Die folgenden Qigong-Lungen-Übungen sind ein Teil der Organübungen, die ich nach meinem Verständnis der TCM aufgebaut habe. Sie können uns helfen, besser zur Einkehr zu kommen, unsere Atmung bewusster für das Leben einzusetzen und die Kapazität der Lunge wahrnehmbar zu erweitern, so dass die Lunge funktionsfähig bleibt und der Infektionsgefahr widerstehen kann.
Vorbereitung Qigong Lungen-Übungen
Ausrichtung auf das Metall-Element
Richtung Westen stehen oder sitzen, die weiß-goldene Energiefarbe wie beim Sonnenuntergang vorstellen, die Kraft des Tigers – als Tierzeichen der Richtung Westen – bewusst wahrnehmen.
Innere Bereitschaft herstellen
- Sich erst ganz entspannen, den inneren Blick auf den Bauch fokussieren, kurz im Mittelpunkt ruhen.
- Das ganze Gewicht in die Erde sinken lassen und sich dann vom Boden aus durch den Scheitelpunkt nach oben strecken.
- In die Ferne nach vorne schauen und sich mit der Energie der Richtung Westen verbinden.
Mit der Energie des Westens die Nase reinigen
- Die Aufmerksamkeit vor die Nase legen, die eigene Atmung beobachten und die Atmung so regulieren, dass sie langsam, ruhig und gleichmäßig wird. Dann dem Vorgang vom Ein- und Ausatmen folgen, die jeweilige Luftqualität unterscheiden:
Beim Einatmen strömt kalte frische Energie rein,
beim Ausatmen warme, verbrauchte Energie raus. - Abwechselnd durch ein Nasenloch ein- und ausatmen:
durch das linke helle frische Energie von Richtung Westen einatmen, durch das rechte dunkle verbrauchte Energie des Körpers ausatmen. - Dann die Richtungen umkehren und abwechselnd wiederholen.
Energie durch beide Nasenlöcher bis in die Gehirnmitte leiten, dabei beim Einatmen an die Gehirnmitte denken, beim Ausatmen an die Nase denken.
Das Lungen-Qi nach unten bringen und die Abwehrkraft bis in die Haut verteilen
- Die Nasenspitze zum Nabel ausrichten, beide Nasenlöcher mit den Brustwarzen verbinden.
Beim Einatmen an die Brustwarzen denken und frische Energie bis in die Lungenspitzen strömen lassen, beim Ausatmen an die Nase denken und verbrauchte Energie rausströmen lassen. - Die Hände übereinander auf den Tanzhong-Punkt (KG 17 – Mitte des Brustkorbs) legen. Beim Einatmen Energie von der Nase durch die Brustwarzen bis in den Tanzhong sammeln, den Brustkorb dabei ausdehnen, beim Ausatmen verbrauchte Energie rausströmen lassen, den Brustkorb allmählich senken.
- Eine Hand auf das untere Dantian legen und mit der anderen Hand beim Tanzhong bleiben. Beim Einatmen Energie von der Nase durch die Brustwarzen und Tanzhong bis in den Bauch strömen lassen, beim Ausatmen verbrauchte Energie ausströmen lassen, den gesamten Körper allmählich sinken lassen.
- Die Hände übereinander auf das untere Dantian legen. Beim Einatmen an die Haut denken, das Dantian mit Energie füllen, wie einen Ballon (Kreis) ausdehnen lassen und die Energie vom Dantian aus in den gesamten Körper verteilen. Beim Ausatmen an das Dantian denken, den Körper-Ballon zum Dantian zurückziehen und den Kreis zum Punkt verdichten.
Die Kapazität der Lungen erweitern und ihre Funktion vervollständigen
Wie Sesam die Tür öffnen
Mit den Händen das Mudra der Lungen bilden: Die Ringfinger durchstrecken, die Daumen auf das Nagelbett der drei anderen Finger legen. Die Spitzen der Ringfinger berühren sich vor dem Tanzhong, dabei zeigen die Innenseiten der Hände nach oben.
