Das Tai Chi Push Hands Treffen in Hannover wird seit 2001 von Nils Klug in Hannover organisiert. Lesen Sie hier Berichte der ersten 2 Treffen. In unserem Mediabereich finden Sie zahlreiche Fotos und Videos von dieser Tai Chi Veranstaltung. Die DVD zum ersten Treffen können Sie sich in unserem Gratis Downloadberreich ansehen.
Internationales Push-Hands-Treffen 16. – 25. Februar 2001 in Hannover
Für ganze neun Tage hatte Nils Klug in Zusammenarbeit mit dem Taijiquan und Qigong Netzwerk Deutschland im Februar zu einem Tuishou-Treffen nach Hannover eingeladen. Und allen Unkenrufen zum Trotz wurde daraus ein großartiges Ereignis, bei dem es viel zu lernen und zu lachen gab, auch für Almut Schmitz und Helmut Oberlack vom Taijiquan & Qigong Journal.
Das Treffen in Hannover war als eine Mischung aus dreistündigen Workshops an den Vormittagen und freiem Tuishou an den Nachmittagen geplant. Dies bot eine gute Struktur, so dass man gezielt Neues lernen konnte und gleich Gelegenheit zum Ausprobieren hatte. Täglich standen drei bis vier Workshops zur Auswahl.
Zudem gab es an beiden Samstagen Galavorführungen, die dem Ganzen einen schönen Rahmen boten. Die erste wurde von Mitgliedern des Hannoveraner Netzwerks ungewöhnlich professionell und sehr humorvoll dargeboten, auf der zweiten zeigten viele der DozentInnen und TeilnehmerInnen ihr Können nicht nur im Taijiquan.
Es waren an beiden Wochenenden jeweils etwa 60, unter der Woche etwa 40 TeilnehmerInnen da, im Ganzen ungefähr 90 in einer großen Bandbreite von Tuishou-Neulingen bis hin zu langjährigen Profis. Dadurch kam es zu viel Austausch auf allen Ebenen.
Auch wenn die überwiegende Mehrheit aus verschiedenen Teilen Deutschlands angereist war, gab es auch einzelne VertreterInnen aus der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien, Österreich und der Tschechischen Republik.
Nicht anders zu erwarten, aber trotzdem schade war es, dass der Frauenanteil sehr niedrig war. Hier hatte auch das Angebot von Workshops für Frauen wenig Wirkung gezeigt, da anscheinend die Frauen, die sich vielleicht schwer tun mit Tuishou, gar nicht erst gekommen waren. Gleichwohl war der von Dagmar Strohschein und Detlef Klossow vorbereitete Workshop am ersten Sonntag unter dem inoffiziellen Arbeitstitel „Alle Frauen sind Zicken – alle Männer sind Schweine“ sehr ergiebig.
Männer und Frauen trugen zunächst untereinander sowohl die angenehmen Seiten von „gemischtgeschlechtlichem Tuishou“ als auch die problematischen zusammen. Anschließend wurden die jeweiligen Ergebnisse gegenseitig vorgestellt und besprochen. Dabei stellte sich beispielsweise heraus, dass unter den Frauen weitaus weniger Bedenken wegen etwaiger „unsittlicher“ Berührungen bestanden, als von den Männern befürchtet wurde.
Andere wichtige Punkte waren die gegenseitigen Unklarheiten darüber, wie man miteinander üben möchte, und unterschiedliche Gewichtungen beim Üben mit der Tendenz, dass Männer eher Techniken beherrschen wollen und Frauen sich mehr Raum und Zeit zum Spüren wünschen.
Auch wenn zu wenig Zeit war, um über die Ergebnisse und ihre Umsetzung in die Praxis zu diskutieren, hat der Workshop viel gelöst und die Atmosphäre für die weiteren Tage positiv geprägt.
Es wurde vereinbart, jede neue Tuishou-Begegnung mit einer Begrüßung zu beginnen und vorab kurz zu besprechen, wie beide Beteiligten üben möchten. Es wurde auch deutlich, wie wichtig und richtig es ist, dass jedeR beim gemeinsamen Üben seine Bedürfnisse äußert und dass man eine unangenehme Konstellation auch beenden kann.
Ungebetene Belehrungen gehen den meisten auf die Nerven, die Wünsche gingen mehr in Richtung „Erkunden und Ausprobieren“.
Auch der Workshop von Detlev Klossow über das Kreuzbein als Kreuzungsbereich zwischen Oben und Unten, Vertikale und Horizontale, als Verbindung zwischen Erde und Himmel war ein guter Einstiegsworkshop. In der Tradition seines Lehrers William C. C. Chen hatte er diverses Spielzeug dabei, dass in interessanten Übungen zum Einsatz kam. Martin und Freya Bödicker unterrichteten klassische Techniken und die grundlegenden Vorstellungen vom Wu- Stil-Tuishou.
