Taiji Lehren mit Parkinson

Ungewollte Langsamkeit – Wie ich als Taiji-Lehrer mit Parkinson lebe

Taiji Lehren mit einer Parkinson-DiagnoseEin Erfahrungsbericht von Oliver Klein, Taiji-Lehrer aus Alzenau. Er berichtet von seinen Erfahrungen mit Taiji und Parkinson in seinem Unterricht sowie beim eigenen Training. Oliver Klein baut zur Zeit eine Übungsgruppe für Parkinsonkranke in Alzenau auf.

Die Diagnose Parkinson

Taiji zögert Parkinson-Behinderungen hinaus

Taiji mit Parkinson unterrichten

Mit Taiji den Niedergang meiner Fähigkeiten langsamer gestalten

Parkinson als Übungspartner

Übungsgruppe für Parkinson-Kranke

Taiji-Biographie des Autors

Die Diagnose Parkinson

Ich praktiziere Taiji seit 33 Jahren und bin seit 12 Jahren Kursleiter. Ich habe Parkinson im Anfangsstadium.

Es begann alles mit der Peitsche (Figur im Taiji). Bei der sogenannten Vogelhand oder Hakenhand (Finger um den Daumen gehalten) zitterte bei mir die rechte Hand. Innerhalb eines Jahres wurde das Zittern auf der rechten Seite in Bein und Arm stärker. In dieser Anfangszeit der Erkrankung hatte ich noch die Hoffnung es würde mich wieder verlassen so wie es gekommen war.

Nach einer Fehldiagnose (essentiellen Tremor), habe ich eine Zweitmeinung eingeholt, dabei wurde Parkinson festgestellt, was dann durch eine spezielle Gehirnuntersuchung (DAT-SCAN) bestätigt wurde. Außer dem Zittern ist meine rechte Seite etwas gebremst, nicht mehr so locker wie früher. Das kann ich durch meine gute Körperwahrnehmung deutlicher spüren als jeder Arzt.

Meine Partner beim Pushhands (Partnerübung des Taiji, bei der man versucht den anderen aus dem Gleichgewicht zu bringen) spüren das natürlich auch. Im „normalen“ Leben kann ich die Symptome gut verbergen. Obwohl ich sehr offen damit umgehe.

Taiji zögert Parkinson-Behinderungen hinaus

Tai ChiTaiji wird, wie ihr sehr wahrscheinlich wisst, als das beste Mittel gesehen, um die Parkinson-Behinderungen lange hinaus zu zögern, bzw. die alte Beweglichkeit zumindest teilweise wiederherzustellen. Lesen Sie hierzu auch den Artikel „Tai Chi und Parkinson„.

Das Fatale ist, dass der Tremor dann stark ist, wenn die Hand entspannt ist, also eigentlich immer beim Taiji. Die anderen Parkinsonsymptome kann ich durch Taiji sehr gut im Zaum halten.

Taiji mit Parkinson Unterrichten

Nun mache ich nicht nur Taiji, sondern bin auch selbst Taiji-Lehrer im Nebenberuf. Ich stehe also zitternd vor meinen Schülern.

Ich unterrichte trotzdem weiter, da es mir gut tut. Es ist meine eigene Medizin.
Ich erzähle bei der Vorstellungsrunde von meinem neurologischen Problem und werde somit auch eher ein Teil der Gruppe, in der die Teilnehmer oft mit Krankheiten zu mir kommen.
Ich bin der Meinung, dass ich ein besserer Lehrer geworden bin, seit ich selbst nicht mehr so fit bin.

Wie lange das noch geht, kann ich nicht sagen. Es macht mir schon etwas Angst irgendwann meine Kurse absagen zu müssen. Bis heute denke ich, dass das die Schüler entscheiden sollen. Wenn keiner mehr kommt, bleibe ich zuhause.

Mit Taiji den Niedergang meiner Fähigkeiten langsamer gestalten

Das Üben in meinem bisherigen Taiji-Leben basierte auf der Prämisse immer besser zu werden. Immer entspannter, immer strukturierter, immer verbundener. Nun musste ich akzeptieren, dass ich mit Taiji den Niedergang meiner Fähigkeiten langsamer gestalten kann, aber dass ich wohl nie mehr so werden würde wie vor der Krankheit. Einerseits ist das der normale Gang des Lebens, wenn man älter wird, wenn es jedoch so klar auftritt wie bei mir, ist es schon sehr hart zu akzeptieren.

