Rencontres Jasnières, das älteste Tai Chi Treffen in Europa

Seit mehr als 25 Jahren treffen sich Tai Chi Chuan und Qigongenthusiasten aus der ganzen Welt in einem kleinen Ort in der Region „Jasnières“ auf einem Campingplatz zum Austausch Ihrer Künste. Das Wetterrisiko wird von den Teilnehmern getragen.

Rencontres Jasnières 20. Geburtstag

26. bis 29. Juli 2007 in Marçon, Frankreich

Das älteste stilübergreifende internationale Taiji-Treffen in Europa feierte in diesem Jahr seinen zwanzigsten Geburtstag. Es wird veranstaltet von der Association de Recherche en Arts Martiaux Internes en Sarthe (A.R.A.M.I.S.) mit den Zielen, Taiji-Praktizierenden einen Raum zum gegenseitigen Austausch ohne jeden Wettbewerb zu bieten, Taijiquan- und Baguazhang-LehrerInnen Gelegenheit zu geben, ihre Künste und ihre Fähigkeiten vorzustellen, Taijiquan in Europa bekannter zu machen und auch als ein Fest vor Ort.

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Rencontres Jasnières ist aus dem Wunsch heraus entstanden, einen Ort zu schaffen, an dem sich Taijiquan-Praktizierende aller Stilrichtungen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Fähigkeiten in freundschaftlicher Atmosphäre treffen können, um voneinander und miteinander zu lernen, ohne dass es darum ginge zu beweisen, wer besser ist. Das Konzept der Stichting Taijiquan Nederland, die damals bereits unterschiedliche Lehrer für Seminare einlud, beeindruckte den Initiator des Treffens, Serge Dreyer. Er wollte das zu dieser Zeit vorherrschende Konkurrenzgehabe überwinden, weil ihm deutlich geworden war, dass man nicht nur von Menschen lernen kann, die einem kampftechnisch überlegen sind. Seine Idee, dem gegenseitigen Austausch Raum zu geben, hat sich bewährt, was auch daran zu sehen ist, dass seither weitere Treffen entstanden sind, die diesem Vorbild folgen.

Ein zweites Anliegen war und ist es, das Tuishou, die Partnerübungen des Taijiquan, bekannter zu machen, die vor zwanzig Jahren in Europa noch wenig verbreitet waren. Der Schwerpunkt liegt während des Treffens auf einem konkurrenzfreien Tuishou, das eine Art Aushängeschild für das Rencontres Jasnières geworden ist. Serge Dreyer beschreibt, dass es für ihn das Schönste an Jasnières sei, zu sehen, wie Menschen, die neu dabei und vielleicht noch wenig erfahren im Tuishou sind, aufgrund der freundlichen Atmosphäre Vertrauen gewinnen und Spaß daran bekommen. Die klaren Vorgaben für das freie Pushen, das jeden Nachmittag für etwa drei Stunden auf dem Programm steht, bieten einen Rahmen, in dem sich jedeR sicher fühlen kann. Und wenn eine Begegnung doch einmal unangenehm sein sollte, kann man das sagen und sie abbrechen.

Das Programm der in zwei Blöcken am Vormittag stattfindenden Workshops umfasst verschiedene Ansätze im Tuishou, die von Einführungen für AnfängerInnen bis hin zu Wettkampf-Tuishou reichen, Qigong, Arbeit an Prinzipien sowie verschiedenen Hand- und Waffenformen. In diesem Jahr waren auffällig viele Formen mit unterschiedlich langen Stöcken dabei.

Unter den 22 Unterrichtenden waren viele bekannte Namen. Serge Dreyer betont jedoch, dass für die Veranstalter alle gleichermaßen willkommen sind und auch die gleichen Konditionen erhalten. Es wird von allen Unterrichtenden erwartet, dass sie sich auf den hier herrschenden konkurrenzfreien Umgang miteinander einstellen und dementsprechend den weiteren Unterrichtenden und auch allen anderen Teilnehmenden freundlich und respektvoll gegenübertreten. „Wenn das nicht der Fall ist, kommen sie nicht wieder. Wir hatten solche Lehrer, die auf andere herabgeblickt haben, die dachten, sie wären die Besten von allen. Aber entweder sind sie weggeblieben oder sie haben bald ihre Meinung geändert. Hier kommen Leute zusammen mit jahrelangen Erfahrungen im Taijiquan. Bisher ist noch niemand hier gewesen, der besser als alle anderen war. Du kannst immer deinen Meister finden, auch beim Rencontres Jasnières. Aber technisch besser zu sein bedeutet auch nicht, dass jemand besser ist als LehrerIn oder auf menschlicher Ebene. Die Leute kommen hierher, um zu experimentieren und verschiedene Dinge kennen zu lernen, aber auch um zu wachsen, zur Selbsterfahrung. Mit anderen zu sprechen, Freundschaften zu schließen, ihre Sichtweise zu verstehen über verschiedene Dinge. Man kann nicht sagen, ein Lehrer sei besser als ein anderer, weil jeder eine unterschiedliche Perspektive hat. Und alle Perspektiven sind interessant.“