Giles Busk hielt einen didaktisch gelungenen Workshop über die Wolkenhände, in dem er über das Körpergefühl insbesondere das Spüren in die Füße, das Sinken und Bewegungen im Stand bis zur Anwendung führte. Überraschend war ein Workshop von Lauren Smith, der die Teilnehmenden sich paarweise mit den Emotionen Wut, Traurigkeit und Freude konfrontieren ließ. Dabei ging es um die Wahrnehmung des eigenen Raums und des Umfelds, darum, was eine Bewegung des anderen mit dem eigenen Raum macht, wie sich dessen Qualität verändert. Auf das Tuishou bezogen ging es um den Aspekt, was schon passiert, bevor das Pushen losgeht, und die Aufmerksamkeit für sich selbst.?Stärker auf Selbstverteidigung bezogen waren die Workshops von Dan Docherty und Detlev Zimmermann und noch einige weitere interessante Themen wurden von den insgesamt 19 Unterrichtenden behandelt.
Die einzige chinesische Dozentin, Zhai Hua, beeindruckte nicht nur bei der Gala am zweiten Samstag durch ihr kraftvolles Chen-Stil-Tuishou, dessen Grundlagen sie an zwei Tagen vermittelte.
Der ganze Ablauf war hervorragend organisiert, ohne dass es dadurch zu einer zu starken Vorstrukturierung kam. Zunächst bestand ein wenig Unsicherheit, was beim freien Tuishou passieren würde, hier hätte etwas „Ansage“ gut getan. Einige waren zuerst überrascht, dass es im Tuishou recht unterschiedliche Herangehensweisen gibt und nicht alle mit den gleichen Erwartungen beginnen. Mit dem Männer/Frauen Workshop und dem allmählichen Kennenlernen lösten sich im Laufe der Tage diese Probleme jedoch immer mehr und die gegenseitige Annäherung war beachtlich. Durch den längeren Zeitraum war ein intensives Lernen und Austauschen möglich, wie es an einem Wochenende nicht vorstellbar gewesen wäre.
Die räumlichen Voraussetzungen waren recht optimal. Drei zentrale, um einen überdachten Innenhof gelegene Räume standen auch zwischen den Workshopzeiten zum Üben, Ausruhen oder gemeinsamen Teetrinken zur Verfügung. Durch die gute Unterbringung fühlten sich sogar TeilnehmerInnen, die vielleicht Bedenken gehabt hatten, zehn Tage in einer Turnhalle schlafen zu müssen, sehr wohl und die Atmosphäre wurde zunehmend familiärer. Es war toll, dass auch viele der DozentInnen beim freien Tuishou und an den Abenden anwesend waren und zur Verfügung standen. Das verstärkte die spielerische Atmosphäre.
An europäischer Taiji-Prominenz waren Epi van de Pol, Präsident der Taijiquan and Qigong Federation for Europe (TCFE), und Dan Docherty, die sich beide sehr um eine europaweite Integration innerhalb der Taiji-Szene bemühen, anwesend. Dan Docherty, der Bedenken gehabt hatte, nur auf Fremde zu treffen, freute sich über ein Wiedersehen mit diversen Menschen, die er an den verschiedensten Orten zwischen London und Yongnian kennen gelernt hatte. Er war über die ganze Zeit dort und pushte bereitwillig mit allen, die sich an diese Herausforderung herantrauten. Ihm gefiel das Treffen in Hannover so gut, dass er im nächsten Jahr wiederkommen will. In geselliger Runde nach dem Abendessen schien er sich dann so richtig in seinem Element zu fühlen. Hier kam es zu vielen interessanten Gesprächen, die sich gelegentlich zu philosophischen Höhenflügen aufschwangen. Für diesen Aspekt, der bekanntlich bei Taiji-Treffen eine wesentliche Komponente darstellt, war es besonders zuträglich, dass Mittag- und Abendessen im gleichen Gebäudekomplex gemeinschaftlich stattfanden.
Alle Teilnehmenden schienen sich darüber zu freuen, dass dieses Treffen zustande gekommen war, und waren angenehm überrascht über die durchgehend anregende und fröhliche Atmosphäre, die das konzentrierte Lernen begleitete. Sie fand auch Ausdruck auf der Abschlussparty und spiegelte sich in zahllosen herzlichen Abschiedsumarmungen. „Hannover“ machte Lust auf weitere Treffen dieser Art. Es war spannend stilübergreifend zu üben, ohne das jemand „seine Kunst“ oder „ihre Linie“ verteidigen musste.
