Dong Jing Gang Rou
Bewegung – Stille, hart – weich
Bewegung und Stille, hart und weich stehen beispielhaft für die komplementären Gegensätze im Yin/Yang-Konzept. Die in den Schriftzeichen verwendeten Bilder zeigen, dass beispielsweise die Stille eine fortwährende Bewegung enthält und gleichzeitig mit dem Ursprung des Lebens assoziiert wird. Hart und weich werden symbolisiert durch die Bewegungen unterschiedlicher Waffen, des Hackbeils und des Speers.
Wenn man über chinesische Kampfkunst und vor allem wenn man über Taijiquan und Qigong spricht, werden häufig die beiden Wortpaare Bewegung/Stille und hart/weich verwendet, die unmittelbar mit dem daoistischen Yin/Yang-Prinzip verbunden sind. Vielleicht ist das der Grund, warum das Taijiquan nach dem herausragenden philosophischen Begriff »Taiji« benannt wurde.
Stellvertretend kennzeichnen diese zwei Wortpaare die Gegensätze der vereinten Philosophie in der chinesischen Kampfkunst. Ob es daoistische oder buddhistische Kampfkünste sind, spielt in diesem Fall keine Rolle. Alle verwenden diese Begriffe als leitende Prinzipien. Schon im Yijing und daraus abgeleitet in den klassischen Schriften des Taijiquan heißt es, dass »Bewegung Yang, Stille Yin erzeugt« und wenn es um Kampftechnik geht, »sollen das Harte und das Weiche sich unterstützen«, um eine maximale Kraft hervorzubringen.
Bei Taijiquan und Qigong geht es um »innere Kraft« oder oft nennt man es die »weiche Kraft«, die meistens nicht durch Dong – Bewegung, sondern durch Jing – Stille erlangt werden kann. Die Schriftzeichen verraten uns einiges.
Das Schriftzeichen Dong – die Bewegung besteht aus zwei Teilen. Der linke Teil bedeutet »schwer oder geschichtet oder gestapelt«, daher hat das Zeichen mit »Gewicht« zu tun. Der rechte Teil ist im alten Zeichen ein »Pflug«, mit dem man den Acker bearbeitet. Der Pflug stellt übermenschliche »Kraft« dar, wie sie auch in den Zeichen für die altertümlichen Waffen zum Ausdruck gebracht wird. Das Zeichen Gong trägt auch den Teil »Kraft«. Also, wie das Zeichen andeutet, ist die Bewegung ein Kraftspiel, nämlich wie man »ein Gewicht bewegt, dabei die Kraft einsetzt und dadurch eine neue Kraft produziert«. Ich habe bewusst das Wort »Waffe« benutzt, weil es hier vor allem um Kampfkunst geht. Chen Changxing sagt in seinen »Zehn wichtigen Punkten über Taijiquan«, dass »Dong wie ein herausschießender Drache oder ein Tiger, schnell wie der Blitz sein soll«.
Mit Dong wird Kraft eingesetzt und durch Schnelligkeit sowie harte Übung neue Kraft erzeugt.
Jing – die Stille ist keineswegs ein »einfaches« Wort. Das Schriftzeichen besteht aus mehreren Teilen. Der linke Teil zeigt »die erste Pflanze, die aus der tiefsten Erdmitte Dan [wie in Dantian] herausgesprossen ist«, und steht für »grün«, die Farbe dieser Pflanze, womit auch der Beginn des Lebens symbolisiert wird. Während der rechte Teil den »Kampf« bedeutet, weil er darstellt, wie »zwei Hände um einen Stock/Speer ringen«. Die Stille ist also relativ, weil sie dennoch in Bewegung ist.
Jing ist lediglich ein kurzer Zustand der »Nicht-Bewegung« und man wartet, »welche Hand den Stock oder den Speer an sich reißt«. Dennoch können wir diesen kurzen Zustand lange halten, wenn die Bewegung in einem gleichen Rhythmus bleibt, wie zum Beispiel bei Qigong- oder Taijiquan-Übungen. Jing – die Stille erzeugt Yin-Kraft und stärkt damit die Urkraft, das Yuanqi. Dabei sollen wir nicht vergessen, dass Jing ein Kampf ist. »Jing muss ruhig und klar wie ein unbeweglicher Berg sein.« (Chen Changxing)
Gang – hart
Das Schriftzeichen für »hart« setzt man aus »Berg/Hügel« (linker Teil) und einem »Hackbeil« (rechter Teil) zusammen. Der Berg steht für Stabilität und ist kraftvoll, das Hackbeil ist kurz und damit kann es schnell und gerade bewegt werden. Diese bildliche Darstellung können wir durchaus als »das Harte« bezeichnen.
Rou – weich/sanft
Das Schriftzeichen Rou für »weich/sanft« wird ebenfalls als eine Waffe dargestellt. Man setzt das Zeichen aus »Speer« (oberer Teil) und »Holz« (unterer Teil) zusammen. Holz steht für Biegsamkeit. Der Speer ist eine lange Waffe, wenn man ihn bewegt, entsteht eine Schwingung, das heißt er kann niemals ganz gerade gestoßen werden. Sein Weg ist wellenförmig – wenn seine Spitze das Ziel erreicht hat, kann man immer noch weiter stoßen. Daher nennt man seine Kraft weich. Auch hier ist Rou – das Weiche eine Kampfmethode.
Autor: Wang Ning
Kalligraphien: Wang Ning
Foto Yin/Yang Konzept: Taiji-Europa