Qigong lernen- was gibt es zu bedenken?
Helmut Oberlack, Herausgeber des Taijiquan & Qigong Journals (TQJ) gibt Tipps für Qigong-Anfänger und Hilfen zur Wahl des richtigen Qigong-Kurses sowie die Wahl des Lehrers und worauf sonst zu achten ist, wenn man/frau Qigong lernen möchte.
Qigong lernen – eine Sache für sich
Qigong lernen – Alleine oder in Gruppen
Qigong lernen – eine Sache für sich
Die meisten Menschen beginnen heutzutage mit Qigong, weil sie sich eine gesundheitliche Verbesserung erhoffen. Sie haben gehört oder gelesen, dass Qigong gut ist bei Stress, Verspannungen, Aufmerksamkeitsdefiziten, Unruhe und allerlei anderen »Unpässlichkeiten«, die das Leben stören. Relativ wenige fangen damit an, weil sie mit hartem Qigong ihren Körper schulen wollen oder auf der Suche nach spirituellen Erfahrungen sind. Qigong lernen ist einfach und schwierig zugleich. Einfach, weil die meisten Qigong- Arten keine komplizierten körperlichen Bewegungen beinhalten – Ausnahmen bestätigen auch in China die Regel. Schwierig ist es, weil es nicht nur auf die körperliche Bewegung ankommt, sondern auf das Zusammenspiel von Bewegung, Geist und Atmung.
Spätestens beim Sportunterricht in der Schule und später im Sportverein oder Fitnessstudio lernen wir – mehr oder weniger gut – unseren Körper zielgerichtet zu bewegen. Doch die Verbindung zur Atmung und zum Geist bleibt dabei meistens unberücksichtigt. Es mag anders sein, wenn schon gewisse Vorerfahrungen vorhanden sind, zum Beispiel durch das Praktizieren von Taijiquan, Kampfsport oder anderen Bewegungskünsten. Ohne solche Vorerfahrungen werden mir die Bewegungen des Qigong recht ungewohnt vorkommen. Das langsame Tempo bereitet manchmal ungeahnte Schwierigkeiten. Mein Körper soll dabei entspannt sein – auch in der Bewegung –, zudem muss ich darauf gefasst sein, dass ich immer mal wieder in einer Position wohlbalanciert verweilen soll. Oder ich darf mich beim ruhebetonten Qigong gar nicht bewegen, aber das immer locker. Selbst wenn es mal in eine Dehnung geht, meine Arme und Beine sich verwringen dürfen, soll ich möglichst entspannt bleiben. Damit habe ich erst mal gut zu tun. Hinzu kommt »die Aktivität meines Geistes«. Mal soll ich den Fluss des Qi durch irgendwelche Meridiane begleiten, dann mir vorstellen, wie ein »großer Qi-Ball« vor dem Körper getragen wird. Das Erd- und Himmels-Qi soll ich mischen, durch ein drittes Auge aufnehmen und anschließend zu einem Dantian führen. Nicht zu vergessen, dass ich verbrauchtes Qi auswerfen muss, damit frisches Qi Platz hat. Das las- se ich nun in »himmlischen Kreisläufen« den Rücken hoch und den Bauch hinunter kreisen. Dazu kommt noch dies und das, je nachdem. Und nicht vergessen: Ich soll dabei meinen Geist beruhigen …
Eines wird mir schnell klar: Geduld ist notwendig. Mal schnell was lernen wird nicht funktionieren. Diese Erfahrung ist unausweichlich. Zehn Wochen Qigong und dann behaupten: »Qigong habe ich auch schon gemacht, abgehakt«, ist glatt geschummelt. Wenn ich so etwas ernsthaft sagen will, sollte ich wenigstens einige Jahre regelmäßige Praxis hinter mir haben, vorher gibt es maximal einen kleinen Eindruck.
