürlich in der TCM differenzierter betrachtet und dementsprechend behandelt.

Absenkende Wirkung entsteht, wenn das Körpergewicht mehr in den Fersen balanciert wird. So können sich die Muskeln auf dem Knochendruck entspannen und die Aufrichtung wird vom passiven Bewegungsapparat übernommen. Das Qi kann so nach unten fließen. Auch die Konzentration auf Ni1-Yongquan-Die Sprudelnde Quelle führt das Qi nach unten. Lass Dein Becken sinken, so wird sich das Gefühl einstellen, dass sich Dein Bauch nach innen einrollt ohne die Bauchmuskeln dabei anzuspannen. Der Akupunkturpunkt Ren4-Guanyuan-Tor des Urspungs wird so aktiviert welcher das Yin stärkt.

Kreislaufschwäche und Kollapsneigung (z.B. bei Herz-Yang Mangel) als Zeichen von unten gestauter Energie bzw. zu schwach aufsteigender Energie (Yin) kann durch mehr Druck in den Fußballen oder stärkere Vorstellungskraft auf dem Akupunkturpunkt Dumai 20 – Bahui – Einhundert Vereinigungen nach oben stabilisiert werden (Yang). Man kann sich vorstellen, der Körper wäre an einem seidenen Faden befestigt, der den Kopf an diesem Punkt nach oben zieht.

Dieser Zustand tritt auch gelegentlich bei Qigong Anfängern auf, die erstmals Kontakt mit den sinkenden Kräften im Qigong aufnehmen. Die entspannende und wohltuende Wirkung wird mangels Erfahrung zu stark betont, was das Qi „versumpfen“ lässt.

Schließen und Öffnen

Yin-Yang-innen-aussen

Schließen (Yin) und Öffnen (Yang) haben im Qigong eine ebenso wichtige Bedeutung wie Steigen und Sinken. Auch hier hat das Yin einen höheren Stellenwert für die Gesundheit, da ein Yang betontes Üben eher schädliche und unangenehme Effekte hervorruft. Schließen und Öffnen kann auf unterschiedliche Weisen erfahren werden. Es geht dabei um die Richtung des Qi Fluss vom Zentrum (Dantian) in die Peripherie oder zurück zum Mittelpunkt. Um ein ausgeglichenes angenehmes Gefühl im Körper zu entwickeln und schädliche Effekte zu vermeiden übt man mit ca. 70% schließender und 30% öffnender Kraft.

Körperhaltung und Körperempfindung

Die Körperhaltung wird häufig durch konkrete Arbeitsanweisungen geschult. Es heißt z.B. das Becken soll sich senken, als ob jemand am Steißbein ziehen würde. Oder in den Schultern sollen sinkende Kräfte ausgeübt werden. Diese Anweisungen haben Yin-Charakter. Eine hilfreiche Vorgehensweise ist auch die Yang Variante, die weniger auf Winkel achtet. Die angestrebte Haltung (Yin), soll bestimmte Körperempfindungen auslösen (Yang). Passende Beschreibungen sind dann beispielsweise: „Lockeres Gefühl in der Leistengegend“, „aufspannende Kraft zwischen den Knien“, usw.

Ich erinnere mich gut an den Satz „sitz gerade!“ aus meiner Kindheit. Diese Anweisung „gerade“ führt jedoch selten zu entspannter Aufrichtung, sondern meist zu starken Verspannungen in Rücken, Schultern und zu Belastungen der Hüften und Knie.

Innen und Außen

Die Konzentration nach Innen (Yin) kann verstärkt werden, wenn beim Üben die Augen geschlossen werden. Wird dies als unangenehm empfunden können auch die Augen geöffnet bleiben (Yang). Du kannst auch bei geöffneten Augen die Aufmerksamkeit im Inneren üben. Die Augen zeigen dann nach außen, die Schau ist innen. Du kannst aber auch die Augenlider halb geschlossen lassen, so dass kein scharfes Sehen mehr möglich ist, herannahende „Bedrohungen“ jedoch trotzdem erkannt werden. So kann die Unsicherheit vermieden werden, die manche bei geschlossenen Augen empfinden und gleichzeitig die störenden Effekte bei geöffneten Augen ausgeschaltet werden. Bleib im Fluss, Du musst Dich nicht auf eine Variante festlegen. Und trotzdem empfehle ich Dir auch mal ausschließlich die eine und die andere Variante zu üben, um den Unterschied deutlich zu spüren.

Den Krug weiten und den Krug füllen

Verschiedene Übungen im Qigong stärken unseren Körper. Die Muskeln (Yin) werden kräftiger (Yang) und Körper und Geist ausdauernder. Je kräftiger unser Körper ist, desto mehr Energie kann er aufnehmen. Yin und Yang müssen einander entsprechen. So ist der Bodybuilder, der nur nach Muskelwachstum strebt wahrscheinlich unbeweglich, langsam und träge (Yin überwiegt Yang). Der Sprinter dagegen ist wendig und schnell, hat aber für lange Märsche zu wenig Ausdauer (Yang überwiegt Yin).

YinYang
RuheBewegung
MuskelaufbauAusdauertraining
Autochthone MuskulaturBewegungsmuskulatur
Fasciales PotentialMuskelpotential
MuskelmasseMuskelkraft
Wandstärke des KrugesInhalt des Kruges

Unabhängig von der Qi-Kapazität (Yin) entsteht bei Ansammlung von Qi der Drang nach Entfaltung der Energie (Yang), was sich häufig durch Energieverbrauch oder gar Energieverschwendung äußert (aus Yin entsteht Yang). So könnte z.B. während einer Übung ein Gefühl außerordentlicher Zufriedenheit entstehen. Ein Lachen, das daraus hervorgeht und in einem Lachanfall endet, verschwendet nun die angesammelte Energie und leert den Körper. Im Anschluss wird man sich schwach und ausgepowered fühlen. Hält man das Gefühl der Zufriedenheit zurück, betrachtet es wohlwollend und schenkt ihm nicht zu viel Aufmerksamkeit, so wird die Energie im Körper gesammelt und konserviert.

