Fu – das Glück

Philosophie

Von Wang Ning

Zusammen mit einem »langen Leben« sind Glück und Reichtum in China die wichtigsten Ziele für den Lebensweg. »Glück« wird dabei zu einem quasi religiösen Begriff, ob er erreicht wird, hängt vom eigenen Einsatz und von göttlicher Gnade ab. Dass der Mensch Glück und Unglück letztlich kaum ermessen kann, zeigt die Geschichte vom alten Mann an der Grenze, der sein Pferd verloren hat – in China ein geflügeltes Wort, wenn jemandem ein vermeintliches Unglück zustößt.

Fu, Lu, Shou: Glück, Reichtum und langes Leben

Das Schriftzeichen »Fu«

Glück, Reichtum und langes Leben (Fu Lu Shou) sind unzertrennliche Begriffe im alltäglichen Leben in China. Während die Chinesen ein langes Leben als das höchste Ziel betrachten, gilt Reichtum als das eigentliche Verlangen. Glück ist die Ideologie, die hinter allem Streben steht. Das alte Zeichen malt das Glück aus, dass die Menschen »einen gefüllten Weinkrug auf den Altar« stellen, um das Glück zu erbeten. Daher sagt man in China, dass »das Glück vom Himmel heruntergekommen ist« (Fu Chong Tian Jiang).

Das Glück bedeutet somit alle erdenklichen guten Dinge, die einem passieren können. Glück kann man nicht erzwingen, weil der »Himmel« (Gottheit) dafür zuständig ist. Das Glück ist ein religiöser Begriff geworden. Es entspricht dem deutschen Begriff »Gottes Segen«. Im Wörterbuch »Wörter- und Zeichenerklärung« (Shuo Wen Jie Zi) heißt es: Glück bedeutet, dass der Gott dich beschützt. Es wurde zum leitenden Wort des pragmatischen Denkens. Unmittelbar fängt man an zu verlangen, natürlich nach Glück. Das Schriftzeichen wird interpretiert, wenn die Menschen etwas »opfern«, dann »sollen« sie auch etwas bekommen. Daher bedeutet das Glück gleichzeitig das, was jemand gerne bekommt, ist also ein Synonym des inneren Wunsches (Ji Xiang Ru Yi). Die zwei Schriftzeichen Ji Xiang sind ebenfalls eine Darstellung der »Opfergegenstände«, die wie Fu »Glück« bedeuten, aber Ru Yi heißt »nach Herzenswunsch«. Damit ist klar, dass das höchste Glück nichts anderes sein kann als »Reichtum und langes Leben«.

Ming – das Schicksal zeigt ein Dach, unter dem jemand spricht und jemand sich hinkniet und zuhört, in dem Sinne, dass er seine göttliche Bestimmung entgegen nimmt.

Das Glücksprinzip können wir überall anwenden. Das Yin/Yang-System dient lediglich als eine Ergänzung dafür, wie man sein Glück erlangt. Laozi und Zhuangzi und auch viele andere berühmte Menschen werden als Götter bezeichnet, sie helfen den Menschen dabei, ihr Glück zu verwirklichen. Der Buddhismus lehrt uns, wie man umfangreich sein Glück einfacher erlangt. Der Konfuzianismus bietet an, wie man sein Glück lange erhält. Alle diese Religionsstifter oder Weisen werden wie Götter verehrt. Die Gegenstände, die mit ihnen zu tun haben, sind »Glücksbringer«.

Das Glück wird dadurch noch pragmatischer. Man teilt das Glück in unterschiedliche Stufen nach »Größe« und »Wichtigkeit«. Glück ist plötzlich bemessbar. »Fu Ru Dong Hai« heißt »(So viel) Glück wie das Wasser im östlichen Meer« oder »Fu Xing Gao Zhao« heißt »Der Glücksstern strahlt oben«. Die Sprüche verwenden wir im Sinne von »Glückwunsch«. Wenn ein Kind zur Welt kommt, schaut man zum Gratulieren das Kind an und sagt dann, dass das Kind ein »Glücksgesicht« (Fu Xiang) und später bestimmt »Glück« (Fu Qi) habe. Ob einer »kleines oder großes Glück hat«, liegt oft an der materiellen Bemessung. Wenn einer zum Beispiel einen Sohn bekommen oder im Lotto gewonnen hat, sagt man in China, das sei das »Glück von über acht Generationen«. »Sozialhilfe« oder »Wohlfahrt« heißen im Chinesischen »Fu Li«, das heißt »glücklicher Gewinn«. Wie groß ist das Glück?