Mit dem Einatmen die Fingerkuppen trennen und vom Tanzhong bis zu den Brustwarzen seitlich nach außen bewegen, dabei bewusst die Ellenbogen seitlich leicht hochziehen, so dass sich die Lungen vollständig öffnen und dadurch mehr Sauerstoff aufnehmen. Mit dem Ausatmen die Ringfinger wieder zum Tanzhong zurückziehen, dabei entspannen.
Wie ein Schmetterling die Flügel schlagen
Die Ringfinger wandern vom Tanzhong über die Brustwarzen hinauf zum Schlüsselbein, dann auf den Yunmen-Punkt (Lu 2, am Beginn des Lungen-Meridians) legen, die anderen Finger locker auf den Schultern halten.
Beim Einatmen die Ellenbogen seitlich anheben, bis die Oberarme auf Schulterhöhe wie auf einer Linie liegen. Dabei werden die gesamten Lungen in Bewegung gebracht. Dadurch können sich die Lungenbläschen richtig entfalten und so Fremdkörper austreiben. Beim Ausatmen die Ellenbogen wieder hängen lassen, dabei entspannen.
Wie eine Muschelschale öffnen und schließen
Mit dem Einatmen die Arme seitlich locker hängen lassen, die Daumen nach außen drehen, die Schultern nach hinten spannen, den Brustkorb dadurch öffnen und den Kopf nach hinten hängen lassen, so den Körper wie die Schalen einer Muschel öffnen bis in die Verbindung der Rippen zur Wirbelsäule. Mit dem Ausatmen die Daumen nach innen drehen, die Schultern nach vorne spannen, den Brustkorb allmählich verengen und den Kopf nach vorne hängen lassen. So den Körper wie die beiden Schalen einer Muschel zusammendrücken und verbrauchte Energie nach außen pressen.
Durch die drei Tore mit dem kosmischen Licht verbinden
Ausgangsposition: Den Blick nach vorne auf einen Punkt am Horizont fokussieren, die Augen allmählich schließen und so das Ur-Licht des Kosmos wie einen Funken zwischen dem oberen und unteren Augenlid halten.
Das Tor zum Himmel öffnen
- Mit einer tiefen Einatmung den Funken erst zur Stirn und dann mit dem zweiten Atemzug in die Gehirnmitte saugen.
- Das kosmische Licht auf das obere Dantian setzen und alle Gehirnzonen durchleuchten.
- Das Licht auf den Baihui-Punkt am Scheitel (KG 20 – Hundertfaches Zusammentreffen) leuchten lassen und das Tor zum Himmel öffnen und so mit dem Licht von oben verbinden.
Das Tor des Menschen öffnen
- Das Licht auf das mittlere Dantian um das Herz herum fokussieren und die Organe und Knochen im Brustbereich anstrahlen.
- Das Licht durch die Arme bis in die Handmitten leiten und so die Laogong-Punkte (KS 8 – Palast der mühevollen Arbeit) als Tore des Menschen öffnen.
Das Tor zur Erde öffnen
- Das Licht auf das untere Dantian fokussieren und die Organe im Bauchbereich und das Becken anstrahlen.
- Das Licht in zwei Teile teilen und die Beine entlang bis zu den Füßen nach unten leiten und die Yongquan-Punkte (N 1 – Sprudelnde Quelle) als Tore zur Erde öffnen.
- Zum Schluss die Aufmerksamkeit auf die fünf Punkte der drei Tore legen und sich so vorstellen, wie das Licht Innen und Außen verbindet. Im Zustand des leuchtenden Körpers verweilen.
- Den Körper mit der kosmischen Energie reinigen
Energie von allen Richtungen aufnehmen
- Die Handflächen einander gegenüber vor dem Bauch halten, dabei die Finger zum Boden hin strecken und so die Energie der Erde wie einen Qi-Ball zwischen den Händen halten. Dann die Hände bis auf Augenhöhe anheben.