Einstieg in die Qigong-Praxis
Wer nun – aus welchem Grund auch immer – trotzdem mit Qigong anfangen will, hat die Qual der Wahl, denn es gibt Hunderte und mehr Qigong-Übungen. Glücklicherweise ist diese Wahl-Qual eher theoretischer Natur, denn erstens ist diese Vielzahl den Interessierten kaum bewusst, und zweitens ist eine so große Auswahl am Wohnort kaum vorhanden. Höchstens in größeren Städten mit vielen Qigong-LehrerInnen kann man beim sorgfältigen Studieren aller Inserate, Handzettel und Internetseiten auf ein Angebot von mehr als zwei Dutzend verschiedener Qigong-Arten kommen. Häufig wird nur »Qigong« angeboten und die Beschreibungen klingen mehr oder minder alle gleich: Qigong ist gesund, entstresst und tut gut bei körperlichen und geistig-seelischen Unpässlichkeiten und Problemen. Das ist auch alles richtig, weil eine solche allgemeine Beschreibung auf alle Qigong-Arten zutrifft. Hin und wieder werden noch speziellere Wirkungsweisen beschrieben, aber die sind in den meisten Fällen für EinsteigerInnen nicht relevant. Für die meisten ist es ziemlich gleichgültig, was für ein Qigong das ist, mit dem sie beginnen. Die entscheidenden Kriterien sind Ort, Zeit und Preis. Wenn die Qigong-Stunden in den wöchentlichen Zeitplan passen, der Unterrichtsort nicht zu weit weg, die Kursgebühr akzeptabel und – ganz wichtig – der/die LehrerIn sympathisch ist, steht dem Beginn nichts mehr im Wege.
Komme ich so in den Unterricht, lerne ich Qigong kennen. Die ein bis zwei verschiedenen Qigong-Arten, die mir dort gezeigt werden, sind für mich Qigong – mit oder ohne Bewegung, mit oder ohne Aufmerksamkeit auf den Atem, mit oder ohne bewusste Führung durch den Geist, ganz egal. Es gefällt mir und ist erst mal mein Qigong. Oder es gefällt mir nicht und ich lasse es sein.
Doch früher oder später hört diese »Jungfräulichkeit« auf. Je mehr ich von Qigong höre, lese und vor allem erfahre, desto größer wird in mir der Wunsch mehr über Qigong zu wissen. Ich lerne neue Qigong- Arten, entdecke die Unterschiede und beschäftige mich mehr mit den Hintergründen, der Theorie. Ich beginne die riesige Vielfalt des Qigong zu erahnen und langsam zu entdecken.
Habe ich nun mehrere Qigong-Arten kennen gelernt, wird es schwierig. Schließlich soll ich ja alle regelmäßig üben, wobei ich aufpassen muss, dass ich die verschiedenen Qigong-Arten und deren spezielle Anforderungen nicht durcheinanderbringe. Entweder entscheide ich mich nun, meine Arbeit, meine Familie, Freunde und Hobbys aufzugeben und nur noch Qigong zu üben, oder ich übe alles nur ein bisschen, merke aber, dass ich so nichts richtig lerne. Bei aller Freude an der Vielfalt macht es Sinn, sich auf ein überschaubares Übungsrepertoire zu konzentrieren, das dann auch regelmäßig gepflegt wird.
Wo Qigong unterrichtet wird
Qigong wird überwiegend von freien Qigong-LehrerInnen angeboten. Diese unterrichten in eigenen oder angemieteten Räumen. Die meisten regelmäßigen Kurse finden einmal wöchentlich statt und dauern zwischen 60 und 90 Minuten. Teilweise laufen die Kurse, solange Interesse besteht, oder sie werden für einen begrenzten Zeitraum über einige Wochen oder Monate angeboten.
Sehr viele Volkshochschulen (VHS) bieten Qigong in ihrem Programm an. Dort wird überwiegend in Trimestern oder Semestern unterrichtet. Dann ist der Kurs zu Ende und man muss sich neu einschreiben. Die Kursgebühr ist dort relativ niedrig. Das hat neben der Schonung des Geldbeutels allerdings den Effekt, dass viele Menschen solche Kurse nutzen, um einen ersten Eindruck von Qigong zu bekommen. Die Neugier mag oft höher sein als ernsthaftes Interesse und die Gruppen sind dadurch wenig konstant, was sich nachteilig auf das Lernklima auswirken kann. Ein anderer möglicher Nachteil der geringen Kursgebühr kann sein, dass die Honorare für die Lehrkräfte relativ niedrig sind und manche professionellen Qigong-LehrerInnen dafür nicht mehr arbeiten, weil sie damit ihre Lebenshaltungskosten nicht decken können. Trotzdem finden sich auch in Volkshochschulen qualifizierte Qigong-LehrerInnen. Seit einiger Zeit achten die VHS mehr auf die Qualifikation ihrer Lehrkräfte und haben mitunter eigene Unterrichtskonzepte entwickelt.
