Qi Jiguangs Klassiker „Der Leitfaden des Faustkampfes“
„Es ist General Qi Jiguangs unsterblicher Beitrag zum Tai Chi Chuan, dass er persönlich 16 verschiedene Kampfkünste studierte und sie zu einer 32er Form für das Truppentraining verschmolz.“ So würdigt Douglas Wile den General aus der Ming-Zeit und kennzeichnet ihn gleichzeitig als einen der Ahnen des Tai Chi Chuan.
General Qi Jiguang – sein Leben
Qi Jiguang wurde 1528 in der Provinz Shandong geboren. Er stammte aus einer Familie von Berufsmilitärs und wurde so im Alter von 17 Jahre selbst Mitglied in der Garnison. 1548 verteidigte er als Mitglied eines Bataillons Peking gegen die Mongolen. 1555 wurde er nach Ningbo gesandt, um eine Truppe gegen die japanischen Piraten zu bilden. Nach dem Erfolg dieser Aktion wurde er wieder nach Norden berufen, um die Hauptstadt zu schützen. 1585 trat er in den Ruhestand und starb 1588. Trotz seiner Herkunft aus einer Familie mit niedrigen Beamtenrängen stieg er bis zum höchsten militärischen Rang eines Hauptkommissars auf.
General Qi JIguang und der waffenlose Kampf
Während seiner aktiven Zeit als Soldat studierte Qi Jiguang verschiedene Kampfkünste, die er für die besten seiner Zeit hielt, z.B. die 32 Stellungen der langen Faust, Stil der sechs Schritte, den Affenstil, den Fintenstil, 72 Formen der Wen-Schule, 12 Techniken des kurzen Boxens, die acht Methoden der Boxkunst des Lü Hong, die Greiftechnik von Adlerklauen-Wang usw. Er verband verschiedene Stellungen dieser Kampfkünste zu einer neuen 32er Form und machte sie neben Stärkungs- und Waffentraining zur Grundlage der Ausbildung seiner Soldaten. Die Vielfalt der von Qi Jiguang studierten Stile gibt uns einen kleinen Hinweis auf den Stand der Kampfkunst in der Ming-Dynastie.
Während seines Ruhestandes widmete sich Qi Jiguang der Militärtheorie und schrieb eine Reihe Bücher, die einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Militärwissenschaft ausübten. Unter ihnen war der der Leitfaden des Faustkampfes (Quanjing) in dem er seine 32er Form abbildete und kommentierte. Hier z.B. Bewegung 7 „Das Bein als Köder heben (Xuanjiaoxuer)“:
Ein Bein als Köder heben verleitet den anderen zu unüberlegtem Vordringen.
Aber der zweifache Wechsel meiner Beine erlaubt keine solche Unüberlegtheit.
Rechtzeitig einen Schlag mit der Handfläche und der andere sieht den Himmel voller Sterne.
Wer würde einen da noch einmal herausfordern?
Der Leitfaden des Faustkampfes ist das erste uns überlieferte Handbuch zum waffenlosen Kampf seit 2000 Jahren chinesischer Militärgeschichte und ist daher eine unschätzbare historische Quelle.
Der Leitfaden des Faustkampfes und das Tai Chi Chuan
In den 30er Jahren des 20. Jhr. veröffentlichte der Kampfkunstmeister und Forscher Tang Hao (1897 – 1959) die These, dass das Chen Tai Chi Chuan auf Qi Jiguangs Leitfaden des Faustkampfes zurückgehe. Er stellte fest, dass viele Namen der Stellungen im Chen Tai Chi Chuan mit denen der 32er Form des Qi Jiguang identisch sind. Man findet z.B. so bekannte Namen wie der goldene Hahn steht auf einen Bein, einfache Peitsche, das Siebengestirn und den Tiger reiten. Auch viele Stellungen scheinen mit Stellungen des Tai Chi Chuan verwandt und ein Klassiker der Familie Chen verweist direkt auf Qi Jiguang.
Mit dieser Idee wurde das Chen Tai Chi Chuan zur Wurzel des Tai Chi Chuan, was natürlich nicht unwidersprochen blieb. Als Gegenthesen finden sich z.B. der daoistische Ursprung des Tai Chi Chuan in den Wudang-Bergen, oder die Entwicklung des Tai Chi Chuan aus der Tradition der inneren Kampfkünste. Die Forschung ist in diesen Bereichen sehr aktiv und so warten sicherlich noch interessante Ergebnis auf uns. Man vergleiche z.B. hier.
Unbestritten ist aber der große Einfluss Qi Jiguangs auf die Kampfkunst. Ganz gleich, ob sein Leitfaden des Faustkampfes nun ein/bzw. der Ursprung des Tai Chi Chuan ist, oder beide einen gemeinsamen Vorfahren in der Kampfkunst haben, er ist von großem Wert für den historisch interessierten Freund des Tai Chi Chuan.
Eine vollständige Übersetzung mit allen Abbildungen findet man hier als Ebook (für alle Computer, Tabletts und Smartphones mit der kostenlosen Kinder-App).
Autor: Martin Bödicker
Fotos: Bödicker und taiji-forum.de