Die kleine Kunst negative Gedanken und Gefühle in positive zu verwandeln
Werden wir eigentlich von unseren Gedanken beherrscht? – Oder sind es doch die Gefühle, die unsere Gedanken nicht in Ruhe lassen? Welche Macht haben wir über unsere Gedanken, wenn sie uns – wie etwa bei einem Zwang – erfassen können und nicht mehr loslassen?
Viele Fragen am Anfang, die uns im Alltag immer wieder berühren wie jene ungewollten Gedanken aus dem „Nirgendwo“, die uns, ohne dass wir es wollen, verstimmen, in schlechte Laune bringen, wütend, traurig oder ängstlich stimmen.
Die Programme sind längst bekannt. Wir stecken physiologisch noch in der Steinzeit und reagieren körperlich auf eine unangenehme Situation auch genauso: Stresshormone wie Cortisol, Adrenalin und bei längerem Stress auch Schilddrüsenhormone werden ausgeschüttet und bringen unseren Organismus in einen Alarmzustand, der unserem Geist nicht viel Raum lässt. Wir flüchten oder kämpfen oder sind schlicht paralysiert – viel mehr bleibt uns nicht.
Der Geist durchdringt das Universum – der Körper lebt in der Steinzeit
Nun finden wir im Alltäglichen (zumindest auf den ersten Blick) selten jene Ursachen, die uns in der Steinzeit zum Kämpfen oder Flüchten veranlassten. Selten begegnen uns wilde Tiere, selten fällt ein Unheil über uns her, das uns in diese Alarmbereitschaft bringen müsste. – Trotzdem will das archaische System bedient werden und so reichen uns schon negative Gedanken, um die rote Abwehrleuchte in unseren Köpfen zu starten.
Was in anderen psychologischen Zusammenhängen als negative Glaubenssätze oder Gedankenmuster bezeichnet wird, beherrscht unser erwachsenes Leben so, als seien wir immer noch hilflos und ohnmächtig der Unbill der Natur oder dem Willen anderer ausgeliefert.
Negative Gedanken schaffen denselben Stress wie eine bedrohliche Realität
Solch negative Gedanken – mit samt der stereotyp aktivierten archaisch physiologischen Zustände – beherrschen uns oft und signalisieren auf der Körperebene eine (alternativlose) Notsituation, die sich mit Angst verbindet.
Ein erster Zugang ist dann die Identifizierung dieser negativen Gedankenteile. Sind es Gedanken, die einer Situation bloß von Innen zugeschrieben werden oder sind es solche, die sich aus einer wirklich gefährlichen Situation ergeben?
Oft hilft es, sich in aller Ruhe auf den Gedanken zu konzentrieren und ihn zu formulieren. Wenn Sie Gelegenheit dazu haben, dann ist die Situation im Allgemeinen nicht so bedrohlich, wie Ihnen das Gefühl vermittelt. Der bestimmte Gedanke betrifft manchmal andere, häufig aber auch das eigene Selbst: „Ich kann das sowieso nicht…“ , „Ich hab sowas noch nie gekonnt…“, „Es ist immer wieder dasselbe, kurz davor geht alles schief…“, „ich bin sowieso nichts wert…“.
Sicher kennen Sie solche Gedanken und die Kette von Gefühlen und immer gleichen daraus resultierenden eingeschränkten Handlungen. Schlechte Laune ist noch die geringste Folge, womöglich resultieren auch Symptome, wie Kopfschmerzen oder Erschöpfungszustände, die Sie in den Ruhezustand zwingen.
Den Gedanken erfassen, indem man ihn beobachtet und nicht vor ihm wegläuft
Haben Sie den Gedanken erst einmal identifiziert, der dies in Ihnen auslöste und haben Sie sich klarmachen können, dass Sie diesen machtvollen Satz in sich durch einen anderen ersetzen können, so halten Sie einen Schlüssel in der Hand, sich zu befreien.
Diese negativen Gedanken sind in uns, da sie in der Regel einmal eine wichtige Rolle in unserem Leben spielten und zwar als wichtige Gebrauchsanweisungen (wären sie unwichtig gewesen, würden sie sich nicht so hartnäckig halten). Unglücklicherweise sind es zum größten Teil (anachronistische) Anweisungen darüber, wie wir uns zu krümmen und zu verbiegen haben, um uns auf einer schiefen Ebene relativ gerade zu halten oder davon nicht abzustürzen.
Schauen Sie genau hin. Symptome und der Gedanken sprechen eine Sprache
Sie können jetzt also vorsichtig dem negativen Gedanken einen anderen, eher positiv gehaltenen entgegensetzen.