Ein großer Dank an Nils Klug für den Mut zu dieser Initiative und die hervorragende Organisation.
2. Internationales Push-Hands-Treffen 15. bis 24. Februar 2002 in Hannover
Im Februar trafen sich wieder über hundertzwanzig Tuishou-Begeisterte aus verschiedenen europäischen Ländern in Hannover, um über zehn Tage ihre Fähigkeiten zu verbessern und sich in freundschaftlicher Atmosphäre mit anderen im freien Pushen oder auch verbal auszutauschen. Georgi Denichim, der aus Bulgarien angereist war, berichtet von seinen Erlebnissen.
Es war noch dunkel, als Thorsten mich am Morgen des 26. Februar zum Flughafen von Hannover brachte. Kurz darauf saß ich in einem Propellerjet der Chech Airlines auf dem Weg nach Bulgarien. Der Flug sollte nicht allzu lange dauern und nach zehn Tagen intensiver Push-Hands-Erlebnisse in der Schule von Nils Klug freute ich mich auf zu Hause. Für jemanden in meinem Alter – ich bin 57 –hatten sich die physischen Anstrengungen des Push-Hands-Treffens in Hannover doch als ein echtes Abenteuer entpuppt.
Die Organisation durch Nils Klug war perfekt und seinem ”Überblick” ist auch der große Erfolg zu verdanken. Jeden Tag kamen neue TeilnehmerInnen an, blieben einige Tage und wurden wieder von anderen abgelöst, die mit der gleichen Begeisterung bei der Sache waren. Insgesamt waren es mehr als 120. Ich war einer der wenigen, die alle Tage gebucht hatten.
Am siebten Tag begannen meine linke Schulter und beide Ellbogen zu schmerzen und am Tag darauf wollte ich von Tuishou nichts mehr wissen. Ich wollte nur noch nach Hause oder zumindest dorthin telefonieren und konnte gut verstehen, warum E.T. das gleiche Bedürfnis hatte, obwohl er (es?) sich ebenso wie ich in einer freundlichen, aber eben fremden Umgebung befand.
Der Jet rollte langsam auf die Startbahn und ich begann schon vor mich hin zu dösen, als er plötzlich stoppte. Die Crew begann mit angestrengten Gesichtern hektisch von einem Ende des Flugzeugs zum anderen und wieder zurück zu eilen und Szenen aus allen möglichen Thrillern und Actionfilmen schossen mir durch den Kopf. Dann hörte man die Stimme des Kapitäns, der sich sichtlich Mühe gab, beruhigend zu klingen. Man habe ein kleines Problem mit der Klimaanlage. Mit einer Kehrtwende ging es wieder zurück und die beiden Maschinen wurden gestoppt.
Ich wollte meine Taschenuhr hervorziehen – sie war weg. Ich hatte sie im Umkleideraum in Nils Schule liegen lassen. Ich musste beinahe lachen. Am Morgen zuvor hatte ich amüsiert einen Berg von Rucksäcken, Schlafsäcken, Isomatten und Kleidungsstücken betrachtet – die TeilnehmerInnen hatten sie bei ihrer Abreise am Vorabend einfach vergessen. ”Alles Verrückte”, hatte irgendjemand auf meinen erstaunten Ausruf geantwortet, ”die denken eben nur ans Pushen”. Jetzt war ich auch einer von diesen Verrückten.
Ich musste wieder an die letzte Woche denken. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Die meisten TeilnehmerInnen schliefen in den beiden Übungsräumen auf dem Boden. Der Morgen begann mit Tee und Kaffee, den die Frühaufsteher schon aufgesetzt hatten. Am Vormittag sah das Treffen drei Stunden Workshops vor, am Nachmittag die gleiche Zeit für freies Pushen. Und wem das nicht genügte, der konnte nach dem Abendessen weitermachen. Es nahmen keine Großmeister teil, aber unter den vielen TeilnehmerInnen hoben sich einige durch wirkliches Können ab, sie waren auf ihre Art Meister.
Ich versuchte an so vielen Workshops wie möglich teilzunehmen und kein einziges Mal hatte ich das Gefühl, meine Zeit vergeudet zu haben. In Erinnerung blieben mir vor allem der ”Schlangenkörper” von Daniel Grolle-Moscovici, die explosive ”Nadel im Wattebausch” von Detlef Zimmermann, Wilhelm Mertens starke und dennoch elastische Verwurzelung mit dem Boden, die entspannte Power von Lauren Smith, das Gongfu von Fernando Chedel und Eduardo Monteiro, Jan Silberstorffs tiefes Verständnis für den Energiefluss beim Tuishou und die Anwendungsbeispiele von Torben Rif. Ich nahm auch an Detlev Klossows Workshop für Push-Hands-Neulinge teil und bewunderte seine pädagogischen Fähigkeiten und seine Auffassung des Tuishou.
