Beim Praktizieren von Qi Gong und Tai Chi geht es in erster Linie darum, sich wieder in Balance zwischen Yin und Yang zu bringen, den beiden gegensätzlichen Energien, die gemeinsam das Dao (Einheit) bilden.
Sobald wir aus der inneren Balance geraten und uns nicht mehr im Einklang mit uns selber befinden, machen sich meist auch Beschwerden auf körperlicher oder emotionaler Ebene bemerkbar. Für die traditionelle chinesische Medizin gibt es die «Krankheit » als solche wie bei uns im Westen nicht. Alles basiert auf dem Ungleichgewicht zwischen Yin und Yang, was immer auch eine Blockade im Energiefluss bedeutet. Da alles in unserem Körper miteinander verbunden ist, hat eine solche Blockade zudem Auswirkungen auf alle anderen Bereiche, wenn auch nicht sofort spürbar.
Wir funktionieren genauso wie das ökologische Gleichgewicht in der Natur, wo wir ebenso an ganz anderer Stelle des Globus die Auswirkungen zum Beispiel des Abholzens der Wälder in Brasilien spüren können, das aber zunächst nicht miteinander in Verbindung bringen. Da wir aber ebenso ein Teil eben dieser Natur um uns herum sind, wurde in den philosophischen und medizinischen Systemen von China und Korea immer grossen Wert darauf gelegt, dass wir uns immer wieder mit unserer Umgebung verbinden. Deshalb praktizierte man Qi Gong und Tai Chi auch vorwiegend im Freien bei jeder Wetterlage.
Nur wenn wir uns regelmässig wieder mit unserem Ursprung, der Erde, den Pflanzen, dem Wasser verbinden, können wieder im Einklang sein, geerdet und im « Fluss ». Wenn wir draussen praktizieren, findet ein steter Austausch von unseren Energien mit denen in unserem Umfeld statt. Der Energie-Austausch gibt uns ein neues « Reset ». Wir fühlen uns wieder wohl in unserer Haut. Wer hat nicht schon erlebt, wie erholt man sich nach einem ausgiebigen Waldspaziergang oder einem Tag am Meer fühlt.
Deshalb sind ideale Übungsplätze immer da wo wir Gewässer oder Bäume haben, dort können wir unser « Qi » aufladen und wieder in Fluss bringen. Nicht umsonst ist im heutigen Japan das « Shinrin Yoku » das « Waldbaden » ein wichtiger Bestandteil des Stressmanagements für geplagte Grosstädter geworden. Das Praktizieren direkt am Meer, etwa vor dem tobenden Atlantik, ist besonders schön, da sich durch die Wellenbewegung unser eigenes Energiefeld damit verbindet und spielend wieder ins Fliessen gelangt. Nur wenn wir selber im Fluss bleiben, bleiben wir im inneren und äusseren Gleichgewicht und sind den alltäglichen Herausforderungen gewachsen.
Daher möchte ich an dieser Stelle mit einem Zitat einer der größten Philosophen aus dem Reich der Mitte schliessen . Von Laotse, der als Begründer des Daoismus gilt:
„Der Mensch folgt der Erde, die Erde folgt dem Himmel, der Himmel folgt dem Dao, aus dem Dao geht alle Natur hervor.“
“人法地,地法天,天法道,道法自然” (Laozi, De Dao Jing)
Autorin: Gabriele Guhr
Fotos: Gabriele Guhr