Die Fünf Wandlungen begreifen, jetzt wird’s bunt

Die Fünf Elemente sind Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde. Wasser befeuchtet nach unten, Feuer schlägt nach oben, Holz kann gebogen und geradegerichtet werden, Metall kann geformt werden und erhärten, die Erde erlaubt das Säen, Wachsen und Ernten. Was durchtränkt und absteigt (Wasser) ist salzig, was emporschlägt (Feuer) ist bitter, was gebogen werden kann (Holz) ist sauer, was geformt werden und erhärten kann (Metall) ist scharf, was das Säen, Wachsen und Ernten erlaubt (Erde) ist süß.“ (Shang Shu)

Monade_Elemente

Die Lehre der Fünf Wandlungsphasen beschreibt fünf archetypische Grundkräfte. Die Erscheinungen der Natur sind von diesen Kräften durchdrungen und unterliegen der ständigen Wandlung. Alles vergeht und wo das eine vergeht, entsteht etwas Neues. Vier Wandlungsphasen sind bereits in der Monade (Taiji Symbol) erkennbar. Die fünfte Wandlungsphase ist die Verbindung zwischen den Urkräften und das Grundgesetz der stetigen Wandlung selbst (Erde). Qi unterliegt dem laufenden Wandlungsprozess. Wird versucht Qi in seinem Zustand zu fixieren, so entsteht ein energetischer Stau. Der Druck, dass Qi sich wandeln kann nimmt dann stetig zu. Die Wandlung von Qi unterliegt einem Zyklus. Auch in der Natur lassen sich diese Wandlungszyklen beobachten:

  • Yin-Yang-5ElementeTag (Yang) zu Nacht (Yin) unterteilt sich in Morgen- und Abenddämmerung, Mittag und Mitternacht und den jeweiligen Übergangsphasen
  • Der Jahresverlauf unterteilt sich in Frühling (Holz), Sommer (Feuer), Herbst (Metall), Winter (Wasser) und den jeweiligen Zwischenphasen (Erde)
  • Der Lebensverlauf hat typische Lebensabschnitte, Geburt, Wachstum und Jugend, Reife, Selbstverwirklichung, Ernte einbringen, Abbau
  • Eine Bewegung nimmt in der Gegenbewegung Schwung auf und kehrt aus dem Schwungholen wieder um

Wie man sieht unterliegt die Wandlung, entsprechend der Gesetzmäßigkeiten von Yin und Yang, ebensolchen Gesetzen der Selbstregulation (Verdrängung, Hervorbringung, Opposition, gegenseitig Abhängigkeit). So wie Yin und Yang auseinander hervorgehen, so gehen auch die Elemente auseinander hervor. Und so wie sich Yin und Yang gegenseitig verbrauchen, kontrollieren sich auch die Elemente gegenseitig:

Ernaehrungszyklus

Zyklus der Hervorbringung (physiologisch)

Der Hervorbringungszyklus (syn: Nährungszyklus, Zyklus der Förderung) beschreibt die Mutter-Kind-Beziehung der Elemente. Ein Element bringt das nächste hervor. Das Wasser bringt das Holz hervor, aus dem Feuer entstehen kann. Das verbrannte Feuer bringt Erde in Form von Asche hervor. In der Erde sind die Metalle/ Minerale zu finden. Das Wasser wird im Mineral / Salz gebunden. Im Bewegungsablauf wird so eine Bewegungsphase das optimale Potential für die nächste vorbereiten. Der Absprung wird durch das Schwungholen vorbereitet, die Bewegung durch die Gegenbewegung eingeleitet.

Mutter-Kind-Regel (physiologisch/ pathologisch)

Mutter-Kind-Pathologie

Mit ihrem scharfen Blick für die Praxis haben die Chinesen die Wechselbeziehung zwischen Mutter und Kind klar beschrieben: Die Mutter wird ihr Kind immer fördern, das Kind wird immer von der Mutter nehmen. Gerät ein Element aus dem Gleichgewicht und wird unverhältnismäßig stark, so besteht die Gefahr, dass es sein nährendes Element schwächt. Diese Regel beschreibt das Geben und Nehmen im Hervorbringungszyklus und kann therapeutisch gut eingesetzt werden:

1. das Kind wird gestärkt durch seine eigene Stärkung oder die Stärkung der Mutter

2. die Mutter wird geschwächt durch die Sedierung der Mutter oder die Stärkung des Kindes

Die Mutter-Sohn-Regel ist die Grundlage für die Sedativ- und Tonisierungspunkte in der Akupunkturlehre.

Kontrollzyklus

Zyklus der Hemmung und Kontrolle (physiologisch)

Wie ein Lebewesen gedeiht, hängt von zwei Faktoren ab. Einerseits vom Nährungszustand, andererseits von der Wachstumskontrolle. Grenzenloses Wachstum der einen Art führt zur Vernichtung der anderen. Damit die Elemente nicht übermächtig werden, kontrollieren sie sich gegenseitig: Wasser löscht das Feuer, Feuer schmilzt das Metall, Metall spaltet das Holz, Holz durchdringt das Erdreich, die Erde staut das Wasser.

Zyklus der Überwältigung (pathologisch)

Ueberwaeltigung

Wenn ein Element im Verhältnis zu dem, von dem es gehemmt werden soll, sehr schwach ist, oder umgekehrt, wenn das Element das ein anderes hemmen soll, unverhältnismäßig stark ist, dann wird aus der physiologischen Hemmung eine pathologische Überwältigung. Beispielsweise hemmt zuviel Metall das Holz nicht, sondern zerspaltet es. Der überstrukturierte Qigong Übende wird sich in seiner Suche nach der korrekten Haltung verspannen und seine Muskeln nicht optimal einsetzen können. Er übersieht die selbsttragende Kraft der Muskulatur in der Dehnspannung (Holz) und versucht im selbstgesteuerten Halten (Metall) die Muskeln optimal zu positionieren. Ein häufiges Leidensthema im Zhan Zhuang Qigong (Pfahlübungen).