Mittlerweile ist Parkinson zu einem Forschungsprojekt für mich geworden. Ich probiere ständig neue Dinge an mir aus.

So ist mir aufgefallen, dass ich nicht zittere wenn die Hand etwas zu tun hat. Also habe ich beim Üben im Freien einen Tannenzapfen in die Hand genommen und damit gespielt, das Zittern verschwand und mein Taiji war ungestört. Nun hat man beim Taiji nicht unbedingt einen Tannenzapfen in der Hand, aber wenn es hilft…

Qigong-ÜbungenDie Bewegungen werden durch Parkinson immer kleiner, verkümmern etwas. Da arbeite ich mit Vorstellungskraft dagegen. Beim Ball halten den Ellbogen nach oben ziehen, nicht nach unten fallen lassen wäre so ein Übungsthema.

Parkinson betrifft nie den ganzen Körper. Wenn z.B. das Mitschwingen eines Armes nicht mehr richtig funktioniert, was sehr verbreitet ist, kann das durch ein Bewegen aus der Mitte, bei der die Hüfte den Arm mitnimmt, wieder ausgeglichen werden.

Unser gutes altes Qi Gong wurde für mich zu einem guten Heilmittel. Die Bewegung im Geist vorwegnehmen, wirklich spüren was ich tue. Noch eine Imagination draufsetzen: „Die Finger reichen bis zur Wand und darüber hinaus“ das ist ungemein hilfreich wenn der Körper gerade Pause machen will.

Sehr hilfreich auch das alte Taiji-Bild, nachdem man sich im Wasser bewegt, also die Bewegungen immer gegen einen imaginären fließenden Widerstand ausführt.

 

Parkinson als Übungspartner

Eine schon oft von mir praktizierte Übung ist das Stören eines Partners während dieser die Form läuft. Dabei wird dann auch mal geschubst oder Widerstand gegeben. Die Kunst besteht im strukturiert und entspannt bleiben, egal was da von außen passiert. Schafft man das nicht, wird man stolpern und aus der Mitte kommen.

Nun habe ich hierzu Parkinson als Übungspartner eingeladen. Während ich die Form laufe rüttelt und schüttelt der an meiner Hand herum. Ich mache mein Ding egal was da kommt.

Übungsgruppe für Parkinsonkranke

Ich bin dabei eine Übungsgruppe für Parkinsonkranke aufzubauen. Das wir dann auch zur Begegnung mit Betroffenen führen die wesentlich härter beeinträchtigt sind als ich selbst zurzeit. Ich denke aber, dass ich gut helfen kann, da ich die Symptome alle im Ansatz schon spüren kann und weiß wie man eine lange Zeit gut damit leben kann.

Da gibt es eine Substanz in mir die weniger wird und mein Leben in der gewohnten Form immer unmöglicher machen wird. Das ist erst mal ganz normal. Man nennt das Altern oder in Taiji-Sprache das Abnehmen der Lebensenergie. Nur bleibt das üblicherweise ein sehr abstraktes Konzept und da es langsam voran bzw. bergab geht, merkt man das kaum. Bei Parkinson ist das anders, da stirbt eine Region im Gehirn ab, unaufhaltsam und unwiederbringlich. Und ich weiß das, jetzt, jederzeit.

Was bleibt? Das Beste aus jedem Moment herausholen. Jetzt kann ich mich bewegen, also tue ich es!

Taiji-Biographie des Autors

Autor Oliver KleinIch praktiziere seit 33 Jahren Taiji und bin seit 12 Jahren Kursleiter. Meine wichtigsten Lehrer waren Anand Mallika, Frieder Anders, Gudrun Geibig, Thomas Kirchner, Epi van de Pol und zurzeit Daniel Grolle. Ich bin Zen Schüler bei Burkard Zill. Für mich ist Taiji eine nie endende Entdeckungsreise zu mir selbst und der Welt in der ich lebe, immer neu und nie langweilig. Ich bin immer wieder überrascht was noch alles loszulassen ist, wo man noch mehr entspannen kann, und welche Bewegungen daraus hervorgehen.

Autor: Oliver Klein

Fotos: taiji-forum.de und Oliver Klein