Beweglichkeit

Beweglichkeit meint die bewegliche Beschaffenheit eines Körpers und eine bewegliche Wesensart, die sich vor allem im Geist manifestiert.

Im Taiji spielt die Beweglichkeit eine sehr wichtige Rolle. Sie ist die Grundlage für sämtliche Techniken und Anwendungen. Aus der sportmotorischen Perspektive versteht man unter der Beweglichkeit jene Fähigkeit, die dazu erforderlich ist, um Bewegungen mit der notwendigen Schwingungsweite auszuführen. Die Beweglichkeit setzt sich dabei aus zwei Grundkomponenten zusammen: aus der Gelenkigkeit und aus der Dehnfähigkeit.

Dehnfähigkeit und Gelenkigkeit

Die Dehnfähigkeit wird im Taiji vor allem durch ein dynamisches Dehnen verbessert. Im Gegensatz zu statischen Dehnmethoden, die als „Stretching“ bezeichnet werden, geht es bei einer dynamischen Dehnung um weiche und schwunghafte Übungen. Auch federnde Bewegungen kommen zum Einsatz und lösen Verspannungen im Körper auf. Die intermuskuläre Koordination wird optimiert.

Beweglichkeit im Taiji (Tai Chi)

Während sich die Dehnfähigkeit in erster Linie auf Muskeln bezieht, meint die Gelenkigkeit die Schwingungsweite der einzelnen Gelenke. Die Gelenkigkeit ist durch physische Merkmale determiniert, kann aber durch entsprechende Übungen verbessert werden. Sie ist von Gelenk zu Gelenk verschieden. Im Taiji kommt den Gelenken eine sehr wichtige Funktion zu, da diese die Energie weiterleiten. Die Gelenke müssen durchlässig bzw. „geöffnet“ werden, damit die Energie hindurchfließen kann. Dies geschieht durch ein Entspannen der jeweiligen Muskulatur und ermöglicht eine höhere Gelenkigkeit.

Abhängigkeitsfaktoren der Beweglichkeit

Die Beweglichkeit eines Menschen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Man unterscheidet zwischen endogenen und exogenen Faktoren. Die endogenen Faktoren sind Fähigkeiten und Eigenschaften des menschlichen Körpers. Dabei unterscheidet man zwischen beeinflussbaren Fähigkeiten und kaum beeinflussbaren Eigenschaften.

Die Dehnfähigkeit der antagonistischen Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenkkapseln zählt beispielsweise zu den beeinflussbaren Fähigkeiten. Zu den kaum beeinflussbaren Eigenschaften zählt zum Beispiel die mechanische Beweglichkeit.

Exogene Faktoren sind die äußeren Umstände; also die Tageszeit, die Temperatur und von außen einwirkende Kräfte auf den Körper.

Aktive und passive Beweglichkeit

Die aktive Beweglichkeit bezeichnet die Bewegungsweite eines Menschen, die er selbst erreichen kann. Die passive Beweglichkeit meint die Bewegungsweite, die der Mensch durch sein eigenes Körpergewicht bzw. durch eine äußere Krafteinwirkung erreichen kann.

Taiji und Beweglichkeit

Im Taiji geht es darum, „wie Wasser zu werden“. Wasser ist flexibel, es passt sich den Umständen an und steht selten still. Steht es aber still und trifft ein Stein auf die Wasseroberfläche, so dehnt sich das Wasser sofort aus, verschluckt den Stein und schließt sich wieder.

Ein wichtiges Ziel im Taiji ist es, den Körper so weich zu kriegen, dass er äußere Kräfte so absorbieren kann, wie das Wasser den Stein verschlingen kann. Hierfür bedarf es der Beweglichkeit der Gelenke und der Muskeln. Wirkt eine Kraft von außen auf den Körper ein, so geht es darum, dieser Kraftlinie auszuweichen, ohne das eigene Gleichgewicht aufzugeben und im Körper selbst so weich und beweglich zu bleiben, dass man sich um die Kraftlinie herum bewegen kann. Dafür muss jedes Gelenk in seiner natürlichen Weise beweglich sein. Steife Gelenke und harte Muskeln hindern den natürlichen „Fluss“ des Körpers und bieten eine Angriffsfläche, die nicht rechtzeitig entfernt werden kann.

Geistige Beweglichkeit

Taiji fördert zudem die geistige Beweglichkeit. Da es ein Grundanliegen des Taiji ist, die Absichten eines Gegners bzw. Übungspartners zu erkennen, bevor dieser sie ausführt, muss sich eine schnelle Auffassungsgabe bei den Übenden entwickeln. Auch ein ausgeprägtes schnelles Denkvermögen ist wichtig, um Situationen bestmöglich einschätzen zu können. Die geistige und die körperliche Beweglichkeit werden in unterschiedlichen Partnerübungen geschult. Die geistige Beweglichkeit wird zudem durch Meditationsübungen entwickelt.

Von Christoph Eydt


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