Viele kommen schon seit Jahren nach Jasnières, so dass sie sich wie eine große Familie fühlen. Gerade auch viele Unterrichtende suchen hier den Austausch, der ihnen an ihren jeweiligen Heimatorten vielleicht fehlt. Diese familiäre Atmosphäre macht eine wichtige Qualität des Treffens aus, zu der Neulinge vielleicht erst einen Zugang finden müssen. Denn manches Mal verlassen sich die OrganisatorInnen darauf, dass sich bestimmte Informationen herumsprechen oder sich schon alle zurechtfinden werden. Im Wesentlichen funktioniert das auch, aber manchmal steht dann doch jemand etwas ratlos da, wenn sie oder er zu spät erfahren haben, dass sich Zeiten oder Orte geändert haben.

Da alles ehrenamtlich und nicht kommerziell organisiert ist, gibt es niemanden, der Neuankömmlinge bei der Hand nimmt. Auf der für die Teilnehmenden am Treffen reservierten großen Wiese am Rand des Campingplatzes Lac de Varennes gibt es ein Informationszelt, hier wird die gesamte Organisation abgewickelt. Einen Platz für das eigene Zelt sucht man sich selbst und auch sonst versorgen sich alle eigenständig. In jeder Hinsicht wird Selbstverantwortung und Offenheit erwartet. „Wenn Leute nach Jasnières kommen, sollten sie keine große Show mit Superstars erwarten oder ein geschäftsmäßiges Unternehmen oder eine mystische Zusammenkunft. Sie müssen einfach mitmachen und etwas einbringen, ihre Begeisterung, ihre offene Bereitschaft zu teilen, und dann werden alle wachsen. Es ist nicht so, dass wir hier die Leute füttern. Wir teilen mit den Leuten und das ist für uns keine leere Floskel. Du musst mit aktiv sein. Du kommst her und nimmst teil. Du konsumierst nicht.“

Der diesjährige zwanzigjährigen Geburtstag wurde mit einem Clownsumzug nach Marçon gefeiert. Dafür war das Treffen um den Donnerstag verlängert worden, der ganz der Vorbereitung der Parade am Freitagnachmittag gewidmet war. Mit viel Spaß wurden Musik, Jonglage, Clownerie und Tanz in verschiedenen Gruppen eingeübt. Als weitere Besonderheit trugen Cornelia und Milton Gruber eine Raku-Töpfer-Aktion bei, alle durften Trinkgefäße modellieren, die dann gebrannt und geschwärzt wurden und am Sonntag im Zentrum eines kleinen Gemeinschaftsrituals standen.

Das Wetter war in diesem Jahr recht günstig, das heißt überwiegend trocken und nicht zu heiß, das Loiretal ist keine Gegend, die im Sommer beständiges Wetter garantiert, die Nächte sind erstaunlich kalt. Bei einem Treffen, das ganz unter freiem Himmel stattfindet, ist das Wetter ein wichtiger Aspekt. Der Campingplatz liegt direkt an einem See und bietet ein großes Freizeitgelände, aber so gut wie keine überdachten Ausweichmöglichkeiten.

Viele nehmen immer wieder lange Wege auf sich, um hierher zu kommen, und wer das Rencontres Jasnières miterlebt hat, wird sich nicht darüber wundern. Zusätzlich zum Wochenende werden vorher und anschließend von einzelnen LehrerInnen Workshops angeboten, so dass man noch mehr Gelegenheit hat zu lernen. Dadurch sind auch vor und nach dem eigentlichen Event viele Taiji-Menschen hier und der gegenseitige Austausch und das freie Pushen gehen im informellen Kreis weiter.

Für Kinder gibt es während des Wochenendes Betreuung, die mitangereisten Jugendlichen gestalten sich ihr eigenes Programm und genießen die freie Atmosphäre und die Internationalität. So kann man gleich einen ausgedehnten Familienausflug daraus machen.

In Zukunft sollen auch Workshops mit Unterrichtenden anderer Fachrichtungen wie zum Beispiel Jongleuren angeboten werden, um von deren spezifischen Fähigkeiten, etwa dem genauen Timing, zu lernen. Serge Dreyer hofft, dass dies auch das stilübergreifende Üben und die offene Atmosphäre fördern kann.

Es bleibt zu hoffen, dass Jasnières weiterhin Treffpunkt für alle am freundschaftlichen Austausch interessierten Taiji-Übenden bleibt und Serge sowie dem ganzen Organisationsteam herzlich für ihren Einsatz zu danken.

Das Gespräch mit Serge Dreyer führte Petra Doeve für den Taiji Vizier der Stichting Taijiquan Nederland.

Übersetzung und Bearbeitung von Almut Schmitz.

Video mit Eindrücken des Treffens

 

Link zur Seite von Aramis

Die Internetseite ist etwas unübersichtlich. Es gibt mittlerweile eine Onlineanmeldung auf English. Schauen Sie auch in unseren News nach dem Programm von Rencontres Jasnières!

 Bilder vom Rencontres Jasnière 2011

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