Es gibt nicht wenige lehrreiche Worte über das Glück. Laozi hat im 58. Kapitel des Daodejing geschrieben: »Das Unglück ist‘s, worauf das Glück beruht; das Glück ist es, worauf das Unglück lauert.« Die Menschen werden ständig erinnert, das die Dinge sich verändern können. Auch im Deutschen sagt man: »Das Glück ist nicht von Dauer«.

Mengzi, ein Nachfolger des Kongzi, sagte, dass »einer allein für sein Glück und Unglück verantwortlich sei«. Das passt genau zum westlichen Denken. Man hat sein Schicksal in der eigenen Hand. Das chinesische Wort Schicksal heißt Ming – oder Tian Yi. Beide Worte bedeuten »die himmlische Bestimmung«. Da erkennbar ist, dass wir das Glück nicht steuern können, ist die Beutung des Schicksals umso größer. Es ist kein Widerspruch zum Glück, sondern eine Erklärung. Wir werden darüber belehrt, wie wir mit dem Glück umgehen sollen. Im Volksmund heißt es, »Das Glück kommt kein zweites Mal« (Fu Wu Shuang Zhi).

Dennoch ist die Suche nach Glück nicht aufzuhalten. Das sehen wir an vielen Glückssymbolen, die alle Lebensbereiche betreffen und alle Lebensbereiche schmücken, Tiere, Pflanzen, Zahlen, Bilder, Jade und anderes mehr. Manchmal erwartet man, vom Glück heimgesucht zu werden, aber vergisst dabei, dass man »Opfer« bringen muss, wie es das Zeichen Fu darstellt. Auch wenn man nicht an Götter glaubt, dienen sie als Glückssymbole. Kongzi zweifelte an der Existenz der Götter und Geister, dennoch meinte er: »Bete zu Göttern, als ob sie da wären« (Ji Shen Ru Zai).

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Der alte Mann an der Grenze hat sein Pferd verloren

Sai Weng Shi Ma

Es lebte einmal ein alter Mann mit seiner Familie an der Grenze zum Mongolenreich. Sie waren sehr arm und besaßen nur ein einziges Pferd als Arbeitstier, das sie des Nachts auf der Weide ließen. Eines Morgens, als der Alte zur Weide kam, war das Pferd verschwunden. Die ganze Familie trauerte wegen des Verlustes und aus der Nachbarschaft kamen die Menschen herbei, um die Familie zu trösten. Der einzige, den dieses Ereignis wenig zu berühren schien, war der alte Mann, was er, darauf angesprochen, mit wenigen Worten zum Ausdruck brachte. »Was verloren ist, ist verloren. Man sollte keine unnötige Trauer darüber empfinden, sondern lernen damit umzugehen. Wer weiß, welchen Sinn es hat.«

Und wie durch ein Wunder kam das verloren gegangene Pferd einige Tage später von selbst zurück. Doch war es nicht alleine, sondern brachte ein kleines Wildpferdfohlen mit, so dass die Familie jetzt zwei Pferde besaß. Voller Freude über dieses Ereignis eilten die Nachbarn herbei, um der Familie ihre Glückwünsche zu überbringen. Wieder war es der alte Mann, der zur Ruhe mahnte und zum Ausdruck brachte, dass die Freude nicht übertrieben werden sollte.

Nach einer Zeit der Zuwendung schloss der jüngste Sohn der Familie enge Freundschaft mit dem fremden Wildpferd, so dass er es nach einiger Zeit auch reiten konnte. Während einer seiner täglichen Ausritte jedoch strauchelte das Pferd und der junge Mann stürzte so unglücklich, dass er sich ein Bein brach. Wiederum wird der Familie von allen Seiten Bedauern über dieses Missgeschick entgegengebracht. »Warum seid ihr so betrübt«, sagte der alte Mann. »Alle Dinge haben ihren festen Lauf. Nichts davon lässt sich wegnehmen, nichts hinzufügen. Wer weiß, warum dieses Unglück geschehen ist.«

Ein paar Jahre später verschlimmert sich die Grenzsituation zwischen dem Reich der Mitte und dem Mongolenreich. Alle jungen Leute werden zur Armee eingezogen. Weil aber der Junge der Familie Beschwerden mit seinem Bein hat, wird er nicht eingezogen, sondern kann bei seiner Familie bleiben.

Chinesische Weisheitsgeschichte

Kalligraphien: Wang Ning