Verspottung

Zyklus der Verspottung (pathologisch)

Wird ein Element unverhältnismäßig stark, so kann es das Element von dem es kontrolliert werden sollte verspotten und somit schwächen. Im Rahmen der Erziehung läge die klassische Rolle der Einschränkung und Erziehung bei den Großeltern (z.B. Wasser löscht Feuer). Wird das „Enkel-Feuer“ jedoch zu kräftig wird es seine Großeltern verspotten und deren mäßigendes Wasser schlicht verdampfen. Wird im Qigong das Feuer der Neugierde zu stark werden die Bewegungen oberflächlich und der Geist unruhig. Die meditative Versunkenheit (Wasser) geht so verloren.

Die Fünf Wandlungen im Qigong: Das Power Response Prinzip

Die beschriebenen archetypischen Kräfte sind universelle Prinzipien. Als solche können wir sie in jeder Bewegung finden. Die Strukturierung des Bewegungsablaufs in verschiedene Bewegungsphasen bietet Dir eine Orientierung im Qigong. Jeder von uns hat eine bevorzugte Bewegungsphase, eine typische Kraftvorliebe. Der eine folgt intuitiv seinem eigenen Gefühl, mag ruhige Bewegungen (Wasser), der andere sucht den kräftigenden Widerstand in der Bewegung (Holz), der nächste bevorzugt impulsive schnelle Bewegungen (Feuer) und wieder ein anderer fühlt sich dann wohl, wenn die Muskeln eingesetzt werden dürfen und die Bewegung in Gang gesetzt wird (Metall). Allen Kraftqualitäten gemeinsam ist die zugrundeliegende Masse (Erde), die bewegt, beschleunigt oder abgebremst wird. Bist Du ein Erdtyp, bevorzugst Du ausgeglichene Bewegungen, behältst gern das Gleichgewicht und bewegst Dich gern im „grünen Bereich“.

Je nachdem welcher Typ Du bist, wirst Du Deine Qigong Übungen auf eine bestimmte Art und Weise ausführen. Andere Empfindungen wirst Du übergehen oder zu vermeiden versuchen. So beziehst Du nicht alle Kraftqualitäten in Dein Üben mit ein. Der Power Response Zyklusiv erlaubt es Dir alle Kraftqualitäten zu erfahren und sie Dir zu Nutze zu machen.

Im Power-Response-Zyklus lernst Du typgerecht zu trainieren:

  • Du experimentierst mit der Kraftlogik der fünf Bewegungsphasen und spielst mit der Verhaltenslogik der fünf Typen
  • Du lernst die Kraftverhältnisse in Deinem Power-Response-Zyklus und das Beziehungsgefüge in Deiner „Fünf-Elemente-Mannschaft“ kennen
  • Du stärkst vernachlässigte Bewegungsphasen bzw. Typen und lernst Dein Training typgerecht zu gestalten
  • Du optimierst das Zusammenwirken der fünf Phasen und fünf Persönlichkeitsanteile
ElementHolzFeuerErdeMetallWasser
Lehrer-TypBergführerAnimateurGastgeberSchiedsrichterGärtner
Schüler-TypKämpferSpielerVermittlerStrategePhilosoph
Persönlichkeits-eigenschaftenbelastbar, impulsiv, willensstark, entschlossen, setzt sich durchneugierig, erregt, verspielt, innovativ, impulsiv, motivierendumsichtig, konstant, organisiertwissbegierig, systemisch, sucht nach Regeln, strategischversunken, meditativ, ausdauernd, intuitiv
BewegungsphaseDehnspannung, passive Muskelarbeit, VordehnungImpuls, ReflexGleichgewicht, Schwungkraft, MassenträgheitKontraktion, aktive MuskelarbeitKnochendruck, Entspannung
Druckansteigendmaximalausgeglichensinkendminimal
Widerstandstemmt sich gegen den Druck, wird dadurch gedehntabstoßend, überwindend, klatschendausgleichend, rollend, balancierendführend, leitend, gestaltendüberlassend, stabilisierend, neu ansetzend

Spannungsfelder innerhalb der Elemente

Ueberkontrolle

Aus den Selbstregulationskräften ergeben sich natürliche Spannungsfelder und natürliche Unterstützungsbereiche. Sowohl in der Chinesischen Medizin als auch im Qigong haben diese Spannungsfelder eine besondere Bedeutung. Werden einzelne Energien zu stark, so können die Kontrollelemente gestärkt werden, um das überschießende Element zu besänftigen. Eine andere Vorgehensweise besteht in der Stärkung des überkontrollierten Elementes.

Die Spezialisierung auf eine besondere Stärke oder ein Talent fördert das Wachstum in einem Element. Wird dieses Wachstum jedoch nicht durch die anderen Elemente unterstützt, kann es zu Ungleichgewichten kommen, eine negative Entwicklung entsteht. So liegt in jedem Talent der Keim zum Scheitern verborgen. Die Kontrollzyklen können genutzt werden, um immer wieder in eine positive Entwicklung und ausgeglichene Regulation zurückzufinden:

ElementHolzFeuerErdeMetallWasser
Lehrer-TypBergführerAnimateurGastgeberSchiedsrichterGärtner
Schüler-TypKämpferSpielerVermittlerStrategePhilosoph
Stärkefordert heraus, setzt sich durch, treibt anbegeistert, verwandelt, motiviertversorgt, vermittelt, gleicht aus, bestärktplant, organisiert, führtwartet ab, beobachtet, betreut
wird belastet durchEinengung, DruckStress, ReizüberflutungAlltag, RoutineVerantwortung, Organisation, RegelwerkeExistenzsicherung
Typische Reaktion im Konfliktmehr Druck bzw. AnstrengungBeschleunigung, IntensivierungErschlaffen, TrägheitAnspannung, VerspannungVermeidung, Ausweichen
Risiko bei Übertreibung / NegativspiraleÜberforderung, ErschöpfungErregung, ÜberreizungEuphorie, ErnüchterungKontrolle, KontrollverlustUnbeirrbarkeit, Stagnation
Lernen in Stärke
(im Kontrollzyklus)
Regeln, Taktik, Technik, Kraft einteilenRückzug, Genügsamkeit, GeduldGrenzen ausweiten, sich anstrengen, durchbeißenSpielerische Leichtigkeit, Risiken eingehen, Spaß habenGenießen, tolerieren, sich einlassen
Lernwiderstand (im positiven Lernen)„Du hast mir nichts zu sagen“„Du musst mich unterhalten“„Du darfst mich nicht fordern“„Rechtfertige Dich!“„Stell mich nicht in Frage!“
Lernen in Schwäche(im Verspottungszyklus)Erholung, Mäßigung, TeamarbeitStruktur, Ordnung, DisziplinZurückhaltung, AchtsamkeitEinmischen, AnpackenRausgehen, mitspielen
Lernwiderstand (im geschwächten Lernen)„ich will keine Rücksicht nehmen“„ich will mich nicht an Regeln halten“„ich will nicht allein sein“„ich will den Überblick / Kontrolle behalten“„ich will mich nicht verlieren“

