Verbreitung des Wu Stil Tai Chi Chuan durch Wu Jianquan
Das Wu-Stil Tai Chi Chuan verdankt seine enorme Verbreitung und seine Standardisierung zum großen Teil Wu Jianquan (1870 – 1942), dem Sohn von Wu Quanyou. Die Geschichte dieser Verbreitung geht einher mit dem Wandel Chinas vom Kaiserreich zur Republik.
Tai Chi Chuan am chinesischen Kaiserhof
Mit Yang Luchan gelang gegen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts das Tai Chi Chuan an den chinesischen Kaiserhof. Aufgrund seines großen Rufes wurde er rasch Ausbilder der Offiziere der kaiserlichen Armee, aber unter seinen Schülern waren auch Adlige und Prinzen. Einer seiner Offiziersschüler war Wu Quanyou, ein Mitglied der kaiserlichen Wache.
Obwohl das chinesische Kaiserreich und sein Militär zur Zeit des Yang Luchan und Wu Quanyou Modernierierungsbestrebungen unterworfen war, blieben diese beiden bodenständige Kämpfer alter Schule, die ihre Kampfkunst nur in einem kleinen Zirkel verbreiteten. Dies sollte sich mit ihren Söhnen und Enkeln und dem Ende des chinesischen Kaiserreiches ändern.
Tai Chi Chuan zur Republik-Zeit
Mit dem Ende des chinesischen Kaiserreiches 1911 versank China in eine Zeit der innen- und außenpolitischen Schwäche. Gleichzeitig waren die Chinesen sich ihrer militärischen Unterlegenheit gegenüber den aggressiven Kolonialmächten wohl bewusst. Daraus entstand ein Wunsch nach Stärkung des Individuums, als auch der Nation und so wurde körperliche Erziehung ein wichtiges Diskussionsthema.
Auch der Leiter der Forschungsgesellschaft für Leibeserziehung der Universität Peking Xu Yusheng unterstütze die Idee der Selbststärkung. Er wollte diese durch traditionelle Techniken entwickeln und so lud er u.a. Yang Shaohou (Enkel von Yang Luchan), Yang Chengfu (Enkel von Yang Luchan), Wu Jianquan und Sun Lutang ein, zum erstmal Tai Chi Chuan in einem größeren öffentlichen Rahmen in seiner Gesellschaft zu unterrichten. Damit ist das Tai Chi Chuan „aus der Tür“ gegangen und fand eine erste Verbreitung in Peking.
Tai Chi Chuan geht nach Süden
1928 verließen Wu Jianquan und Yang Chengfu Peking und gingen in den Süden Chinas. Dort wurde das Tai Chi Chuan in den großen Städten gerade populär. In Shanghai wurde Tai Chi Chuan von Wu Yinghua, der Tochter Wu Jianquans, sowie Chen Weiming, einem Schüler Yang Chengfus, unterrichtet. Wu Jianquan gründete hier 1932 die Jianquan Tai Chi Chuan Gesellschaft, die bis heute aktiv den Wu-Stil organisiert und fördert.
Wu Jianquan bereiste mit seinen Söhnen Wu Gongyi und Wu Gongzao von Shanghai aus viele Städte im Süden Chinas, wie z.B. Hongkong und Kanton. Mit seinem Tod 1942 verlor das Tai Chi Chuan einen wichtigen Protagonisten dieser Kampfkunst. Seine Söhne und seine Tochter führten aber die Verbreitung seines Wu-Stil Tai Chi Chuan erfolgreich fort.
Autor: Martin Bödicker
Fotos: Archiv Bödicker
Buch-Tipp:
Martin Bödicker hat mehrere Bücher zur Philosophie und den Tai Chi Klassikern veröffentlicht.