Neben den Volkshochschulen haben auch andere Träger der Erwachsenenbildung Qigong für sich entdeckt, ebenso Sportvereine. Innerhalb der nationalen Sportverbände gibt es Ausbildungen für Qigong-KursleiterInnen, die dann in den Sportvereinen tätig sind. Mittlerweile gibt es Qigong auch in manchen Fitnesszentren, deren monatliche Gebühren einen Vereinsbeitrag deutlich übersteigen. Dafür besteht ein größeres Angebot an anderen Aktivitäten, häufig inklusive einem Wellness-Bereich mit Sauna und Pool. Inwieweit die größere Anonymität der Fitnesszentren als Vor- oder Nachteil empfunden wird, ist sehr individuell.
Des Weiteren gibt es auch viele Ferienangebote mit Qigong, seien es spezielle Qigong-Reisen in beliebte Ferienregionen oder so genannte »Aktiv-Urlaube«, in denen Qigong neben anderen Angeboten steht. Solche Ferienkurse haben den Vorteil, dass die TeilnehmerInnen aus dem oft als stressig empfundenen Alltag herauskommen und deshalb schon entspannter sind. Dort wird jeden Tag über eine längere Zeit geübt, was ein recht intensives Lernen ermöglicht. Die schöne Umgebung und die Urlaubsstimmung kommen hinzu. Solche Angebote kommen, ebenso wie Wochenendkurse, Menschen entgegen, die zum Beispiel auf Grund unregelmäßiger Arbeitszeiten nicht an wöchentlichen Kursen teilnehmen können. Allerdings wird ohne kontinuierliche Übung und weiteren Unterricht nach dem Qigong-Urlaub das frisch Erlernte schnell vergessen oder es schleichen sich leicht Fehler in der Ausführung ein.
Ähnliches gilt auch, wenn man Qigong bei einer Reha-Maßnahme in einer Klinik kennen gelernt hat. Da mittlerweile schon manche Kliniken Qigong in ihr Therapieprogramm aufgenommen haben, kommen viele Menschen auf diesem Weg damit in Kontakt. Sie sind auch aus dem Alltag herausgekommen, allerdings nicht so freiwillig wie bei einem Urlaub.
Qigong lernen – Alleine oder in Gruppen
Qigong wird überwiegend im Gruppenunterricht angeboten, was deutlich preisgünstiger ist als Einzelstunden. Die Gruppengröße kann von wenigen TeilnehmerInnen bis über 20 Personen betragen. Solche »Großgruppen« sind eher in Vereinen, Volkshochschulen oder Fitnesszentren anzutreffen. Kleinere Gruppen bieten natürlich den Vorteil, dass die Lehrkraft eher auf die persönlichen Bedürfnisse der TeilnehmerInnen eingehen kann. Gruppenunterricht bringt auch immer soziale Kontakte mit sich. Manche Gruppen kennen sich schon seit Jahren, das erhöht die Motivation, zum Unterricht zu kommen, auch wenn man mal keine so rechte Lust dazu hat. Außerdem ist es beruhigend zu sehen, dass auch die anderen nicht alles auf Anhieb können, und wenn man sich mal in der Gruppe etwas »verstecken« kann.
Wer sich für Einzelunterricht entscheidet, ist in der Regel hoch motiviert, schließlich muss dafür ein weit höherer Preis bezahlt werden. Dafür hat man die Lehrkraft exklusiv für sich und kann intensiv dem eigenen Tempo entsprechend lernen.
Moderne Qigong-Kombinationen
Qigong wird oft zusammen mit anderen Methoden angeboten. Viele Taijiquan- LehrerInnen haben auch Qigong gelernt und verbinden beide Künste in ihrem Unterricht. Manche Qigong-Arten ergänzen Taijiquan gut, sei es zum Beispiel durch Dehnungen oder durch die in der Regel einfacheren Bewegungen, die die TeilnehmerInnen leichter in die Entspannung und in den Bewegungsfluss bringen können, der auch für das Taijiquan charakteristisch ist. Schade ist es jedoch, wenn Qigong nur als Vorübung verstanden wird, denn das wird ihm nicht gerecht.