Leitbahnen, Meridiane, Akupunkturpunkte

Jedem Funktionskreis werden Energieleitbahnen, die so genannten Meridiane zugeordnet. Die Meridiane sind die Wegstrecken der vitalen Energie-Qi. Ähnlich dem fein verzweigten Blutsystem gibt es Leitbahnen, die oberflächlich verlaufen und für die Akupunktur zugängig sind und Leitbahnen, die fein verzweigt den gesamten Körper vernetzen. Auf den Meridianen sind die Akupunkturpunkte bzw. Energiepunkte zu finden, die Einfluss auf die Körperfunktionen und das Qi nehmen. Vor allem die Verbindung der Leitbahnen zueinander ist von wichtiger Bedeutung. So werden innere Strukturen und Organe durch die Therapie äußerer Meridiane erst möglich.

Das Leitbahnensystem transportiert Blut, Abwehr-Qi, Nähr-Qi und Essenz. Auch in der Diagnostik spielen die Leitbahnen eine wichtige Rolle. Blockaden in den Meridianen zeigen sich durch Schmerzen in unterschiedlichen Qualitäten und weisen auch auf den inneren Zustand hin.

Durch Stimulation mit Nadeln (Akupunktur), Hitze (Moxibustion), Unterdruck (Schröpfen), Schaben (Gua-Sha), Massage (Tui-Na), durch Drücken (Akupressur) oder durch Dehnen (Daoyin) lassen sich Akupunkturpunkte und Leitbahnen beeinflussen.

Im Qigong gibt es unterschiedliche Methoden zur Stimulation der Akupunkturpunkte. Durch Dehnungen werden die Meridiane in Abschnitten oder im Ganzen durchgängig gemacht (Daoyin), damit Qi besser fließen kann. Konzentration auf die Energiepunkte lenkt Qi an diese Stellen, die Atmung kann zusätzlich eingesetzt werden. Auch Massagen und Klopfübungen sind bekannt, um die Energie zu wecken. Durch Aufbau von Druck und Entlastung in Bewegungen und Haltungen kannst Du die Energiepunkte in den Übungen gezielt beeinflussen.

Surf-Tipp: Dynamische Dehnübungen im Qigong und Tai Chi

Was uns krank macht und was uns gesund hält

Die Chinesische Medizin kennt verschiedene Ursachen für die Entstehung von Krankheit. Es sind die Funktionskreise selbst, die schwach werden können und auch besonders empfänglich sind für krankheitserregende Faktoren:

 Niere
Blase
Leber
Gallenblase
Herz
Dünndarm
Milz
Magen
Lunge
Dickdarm
schädigendes KlimaKälteWindHitzeFeuchtigkeitTrockenheit
EmotionAngstWut, ZornHysterieGrübelnTrauer
ÜbertreibungStehen
Sexualität
körperliche AnstrengungUnruheKonzentrationHektik

Für die Qigong Praxis ist wichtig, dass zu starke emotionale Situationen und auch extreme klimatische Bedingungen für die Übungen störend sein können und für die Gesundheit schädlich. Auch wenn es für viele Situationen ausgleichende Übungen gibt, so sollte man sich als Anfänger nicht in starken emotionalen Situationen dem Qigong hingeben. Versuche erst Dich zu beruhigen, mach einen Spaziergang und wenn Du das Gefühl hast, dass Du ausgeglichener bist, kannst Du wieder Qigong üben. Wenn Du Dich von einer Emotion regelrecht gefangen fühlst, also in einer energetischen Situation festsitzt dann lass Dich von einem kompetenten (Qigong-) Therapeuten helfen.

Leidet ein Mensch unter schwacher Konstitution, also geschwächtem Ursprungs-Yuan-Qi, so ist er grundsätzlich anfälliger für pathogene Faktoren und wird leichter krank. Qigong ist dann sehr hilfreich, um das Ursprungs-Yuan-Qi zu stabilisieren und die Konstitution durch Aufbau der nachgeburtlichen Essenz zu stärken.

Überanstrengungen unterschiedlicher Art sind heute oftmals die Ursache für die Erschöpfung unserer Energien. Das Gleichgewicht zwischen körperlicher Anstrengung, geistiger Aktivität und Ruhe sollte angestrebt werden, um das Qi zu erhalten.

Geistige Überanstrengung verbraucht das Magen-Qi und –Yin bzw. das Milz-Qi, langfristig das Nieren-Yin. Körperliche Überanstrengung verbraucht das Milz-Qi, bzw. bei einseitiger körperlicher Belastung kommt es zu Qi-Stagnationen, übermäßiges Stehen schadet der Niere (Knochen), übermäßige körperliche Betätigung schadet der Leber (Sehnen), übermäßige sportliche Betätigung entleert das Qi. Übermäßige Sexualität erschöpft die Nieren-Essenz. Die empfohlene Häufigkeit richtet sich nach Alter und Gesundheitszustand. Die Daoisten verwende die sexuellen Kräfte, um Energie zu mobilisieren und zu kultivieren. Viele wertvolle Techniken und Übungen sind hier bekannt.

Falsche Ernährung

Mangelernährung führt zu Qi-Mangel und Blut-Mangel und führt zu Transportschwäche der Milz

Übermäßiges Essen führt zu Qi-Mangel, Anhäufung von Schleim, Völlegefühl, Aufstoßen, etc.