Alle wissen, wovon sie sprechen und wonach sie suchen. Sie besitzen hervorragende Taiji-Fähigkeiten, aber was mich am meisten beeindruckte, war das Geschenk ihrer Unterrichtsweise. In Hannover lernte ich einige der besten Taiji- Lehrer kennen, die mir bis dahin begegnet sind. Sie konzentrierten sich vor allem auf den Unterricht für AnfängerInnen bis zur unteren Mittelklasse (wenn ich diese Kategorie hier einmal so nennen darf), der man wohl die meisten TeilnehmerInnen zuordnen konnte. Während des freien Tuishou am Nachmittag konnten die Erfahrungen vom Morgen direkt erprobt werden und gerade diese Möglichkeit machte das Treffen so wertvoll.
Zwei Gala-Abende wurden organisiert, einer am ersten und einer am letzten Samstag. Als kleine Show waren sie angekündigt und hielten mehr, als sie versprachen: Daniel Grolle-Moscovici führte mit seinem Schüler Philipp Dominick sein ”Schlangenkörper”-Tuishou vor und danach die Zheng-Manqing-Form – mit verschlossenen Augen und je einem Glas Wasser in der Hand. Sein erstaunliches Bewegungsspiel konnte ich bereits beim Tuishou beobachten. Volker Jung und Angela Menzel führten danach eine Sanshou-, Volker anschließend die Liuhebafa- Form vor.
Detlef Zimmermann und sein Chinese Boxing Institute zeigten verschiedene chinesische Kampfkünste und Anwendungsbeispiele, Michael Plötz gab eine Vorstellung der ”Quick Fist”.
Gesa Tripplers ”Johann Sebastian Bach Plays Taiji” war mehr als nur eine Vorführung. Sie spielte Flöte (”Partita 7a, A-Moll für Flöte solo”) und machte Taiji, wobei die Flöte immer wieder mit den Bewegungen zu einer Waffenform verschmolz. Schöner kann man die Verbindung von Taijiquan und Musik kaum zum Ausdruck bringen. Neben weiteren Darbietungen zeigte Laura Stone William Chens Kurzform, von der viele sagen, es sei nicht gerade eine schöne Form. Wie dem auch sei, Lauras beinahe schwebenden und entspannten Bewegungen (vielleicht mit einem Hauch zu viel ”Yin”) und ihr wunderschöner chinesischer Seidenanzug verliehen ihr Schönheit. Im starken Kontrast zu Lauras Yang-Stil-Interpretation stand der alte Yang-Stil aus Yongnian, den Cordyline Bartz vorführte, mit explosiven Sprüngen und Fajing-Sequenzen. Seine Vorführung widerlegte die Behauptung, der Yang-Stil würde sich nicht zum Kämpfen eignen und bewies die Ehrwürdigkeit dieser Tradition. Karel Koskuba zeigte wie immer routiniert den alten und den neuen Rahmen des Chen-Stils. Claudia Patzig und Dieter Kiesewetter liefen parallel die nördliche und die südliche Wu-Stil-Form.
Dann kam Lauren Smith. Entspannt, doch mit der Wachsamkeit einer Katze zog er mit nonchalanten und swingenden Schritten nach einem Song von Finley Quaye seine Bagua-Kreise im Raum. Mir gefiel dieses ”amerikanische” Bagua sehr und dem tobenden Applaus zufolge war ich nicht der einzige. Voller Humor war der erste Teil der ”International Qigong Exercises” von Olaf Gallus, voller Energie der zweite. Torben Rif zeigte zusammen mit seinem Schüler Michael Anderson spektakuläre Anwendungen und Würfe und führte noch eine kurze und kraftvolle Speerform vor. Am Ende beeindruckte Jan Silberstorff mit einer Vorführung von Chen-Stil Laojia und Xinjia, Magie und Schwert.
Der Flugzeugtechniker verließ den Jet mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der seinen Job zur eigenen Zufriedenheit erfüllt hat. Die Klimaanlage war repariert und die Maschine rollte wieder zum Startplatz. Nach eine Stunde Verzögerung hoben wir ab und ich erreichte in Prag sogar noch meinen Anschlussflug nach Sofia.