Qigong wird aber auch mit westlichen Künsten und Therapiemethoden kombiniert. Es wird experimentiert mit Musik, Tanz, Sport, Selbsterfahrung und therapeutischen Methoden. Mitunter entstehen Neuentwicklungen wie zum Beispiel das Qigong-Dancing, das aus der klassischen Übung »Spiel der fünf Tiere« in Verbindung mit Ausdruckstanz, Kontaktimprovisation und körperbezogener Selbsterfahrung entstand und Einflüsse aus der Kampfkunst beinhaltet.
Manche PsychologInnen und PsychotherapeutInnen, die auch körpertherapeutisch arbeiten, haben Qigong entdeckt und integrieren es in ihre Arbeit. Mit Qigong kann – wie bei anderen Körpertherapien auch – über die Wahrnehmung und Auflösung von körperlichen Blockaden positiv Einfluss auf psychische Prozesse genommen werden.
Inwieweit bei solchen Adaptionen Qigong noch Qigong bleibt, hängt immer vom Einzelfall ab. Es zeigt aber das zunehmende Interesse von Menschen, die sich mit Selbsterfahrung und Gesundheit beschäftigen. Sie haben dazu beigetragen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Qigong in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Ein weiterer wesentlicher Faktor dabei war, dass die chinesische Medizin an Bedeutung gewonnen hat und Krankenversicherungen Qigong in ihr Präventionsangebot aufgenommen haben. Teilweise werden von Krankenkassen Zuschüsse zu Kursgebühren bezahlt, teilweise bieten sie sogar selbst solche Kurse an.
Lehren oder heilen mit Qigong
Mit dem steigenden Interesse an Qigong steigt auch die Nachfrage nach qualifizierten LehrerInnen. Welche Gewissheit haben InteressentInnen, dass sie an eine gute Qigong-Lehrkraft kommen? Zunächst keine, schon lange keine 100-prozentige, denn die gibt es nicht. Es gibt keine staatliche Ausbildung zum/zur Qigong-LehrerIn und selbst die gäbe sicherlich keine Garantie. Jeder Mensch kann sich Qigong-LehrerIn nennen und manche, die noch lange nicht genug gelernt haben, nutzen dies aus. Das ist sehr bedauerlich und kann kritisch werden, insbesondere wenn sie auf Menschen treffen, die sich vom Qigong Heilung einer Krankheit versprechen. Heilen dürfen nur bestimmte gesetzlich festgelegte Berufe und das ist auch gut so. Qigong-LehrerInnen sollten Qigong nur unterrichten, es sei denn, sie haben eine entsprechende Ausbildung und Prüfung gemacht, die sie zum Heilen berechtigt.
Die Grenze zwischen Unterricht und Heilung ist allerdings mitunter nicht sehr deutlich, gute Qigong-LehrerInnen sollten daher aufpassen, dass ihre TeilnehmerInnen SchülerInnen bleiben und nicht zu PatientInnen werden. Ein wesentlicher Aspekt im Qigong ist ja gerade, dass man lernt sich selbst zu helfen, dass man Verantwortung für sein Wohlergehen übernimmt und weniger abhängig davon wird, dass einem jemand von außen hilft. Wer ein spezielles therapeutisches Anliegen mit dem Qigong verbindet, sollte zu jemandem gehen, der oder die medizinisch arbeitet und zusätzlich eine solide Qigong-Ausbildung hat. Dazu gehören auch fundierte Kenntnisse der traditionellen chinesischen Medizin. Es gibt viele, die schon seit Jahren und Jahrzehnten Qigong unterrichten. Manche davon haben ein Zertifikat von einem hiesigen Ausbildungsinstitut, einem Verband oder gar aus China. Aber das gibt noch keine Garantie für guten Unterricht. Auch auf Zertifikate aus China ist kein Verlass, da man in der Regel nicht weiß, ob sie nach einer fundierten Ausbildung oder nach einem Kurzlehrgang ausgestellt wurden. Mittlerweile gibt es in Österreich, der Schweiz und in Deutschland Verbände und Institute, die sich um eine qualifizierte Ausbildung bemühen und Ausbildungsleitlinien sowie Unterrichtskonzepte erstellt haben, die man auch anfordern kann. Manche haben sich auf eine Qigong-Richtung spezialisiert, andere arbeiten übergreifend. Wer bei Qigong-LehrerInnen lernt, die ein Zertifikat solcher Institutionen vorweisen können, hat eine gewisse Sicherheit, dass sich dieser Mensch intensiv mit Qigong beschäftigt hat. Aber es gibt auch viele, auf die das zutrifft und die kein Zertifikat vorweisen können, da sie ihre Ausbildung in Eigenregie organisiert haben. Seit vielen Jahren werden chinesische Qigong-ExpertInnen nach Europa eingeladen oder haben sich hier niedergelassen. Deren Unterricht hat dazu beigetragen, dass das Niveau des Qigong bei uns deutlich gestiegen ist. Doch nicht alle ChinesInnen, die Qigong unterrichten, sind auch ExpertInnen. Manche, die Qigong-Unterricht als Einkommensmöglichkeit entdeckt haben, sind dafür gar nicht ausgebildet. Und auch wenn jemand selbst schönes Qigong macht und viel von der Theorie weiß, heißt das noch lange nicht, das diese Person gut unterrichten kann. Das gilt für Menschen aus China ebenso wie für Menschen aus anderen Ländern dieses Planeten. In jedem Fall ist es eine interessante Erfahrung, mal bei ChinesInnen Qigong zu lernen.