„Kalte“ und „rohe“ Nahrung schwächen die Milz (Yang)

Süßes (Zucker) blockiert die Milz und führt zu Nässe (Katarrh der Luftwege, Blähungen, Völle, Schleimbeimengungen im Stuhl, bitterer Mundgeschmack, Durst)

„Heiße“ und „scharfe“ Nahrung (z.B. Lamm, Alkohol, Curries) führen zu Hitze (hauptsächlich in Magen und Leber)

Übermäßiger Genuss von fetten und gebackenen Speisen führt zu Schleim und Nässe

Trauma

Physische und psychische Traumata führen zu lokalen Qi-oder Blut-Stagnation. Je nach emotionaler Qualität werden verschiedene Funktionskreise belastet.

Parasiten, Bakterien, Viren, Pilze, Vergiftungen

Der Befall von Erregern und die Vergiftung äußern sich unterschiedlich. Je nach Erreger und Giftstoff können unterschiedliche Organe betroffen sein.

Falsche Behandlung und falsche Übungsanwendung

Was vor allem in der westlichen Welt nicht zu unterschätzen ist, ist die Auswirkung von Schäden, die durch Medikamente angerichtet werden. Jedes Jahr gibt es in Deutschland in etwa 200.000 schwere Fälle von Medikamentennebenwirkungen, wovon ca. 12.000 bis 16.000 tödlich enden! Die Anzahl der Menschen, die unter Medikamentennebenwirkungen leiden ist schwer messbar, da es dafür kein Meldewesen gibt. Im Vergleich dazu sterben jährlich ca. 8.000 Menschen an Verkehrsunfällen.

Pathogene Faktoren

Die Umwelt nimmt direkten Einfluss auf unseren Organismus. Kälte oder Hitze sind recht spürbare und bekannte Einflüsse. Ob im Winter die Erkältung oder die Sommergrippe, beide werden durch das jeweilige Klima hervorgerufen. Auch den Einfluss von Wind, Trockenheit oder Nässe muss unser Organismus ausgleichen. Die pathogenen Faktoren stürmen entweder durch Konfrontation mit klimatischen Verhältnissen auf uns ein oder sie entstehen im Körper selbst. Ungleichgewichte von Yin und Yang, Körperflüssigkeiten oder hervorgerufen durch Ernährung erzeugen die Organe ein entsprechendes Milieu. Die Pathogene können sich auch vereinen und gemeinsam auftreten, z.B. als trockene oder nasse Kälte, heißer oder kalter Wind, feuchte oder trockene Hitze.

Pathogener FaktorAuswirkung
KälteKälteaversion, Kälte von Extremitäten, Lumbalregion und Abdomen, wässrige Absonderungen, Schnupfen mit fließendem wässrigen Sekret, Polyurie, wässrige Diarrhö; starke, lokalisierte, in der Tiefe empfundene Schmerzen; harte Verspannung der Muskulatur, kein Schwitzen, kein Durst
Hitze(Hohes) Fieber, Hitzeaversion, Gesichtsrötung, gerötete Augen, Mundschleimhaut- und Zungenulzerationen, Halsschmerzen, Unruhezustände bis zur Manie, gelbliche Körperabsonderungen, rote und heiße Hautschwellungen, dunkler Harn, stinkender, brennender Stuhl, evtl. mit Eiterbeimengung, bei längerem Bestehen und Schädigung der Körperflüssigkeiten auch trockener StuhlFeuer (starke Hitze):Krämpfe, Koma, Purpura, innere Blutungen
SommerhitzeHohes Fieber, Schwitzen, Hitzeaversion, Durst, Unruhe, Reizbarkeit, trockene Schleimhäute, verminderter Harndrang, Kopfschmerzen, Schwindel
Windplötzliche, neuralgieförmige Schmerzen, Juckreiz, Urtikaria, Schwindelgefühl, Nackensteifigkeit, Muskelverhärtungen und Krämpfe, Niesen, Lähmungen (bei Befall von Meridianen, z. B. periphere Fazialisparese), leichtes Schwitzen
TrockenheitTrockene Haut und Schleimhäute, Nasenbluten, Halskratzen, trockener Husten ohne oder mit spärlichem, mitunter auch blutigem Auswurf, Trockene Zunge
Nässe, FeuchteErschöpfung, Schweregefühl von Extremitäten und Kopf, dumpfe Schmerzen in Gelenken und im Kopf, Völlegefühl in Abdomen und Thorax, trübe Körperabsonderungen, klebriger Stuhl, nässende Hautekzeme, Schwellungen, v. a. der unteren Extremitäten

Krank in der Leitbahn?

Schmerz ist der Schrei des Gewebes nach fließender Energie.

Die Leitbahnen sind die Transportwege der Energie. Kommt es zum Energiemangel oder zu Blockaden, so können entlang der betroffenen Leitbahn Schmerzen auftreten. Diese am Meridian verlaufenden Empfindungen sind wichtig für die Diagnosestellung. Sie geben Auskunft über den Zustand in den Organen.

Auch die Zustimmungs-Shu Punkte und die Alarm-Mu-Punkte erlauben einen Einblick in die Energetik. Die betreffenden Punkte bzw. Zonen zeigen sich schmerzhaft oder zumindest druckempfindlich, wenn die Organe geschwächt sind.

Diagnose in der Chinesischen Medizin

Die Diagnostik der Chinesischen Medizin beruht auf der Inspektion (Sichtdiagnose, z.B. Antlitzdiagnose und Zungendiagnose), der Auskultation (Abhören) und der Palpation (Abtasten, z.B. Pulsdiagnostik). Die Diagnoseverfahren sind dabei weit ausgereifter und differenzierter, als sie die westliche Medizin heute praktiziert. Heute werden in der westlichen Schulmedizin den bildgebenden Verfahren und Laboruntersuchungen mehr Gewicht beigemessen, als den Aussagen des Patienten.

Bei der Zungendiagnostik wird der Zungenkörper in Form und Farbe untersucht. Die Merkmale in den einzelnen Zonen lassen sich den Funktionskreisen zuordnen. Auch der Zungenbelag liefert wichtige Informationen über den Zustand im Körper. Hier wird nach Dicke, Farbe, Konsistenz, Geruch und Feuchte bzw. Trockenheit unterschieden.

In der Antlitzdiagnose werden als erstes die Gesichtsfarbe und deren Leuchtkraft inspiziert. Sie gibt Auskunft über Eindringen pathogener Faktoren, über Fülle und Leere, über den Zustand von Qi und Blut. Eine genaue Differenzierung der Merkmale im Gesicht, wie sie auch in der westlichen Naturheilkunde anzufinden ist, hat in der Chinesischen Medizin ein lange Tradition. Auch die Ohrmuschel wird in diese Überlegungen miteinbezogen.