Sie meditieren im Zu- und Abfluss des Atems darüber, ob „ich das vielleicht doch kann und schon einmal gekonnt habe“ und konfrontieren sich so mit dem unerhörten Gedanken: „Ich bin womöglich doch liebenswert, ich bin doch fähig, ich bin nicht der Letzte oder das Letzte.“
Sie müssen das etwas vorsichtig und dafür umso beharrlicher tun.
Der erste Schritt ist immer, die Symptome, Verspannungen, Ängste, welche den negativen Gedanken folgen, als gegenwärtig und richtig anzunehmen. Wir müssen also, um es mit modernen Worten zu sagen, eine Art Willkommenskultur für Symptome entwickeln, da sie eine Art Ausdruck für einen wahrzunehmenden Zustand bilden. – Ein freundliches Signal, dem eine noch verschleierte Lösung womöglich innewohnt.
Die Achtsamkeit beginnt eben damit, die eigenen Symptome, Gefühle und Haltungen (eben auch die so genannten negativen in unserem Wertsystem) nicht zu verwerten, sondern sie in der Meditation herankommen zu lassen und bloß ohne Wertung anzuschauen.
Beginnen Sie sich zu lieben und zu schätzen trotz oder sogar wegen Ihrer Symptome
Im nächsten Schritt gewöhnen wir uns ein wenig daran, dass wir vielleicht doch ganz ok sind, dass wir nicht die schlechten und unfähigen Menschen sind, wie die negativen Sätze unserer Gedanken uns glauben machen und halten ihnen, wie in einer guten Demokratie, eine wachsende Zahl von wertschätzenden Sätzen entgegen.
„Ich bin so richtig wie ich bin…“ statt „Ich muss erst noch was tun, damit man mich liebt / ich mich lieben darf.“
„Ich soll es mir recht machen und darf mich dabei liebevoll betrachten“ – statt „ich muss es allen anderen recht machen, weil ich es selbst nicht wert bin etwas für mich zu tun.“
Sie werden bemerken, dass der neue positive Gedanke zweierlei nach sich zieht. Zum einen wird es Ihnen bessergehen, denn ein achtsamer liebvoller Gedanke löst auch ein entspanntes, wohliges Gefühl in Ihnen aus. Zum anderen jedoch wird dieser Zustand in Ihnen einen Zweifel hervorrufen. Es ist in etwa so, als wenn Sie sich auf einer schiefen Ebene aufrichten. Sie werden nun das Gefühl haben, irgendwie schief zu stehen. Schief ist jedoch die Ebene, auf der Sie stehen und nicht Sie selbst – es wird sich aber wie letzteres anfühlen.
Die Ebene, auf der Sie stehen, war vor Ihnen da und Sie haben sie nicht so gebaut, obwohl Ihnen das so vorkommen mag. Also glauben sie dem Zweifel in diesem Falle nicht und halten Sie es gegen alle Widerstände aus, weiterhin freundlich und achtsam mit sich zu sein.
Machen Sie es immer auch sich selbst recht und genießen es
Nach und nach werden dann mit einiger Übung die alten Muster überstimmt und durch neue, wertschätzende ersetzt.
Nach einiger Zeit werden Sie das Gefühl haben, jetzt gerade zu stehen. (Keine Sorge, Sie richten sich nur auf). Die schiefe Ebene hat sich nun – wie in einer Kopernikanischen Wende – nach Ihnen ausgerichtet und hält nun wie ein stabiler Boden unter Ihnen Stand.
Der Schiefstand bleibt noch als eine vergangene Erinnerung, als ein Teil Ihrer Geschichte in Ihnen, die Sie zwar noch als einst notwendig wertschätzen können, sich aber daran nun nicht mehr auszurichten müssen.
Wenn Sie sich jetzt wieder schief fühlen sollten (der Psychotherapeut Carl R. Rogers nennt diesen Zustand Inkongruenz), dann wissen Sie: ich brauche mal wieder ein wenig liebevolle Achtsamkeit, um mir gerecht zu werden.
Ein kleiner Nebeneffekt wird sich ganz beiläufig einstellen, vor dem Sie sich unbedingt in Acht nehmen sollten: die beschriebene Meditation wird nach einiger Übung Ihr Selbst – und Selbstwertgefühl beträchtlich erweitern.
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie… ausnahmsweise einmal sich selbst.
Autor: Rüdiger Mackenthun, Heilpraktiker und psychologischer Berater
Fotos: Taiji Forum und Loni Liebermann