Qigong Meisterschaft
Der Titel »Meister/Meisterin« suggeriert, dass TrägerInnen dieses Titels auch wirklich was vom Fach verstehen. So kennen wir das in Europa aus dem Handwerk. Im Qigong ist dieser Titel jedoch nicht geschützt und jeder Mensch kann sich so anreden lassen. In China ist Meister traditionell ein Ehrentitel, den jemand verliehen bekommt von anderen, die schon auf einer höheren Stufe stehen. Voraussetzung dafür ist neben besonderen Fähigkeiten auch die Tatsache, dass man bereits gute SchülerInnen ausgebildet hat.
Es kann nicht schaden, diesen Titeln eine gewisse Skepsis entgegenzubringen. Höfliche SchülerInnen neigen dazu ihre LehrerInnen als »Meister« oder »Meisterin« anzureden, auch wenn sie deren Fähigkeiten nicht beurteilen können. Es ist auch möglich, dass sich manche »MeisterInnen« selber diesen Titel »verliehen« haben, um sich eine größere Reputation und höhere Einnahmen zu verschaffen.
Meisterschaft oder guten Unterricht erkennt man weder an bunten Hosen und Jacken aus chinesischer Seide, einem blitzblank gewienerten Übungsraum noch an anderen Äußerlichkeiten. Das Wesen von Qigong kann nur erspürt und erfahren werden. Das macht jeder Mensch auf seine Art. Wichtig dafür ist die Bereitschaft, sich auf Qigong einzulassen, Gewohnheiten aufzugeben und offen zu sein für neue Erfahrungen. Ich lerne dann mehr darauf zu hören, was gut für mich ist. Im Laufe meiner Qi-Gong-Erfahrungen entwickele ich ein Gespür, welche Bewegungen, Gedanken und Verhaltensweisen mir gut tun und ebenso, ob jemand mir weiterhelfen und ob ich von ihm oder ihr lernen kann. Manches spüre ich früher, anderes später. Manchmal täusche ich mich, manchmal bestätigt sich der erste Eindruck.
Das ist ein Prozess, der mich auf meinem Qigong-Weg begleitet. Auch bei einer längeren Übungszeit wird er immer aktuell bleiben, weil er sich meiner momentanen Lebenssituation »anpasst«. Mal sind es kleine, mal große Erkenntnisse, die ich gewinne. Ich brauche nur spüren zu lernen. Ich werde das Spüren immer mehr verfeinern, bis ich zu meiner Meisterschaft komme – egal, wie mich andere titulieren.
Helmut Oberlack, bzw. das Taijiquan & Qigong Journal ist Kooperationspartner von taiji-forum.de. Die Redaktion möchte sich an dieser Stelle für die zahlreichen Artikel und die Unterstützung der letzten Jahre bedanken!
Dieser Artikel ist zuerst im Sonderheft „Qigong für Einsteiger“ erschienen. Dieses Sonderheft und andere Produkte vom TQJ-Verlag finden Sie in unserem Shop.
Autor: Helmut Oberlack
Fotos: Taiji-Europa