Vor allem die Pulsdiagnostik erlaubt einen differenzierten Einblick in die Energetik des Menschen. Die verschiedenen Taststellen und Eindrucktiefen geben Auskunft über die verschiedenen Funktionskreise. Weiterhin wird die Pulsqualität nach Geschwindigkeit, Fülle, Impulsivität und Rhythmik differenziert. Manche chinesische Ärzte verzichten auf alle weiteren diagnostischen Verfahren, da sie allein auf die hohe Kunst der Pulsdiagnose vertrauen.

Die Befragung des Patienten liefert wichtige Hinweise über die Entstehung der Krankheit, die Qualität der Symptome, Verbesserung und Verschlechterung. Außerdem werden wichtige Körperfunktionen abgefragt und die Ausscheidungen (Urin, Stuhl, Schweiß, Nasensekret, Sputum) beurteilt.

So erhält der Therapeut ein umfangreiches Bild über alle Funktionskreise. Er kann Organmuster erkennen, den Zustand von Qi, Blut, Essenz, Geist, den Körperflüssigkeiten einschätzen und pathogene Faktoren benennen. So ist eine ganzheitliche Therapie möglich.

Muster erkennen – der Mikrokosmos im Makrokosmos

Jeder Funktionskreis zeigt ein typisches energetisches Verhalten auf. Es zeigen sich immer wieder die gleichen Muster. Die Muster lassen sich durch die diagnostischen Verfahren und die Anamnese leicht herausfinden. Symptome treten im Verbund auf und nicht separiert.

Ist das energetische Muster identifiziert, lässt sich daraus die Therapie ableiten. Stagnierendes Qi wird bewegt, Kälte wird erwärmt, Hitze gekühlt, Qi Mangel wird tonisiert, usw.

Akupunktur in der traditionellen chinesische Medizin

Bei der Akupunktur werden mit Nadeln unterschiedlicher Dicke und Länge die Energiepunkte beeinflusst. Sie entfalten unterschiedliche Qualität im Organismus und weisen spezifische Wirkungen auf. Sie nehmen auch auf den Energiekreislauf Einfluss und sind in der Lage Energie auszuleiten, umzuleiten, zu transformieren oder auch aufzunehmen.

Auch wenn im Westen die Akupunktur vor allem in der Schmerztherapie eingesetzt und so die Wirkung auch bereits wissenschaftlich nachgewiesen wurde, wird in China die Akupunktur bei weitaus größerem Indikationsspektrum eingesetzt.

Während der Akupunktursitzung wird der Patient in eine bequeme liegende oder sitzende Position gebracht. Der Therapeut setzt die Nadeln an den zuvor gewählten Stellen, was meist völlig schmerzfrei ist. Durch Stimulation entfaltet der Punkt die gewünschte energetische Wirkung. Die dadurch ausgelöste Empfindung kann je nach Punkt unterschiedlich stark schmerzhaft, meist dumpf sein. Die „Dei Qi“ genannte Empfindung ist wesentlicher Bestandteil der Akupunktur. Die Nadeln verbleiben dann ca. 20-45 Minuten im Körper und werden dann wieder entfernt. Bei sedierenden Techniken ist das Nachbluten aus den Akupunkturpunkten erwünscht, während bei tonisierenden Techniken die Akupunkturpunkte nach Entfernung der Nadeln meist noch kurz gedrückt oder massiert werden.

Es haben sich in den verschiedenen Traditionen unterschiedliche Anwendungen entwickelt. Die sogenannten Somatotope bilden den ganzen Körper ab, es ist also möglich über Bauch, Schädel oder Ohr auch den ganzen Körper zu beeinflussen:

  • Körperakupunktur
  • Ohrakupunktur
  • Schädelakupunktur
  • Bauchakupunktur
  • Handakupunktur

Pharmakologie in der traditionellen chinesische Medizin

In der Arzneimitteltherapie der Chinesen haben sich Pflanzen (Rinden, Wurzel, Blätter, Blüten, Kraut), Mineralien und Metalle sowie tierische Präparate bewiesen. Eine Rezeptur besteht meist aus mehreren Bestandteilen. Neben der Rezeptur selbst spielt auch die Aufbereitung eine große Rolle. In China sind regional verschieden meist an den Arzt Apotheken angeschlossen, die die Rezepturen herstellen. In ländlicheren Gegenden bereitet der Arzt die Mischungen teils selbst auf.

Grundlage für die Herstellung der Arznei ist die genaue energetische Diagnose des Patienten. Jeder Patient erhält ein individuelles Rezept, das seiner Gesamtsituation entspricht.

Diätetik in der traditionellen chinesische Medizin

Die Nahrung nimmt Einfluss auf unseren Energiehaushalt. Dabei entfaltet jedes Nahrungsmittel spezifisch seine thermische Wirkung. Während scharfe Gewürze unseren Körper erhitzen, kühlt Rohkost, insbesondere Gurken unseren Körper.

Die Diätetik soll den Patienten unterstützen zu einem ausgeglichenen Energiehaushalt zurück zu finden. Schädliches Nahrungsverhalten soll vermieden werden. Hierbei wird aber nicht nur das einzelne Nahrungsmittel betrachtet, sondern ganze Rezepturen empfohlen, ähnlich einer pharmakologischen Empfehlung.

Auch in unserem Kulturkreis sind solche Rezepte bekannt: Die Hühnersuppe nach der Geburt oder zum Aufbau nach schwerer Erkrankung, die Haferschleimsuppe bei Magenschleimhautentzündung oder der „Hebammencocktail“ zur Einleitung der Geburt bei übertragenden Müttern.

Tipp: Lesen Sie auch unseren Artikel „Chinesische Ernährungs-Lehre (Diätetik)

Tuīná in der traditionellen chinesische Medizin

Tuīná (Tuina) setzt sich aus zwei Wortbestandteilen zusammen. „Tuī“ bedeutet dabei „drücken“ oder „schieben“, Ná heißt „greifen“ oder „ziehen“. Tuīná sind spezielle Massagetechniken, die der westlichen manuellen Therapie und Chiropraktik ähnlich sind.