Auf dem Treffen gab es auch eine außergewöhnliche Vorführung von einer Gruppe aus Tallin in Estland. Die sechs zeigten eine neuartige innere Kampfkunst und nannten sie Taiji. Allerdings gibt es darin keine Form im bekannten Sinne und die Übungsmethoden unterscheiden sich von den im Taijiquan sonst üblichen. Das Haupttraining besteht aus Partnerübungen ähnlich denen des Tuishou, sie üben aber auch mit Schwertern, Stöcken und anderen Geräten und vor allem mit einem metallenen Ring. Ihre Kampfkunst beruht auf verschiedenen inneren Künsten und stammt vornehmlich von Gao Zhuanfei, einem Schüler von Wang Peisheng. Pawel Frolow und Oleg Michailow leben beide in Tallin, haben diese Methoden miteinander verbunden und eine eigene Schule eröffnet. Mit ihrer Methode wollen sie vor allem das Reaktionsvermögen und die Umsetzung der Kraft verfeinern. Ich will mir noch kein endgültiges Urteil über die Kunst dieser sympathischen Esten erlauben. Manchmal schienen sie mir allzu gesprächig, verglichen und bewerteten Energien und Traditionen – ihrer Meinung nach steht die Energie der Sufis an höchster Stelle. Als ich ihnen so zuhörte, kamen sie mir vor wie Kinder, die sich ganz sicher sind, welches Auto das schnellste ist – nämlich das von Papa. Aber wer mit ihnen trainierte, zeigte sich von ihrer Arbeit angetan.
Als ich über Osteuropa flog und an die Esten dachte, schweiften meine Gedanken ab. Die Tatsache, dass Menschen aus Estland oder wie ich aus Bulgarien an diesem Treffen teilgenommen hatten, stimmt mich zuversichtlich, dass die europäische Taiji- Gemeinde die Teilung Europas überwinden kann. Denn sie existiert immer noch, nicht mehr politisch, aber wirtschaftlich. Die Taijiquan and Qigong Federation for Europe (TCFE) ging einen ersten Schritt in diese Richtung, indem sie die schwierige wirtschaftliche Situation von ”Taijisten” aus Osteuropa berücksichtigte und diesen bei den europäischen Veranstaltungen – dem Europäischen Forum für Taijiquan und Qigong und den Europäischen Meisterschaften – Sonderkonditionen gewährt. So konnten wir ”Grenzen überschreiten” und heute sind viele osteuropäische Verbände Mitglied in der TCFE, die damit wirklich zu einer europäischen Organisation wurde. Dies wäre kaum möglich gewesen ohne die Vision der Verantwortlichen in der TCFE von diesem Ziel. Ein Austausch zwischen den Schulen in Ost und West ist so keine Seltenheit mehr. Einige meiner SchülerInnen aus Sofia nahmen an den Europäischen Foren in Ungarn und in Tschechien teil. Zwei Mal hatten wir in den
letzten beiden Jahren die Gelegenheit, Cornelia Grubers Schule in der Schweiz zu besuchen und knüpften enge Bande. Viele neue FreundInnen im Westen kamen hinzu und das Gefühl des Isoliertseins gehört der Vergangenheit an. Und ich freue mich, dass das fünfte Europäische Forum für Taijiquan und Qigong vom 6. bis 13. Juli 2003 in Bulgarien stattfinden wird.
Die Stewardess fragte, was wir trinken wollten – natürlich Bier! In Gedanken war ich wieder in Hannover und saß mit Cornelia, Helmut, Tjeerd, Renate, Britta, Cordyline und anderen alten und neuen Freunden im ”Horn”, einer Kneipe keine 200 Meter von Nils Schule entfernt. Ich bestellte Weißbier und wir unterhielten uns bis spät in die Nacht. Die Bedienung sprach perfekt Englisch und setzte sich zu uns, einen kleinen Scherz auf den Lippen. Ich fühlte mich wie zu Hause.
Der Jet flog in einem weiten Bogen über Bulgarien hinweg. Die Sonne schien und ich konnte die schönen Bergkämme im Südwesten erkennen. Dort wird, inmitten von Kiefernwäldern in 1300 Metern Höhe, das ”bulgarische” Euro-Forum stattfinden. Fernab der Städte und mit allen Annehmlichkeiten, die die älteste Bergtourismusregion des Landes zu bieten hat. Ich hoffe dort alle meine FreundInnen wieder zu sehen und neue kennen zu lernen. Bis bald in Borowetz.
Fotos: Liebermann
Video zum 12. Push Hands Treffen
Dieser Film zeigt Eindrücke von den Workshops und dem freien Push Hands während des 12. Push Hands Treffens.