- Dabei mit den kleinen Fingern die Energie der Erde hochziehen, mit den drei mittleren Fingern das Qi zwischen Himmel und Erde empfangen und mit den Daumen mit der himmlischen Energie verbinden.
Das Gehirn mit Energie füllen
- Die Handflächen zum Gesicht wenden und die Stirn annähen, so Energie durch den Yintang-Punkt (an der Stelle vor dem sogenannten 3. Auge) zur Gehirnmitte nach innen senden.
- Die Handflächen nach unten drehen, Energie gleichmäßig in allen Bereichen im Gehirn verteilen und so die Gehirnfunktionen stärken.
Den Körper mit frischer Energie reinigen
- Während die Handflächen nach unten drehen, die Ellenbogen seitlich leicht anheben und die Schultern leicht nach hinten spannen. Dadurch den Brustkorb und den inneren Raum des Rumpfbereichs öffnen.
- Die Handrücken mit der feinen hellen Energie von oben verbinden und beim Senken der Hände zum Bauch die dunkle, verbrauchte Energie des Körpers nach unten treiben und weiter durch die Füße in die Erde ausleiten.
- Den Vorgang drei- bis neunmal wiederholen, bis die Energiefarbe oberhalb und unterhalb der Hände gleich hell wird.
Punkte zur Selbstmassage
Lunge 1 Zhongfu (Zentrale Residenz) und Lunge 2 Yunmen (Wolkentür) unter dem Schlüsselbein dienen dazu, das Lungen-Qi zu regulieren und zum Absteigen aufzufordern und Enge- oder Völle-Gefühle in der Brust zu beseitigen. Mit der Faust etwa 200-mal klopfen.
Lunge 5 Chize (Ellenbogen-Sumpf) in der Armbeuge hilft beim Beseitigen von Schleim und Lungen-Hitze und stärkt das Wasserelement gegen Fieber. Mit der hohlen Hand etwa 200-mal klopfen.
Lunge 9 Taiyuan (Großer Abgrund) an der Handgelenksfalte auf der Daumenseite ist der Quellpunkt des Lungen-Qi. Über ihn stärken wir die Qi-Zirkulation und den Blutkreislauf und lösen Schleim. Mit dem jeweils anderen Daumen ungefähr zwei Minuten lang massieren.
Lunge 10 Yuji (Fischgrenze) am Handballen dient zum Beseitigen von Schleim und Lungen-Hitze und hilft bei Atemnot. Mit dem jeweils anderen Daumen ungefähr zwei Minuten lang massieren.
Zum Abschluss entlang des Lungenmeridians streichen – den Arm von der Schulter aus über die Arminnenseite nach unten ausstreichen.
Das zurückhaltende Leben, das wir dem Corona-Virus zu verdanken haben, gibt uns die Gelegenheit, über die aktuelle Situation und unsere Lebenshaltung nachzudenken. Ist es eine Botschaft des Himmels, uns von allen Aktivitäten nach außen zurückzuhalten? Sind wir nun in einer verrückten Lage der ungewohnten Stille oder waren wir vorher verrückt, ruhelos und endlos nach Wohlstand und Karriere jagend?
Eine berühmte Aussage von Konfuzius hat mir geholfen, Einkehr zu halten:
„Das Tao der großen Lehre liegt in der Erhellung des lichten Charismas, in der Nähe zu den Leuten von Stand und es hat ein Ende zu finden im höchsten Guten.
(Kapitel 1 aus Daxie – das Große Lernen, übersetzt und kommentiert von Wolfgang Kubin)
Wer dieses Ende findet, gewinnt dann einen festen Stand auf der Erde.
Wer diesen festen Stand hat, vermag anschließend ruhig zu werden.
Wer ruhig ist, hat danach seinen Frieden.
Wer Frieden hat, vermag schließlich zu sinnen.
Wer sinnt, erreicht zu guter Letzt alles.“
Autorin: Huang Tsui-Chuan
Fotos: Huang Tsui-Chuan
Graphik: Gabi Kannenberg