Auch die Akupunkturpunkte werden durch drücken oder Halten beeinflusst. Diese Akupressur hat teils mindestens gleich große Wirkung wie der Einsatz von Akupunkturnadeln. Durch Ausstreichen der Meridianverläufe wird der Energiefluss in den Leitbahnen verbessert. Die Behandlung des Fuß-Somatotops ist im Westen als Fußreflexzonenbehandlung bekannt geworden.

Präventives und therapeutisches Qigong

„Qigong“ ist ein relativ junger Begriff, auch wenn die Wurzeln des Qigong mehrere Tausend Jahre zurück reichen. Der Begriff Qigong setzt sich aus den Zeichen für Qi und Gong zusammen. Das Qi wird häufig als „Lebensenergie“ übersetzt, wobei hinter diesem Begriff ein großes Konzept steckt, auf das später eingegangen wird. Gong bedeutet „Übung“, „Kunst“, „Fertigkeit“ und deutet auch auf ein stetiges Streben hin. Es geht im Qigong also um die Wissenschaft der Lebenskraft. Qigong kann definiert werden als „Körper-Geist Übungen, welche die Regulierung von Körper, Geist und Atmung in eine Einheit integrieren“ (lit)

Qigongübung

Es gibt verschiedene Wurzeln aus denen das Qigong entstanden ist. Daoismus, Konfuzianismus und Buddhismus hatten aus spiritueller Sicht Nutzen in den Übungen erkannt. In der Kampfkunst und der Medizin stand geistige und körperliche Kräftigung sowie Ausdauer im Vordergrund. Auch sind in verschiedenen Qigong Formen deutliche Hinweise auf Hintergründe im Schamanismus zu finden (z.B. Chan Mi Gong, Wu Qin Xi – Das Spiel der fünf Tiere). Alle Entwicklungsrichtungen hatten aufeinander einen großen Einfluss und können oft nicht ganz klar abgegrenzt werden. Gemeinsam ist ihnen die Stärkung von Körper und Geist.

Die gesundheitlichen Auswirkungen der Übungen haben einen hohen präventiven Stellenwert. Die Reduktion von Bewegungsmangel, die Förderung von Stressbewältigungskompetenz und die Förderung der Entspannung sind wichtige Präventionsprinzipien, die Qigong in unserem Kulturkreis bekannt gemacht haben. Qigong wird heute häufig als allgemein regulierende Übungsmethode verstanden. Je nach Erkrankungsbild wird im Qigong ein bestimmter Übungsrahmen vorgegeben, damit keine schädlichen Effekte eintreten. So verzichtet man z.B. bei psychiatrischem Hintergrund auf den Einsatz von Vorstellungsbildern und betont die körperlichen Übungsaspekte. Es wird auf die allgemeine Regulation vertraut und situationsgerecht der Übungsspielraum vom Kursleiter begrenzt. In der Anwendung von Qigong in Gruppen und für die Stärkung der persönlichen Regulationskräfte ist diese Vorgehensweise empfehlenswert.

Qigong auf Prävention und Entspannung zu reduzieren, würde jedoch der jahrtausende alten Wissenschaft der Lebensenergie nicht gerecht werden. Viele Effekte wurden in zahlreichen Studien überprüft und wissenschaftlich nachgewiesen.

Dennoch bleiben die Übungshinweise im Qigong meist recht unspezifisch. Es wird immer wieder auf die allgemein ausgleichende Wirkung der Übungen hingewiesen. In den wissenschaftlichen Untersuchungen wird stets Augenmerk auf das Ergebnis gelegt. Das „Wie“ ist beim heutigen Stand der Technik schwer nachvollziehbar.

Qigong kann jedoch effektiv therapeutisch eingesetzt werden. Durch Begreifen der inneren Kraftlogik können Körperfunktionen (z.B. Blutdruck, Verdauung, Herzfunktion, Schmerzen, u.v.m.) gezielt beeinflusst werden. Auch Blockaden können behoben, Fehlhaltungen verbessert werden. Der Zusammenhang von Haltung und Organfunktion darf hierbei nicht unterschätzt werden. Heute wird beispielsweise der Reflux standardmäßig durch die chemische Blockade der Magensäurebildenden Zellen behandelt. Meist liegt jedoch eine Insuffizienz des Speiseröhrenverschlusses vor, der wieder auf eine Fehlspannung im Zwerchfell zurückgeht. Die Fehlspannung im Zwerchfell lässt sich leicht durch Haltungs- und Atemschulung beeinflussen. Neben der Beeinflussung der Haltung und Bewegung ist jedoch vor allem die Beeinflussung innerer Prozesse herausragend. Durch Bewusstseinstraining und Atmung können das Hormonsystem, das Nervensystem, Herz und Kreislauf, die Verdauung und die Organfunktionen reguliert werden.

Im Fokus des therapeutischen Qigong stehen neben den allgemein regulierenden Übungen das gezielte Einwirken auf Energiedefizite, die Behebung von Störungen in Funktionskreisen und von Blockaden und die Ausleitung von krankmachenden Faktoren. Dem Qigong Therapeuten ist die Übertragung von Energie möglich, um den geschwächten Patienten zu stabilisieren. Diese Energieübertragung ist mit den heutigen wissenschaftlichen Methoden schwer erklärbar. Da das Phänomen leider nicht nachvollziehbar ist, werden auch von verschiedenen „Meistern“ immer wieder einfache Strassentricks verwendet, um auf sich aufmerksam zu machen. So soll das Entzünden von Papier durch mentale Kraft aufzeigen, wie stark der Therapeut ist. Hierbei handelt es sich jedoch um eine einfache chemische Reaktion durch Aufstreuen von Magnesiumpulver, das sich dann selbst entzündet. Leider schränken diese Tricks die Glaubhaftigkeit der Qi-Übertragung ein, auch wenn viele auch schwerkranke Patienten bereits davon profitiert haben.

Surf-Tipps zum Thema „Traditionelle chinesische Medizin“

Taijiquan / Qigong und Gesundheit
Was ist Akupunktur?
Was sind Meridiane?
Tuina
Qigong in der Medizin
Vortrag über das Element Holz (TCM)
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Taijiquan und Qigong bei ADHS und Depression
Qi Gong im Einsatz bei Tinnitus
Chi und Gesundheit
Qigongübungen zum Mitmachen
Zhong Hua Qi Gong
Rezensionen von Qigong-Büchern
Qigong im Überblick
Der Entwicklungsweg im Qigong
San Bao – die drei Schätze im Menschen Jing, Qi und Shen

Die Lehre von den 5 Elementen

DAS ENTSPRECHUNGS- UND ZUORDNUNGSSYSTEM DER 5 ELEMENTE

Die Verbindung zwischen Himmel und Erde
Bedeutung für die QIGONG-Praxis
Ganzheitliche Elementzuordnungen
Zu den Begriffen Emotionen und Gefühle

GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK

DIE ZUORDNUNGEN ZU DEN 5 ELEMENTEN IM EINZELNEN

Das Element HOLZ / MU
Das Element FEUER / HUO
Das Element ERDE / TU
Das Element METALL / JIN
Das Element WASSER / SHUI

KOMMENTARE ZUR TABELLARISCHEN ÜBERSICHT (5 Elemente Tabellen)

Zum Begriff „Energie“
Zur Farbe der Elemente
Zum Tabellen-Abschnitt „Entwicklung von Kindern gefährdet durch“
Zum Tabellen-Abschnitt „Energie raubende Reaktionsweise auf Belastung“
Zum Tabellen-Abschnitt „Symbolfigur“
Zum Tabellen-Abschnitt „zugeordnete Zahlen“
Zum Tabellen-Abschnitt „Trigramme“

DIE WECHSELBEZIEHUNG DER 5 ELEMENTE / WUXING (Zyklen der 5 Elemente)

Die Anordnung der WUXING im Pentagramm
Welche Bedeutung haben die unterschiedlichen Zyklen im Pentagramm für unsere eigene Entwicklung?
Die Anordnung der WUXING im Andreaskreuz

Autor: Markus Ruppert

Fotos: Loni Liebermann, Taiji-Europa, Archiv Ruppert

Kalligraphie: Wang Ning


Über den Autor Markus Ruppert

Ruppert ist Heilpraktiker und Qigong Lehrer
- Therapeut für Chinesische Medizin und ganzheitliche westliche Naturheilkunde
-, Qigong

Heilpraktiker und Qigong Lehrer
- in eigener Praxis tätig seit 2006
- Therapeut für Chinesische Medizin und ganzheitliche westliche Naturheilkunde
- unterrichtet Qigong seit 2004 und leitet Ausbildungen für Qigong Kursleiter
- freier Referent in der Heilpraktiker Ausbildung und für die SOLUNA Heilmittel GmbH
- weitere Informationen unter: www.lotus-qigong.de oder www.nhz-allgaeuertor.de.

Markus Ruppert, Jahrgang 1976, arbeitet seit 2006 in eigener Praxis als Heilpraktiker. Er hat sich der Chinesischen Medizin verschrieben, schlägt Brücken zur westlichen Naturheilkunde und ist auch der modernen Medizin sehr aufgeschlossen. Was manchem unvereinbar scheint, verknüpft Markus Ruppert zu seinem Handwerkszeug, um Menschen ganzheitlich zu beraten und zu heilen. Dafür nimmt er sich außerordentlich viel Zeit für seine Patienten. Sein Herz schlägt besonders für die Spagyrik und die innere Alchemie. Im Qigong sind ihm besonders die inneren energetischen Aspekte und Wandlungskräfte des Organismus wichtig. Er lehrt bereits seit 2004 diese Kunst an seine Schüler und bildet auch Kursleiter aus. Die Umsetzung der Chinesischen Medizin im Qigong ist seine besondere Spezialität.

Im Moment arbeitet Markus Ruppert an dem Buch „Qigong und Chinesische Medizin – die innere Alchemie des Qigong“, das im Herbst erscheinen soll. In diesem Buch wird umfangreich die Anwendung der Chinesischen Medizin im Qigong erläutert. Erstmalig wird aus Sicht der Traditionell Chinesischen Medizin konkrete Handlungsempfehlungen für das Qigong gegeben. Die Chinesische Medizin und deren energetische Grundlagen werden immer wieder herangezogen, um die Wirkungen des Qigong zu erklären.
Trotz langer Tradition ist bis heute kein „energetisches Vademekum“ erschienen, das dem Qigong Therapeuten ein Wegweiser in der Behandlung von Energiestörungen ist. So wird bis heute die allgemein ausgleichende Wirkung von Qigong in den Vordergrund gestellt oder Krankheitsbilder nach westlicher Diagnose analysiert. Erst die Zusammenführung östlicher Tradition und westlicher Methodik hat diese Überlegung hervorgebracht und dieses Buch ermöglicht.

Literatur

lit 1: aus Kapitel 42 „die starke Wurzel“ des Dao De Jing.
In einer anderen Übersetzung des Dao De Jing ist zu lesen: „Das Dao erzeugt das Eine, das Eine erzeugt die Zwei, die Zwei erzeugt die Drei, die Drei erzeugt die zehntausend Dinge. Sie wenden sich ab vom Yin und umfassen das Yang, durch das hervorquellende Qi in der Mitte entsteht Harmonie“. Hier wird nochmals explizit die Entstehung von Qi aus Yin und Yang beschrieben.
lit 2: Beijing College of Traditional Chinese Medicine; Practical Chinese Medicine (Shi Yong Zhong Yi Xue); Beijing Publishing House, Beijing 1980, S. 32
lit 3: in Anlehnung an Dieter Mayer, Typgerecht Trainieren mit der Bewegungslehre nach den Fünf Elementen, 1. Auflage 2010, Books on Demand GmbH, Norderstedt, S. 48f., S.108f.
lit 4: in Anlehnung an Dieter Mayer, Typgerecht Trainieren mit der Bewegungslehre nach den Fünf Elementen, 1. Auflage 2010, Books on Demand GmbH, Norderstedt, S. 152f.
lit 5: Freie Übersetzung aus „Chinese Medical Qigong“ Tianjun Liu, 2013, Singing Dragon Verlag London