Der innere Zusammenhang von Philosophie und Praxis wird in den chinesischen Bewegungs-, Heil- und Kampfkünsten oft betont. Im Taijiquan werden die Taiji-Klassiker als Einstieg in die theoretische Arbeit empfohlen. Im Qigong ist das Daodejing aufgrund seiner poetischen Struktur und zahlreichen Bezügen zur Natur des Wassers und der Betonung des Fließenden die bevorzugte Quelle der Inspiration auf dem Lehr- und Übungsweg. Daneben ist auch das I Ging bekannt, das Buch der Wandlungen, welches mit seiner Abstraktion und Numerologie ein ganz eigenes Universum entfaltet. Vom Buddhismus beeinflusste Meditationssysteme wiederum beziehen sich auf einen spirituellen Textekanon, der China von Indien aus erreichte und dort zunächst als fremdartig empfunden wurde.
Nur: Was sollen die Lehren bedeuten? Was sagen sie dem Übenden? Was dem Lehrer? – Die Antworten und Zielvorstellungen sind so vielfältig wie schleierhaft: Die Philosophie im Körper in die Praxis umsetzen? Die überlieferte Praxis pflegen, gemäß der Tradition? Unermüdlich üben und die Worte der Alten achten?
„Nicht vom Weg abweichen!“, bzw. positiv formuliert „Den Weg suchen!“ ist vielleicht die direkteste aller Ansagen, während Bezüge auf das „im Fluss sein“ und „in Harmonie kommen“ die Grenzen von Heil-, Kampf- und Lebenskunst verschwimmen lassen.
Wie sich also in der chinesischen Philosophie orientieren? – Von seinen amerikanischen SchülerInnen zu den philosophischen Hintergründen seiner Kunst befragt, soll Cheng Man Ching gesagt haben, Taijiquan sei zu 70 Prozent Konfuzianismus und zu 30 Prozent Daoismus. Auch wenn das nicht auf alle Stile zutreffen mag, sind damit zwei bedeutende klassische Denkschulen der chinesischen Philosophie benannt.
Entscheidend beim Studium der philosophischen Texte ist jedoch nicht so sehr mit welcher philosophischen Schule oder welchem Text man beginnt und in welchem Verhältnis die Texte zueinander stehen. Entscheidend ist vielmehr die Herangehensweise an die verschiedenen Texte, die mittlerweile in vielen Übersetzungen erschienen sind.
Leseempfehlungen zu chinesischer Philosophie
Zwei Bücher, die sich mit Ausschnitten dieser beiden prägenden Philosophien Chinas auseinandersetzen und 2018 in Neuauflage erscheinen, sind „Mit den passenden Schuhen vergißt man die Füße: Ein Zhuangzi-Lesebuch“ und „Den Menschen gerecht: Ein Menzius Lesebuch“ von Henrik Jäger. Beide Bücher eignen sich hervorragend für einen ersten Einstieg in die Denksysteme von Daoismus und Konfuzianismus. Nicht nur für ExpertInnen eröffnen sie darüber hinaus eine lebendige, produktive Herangehensweise an die bekannten Texte und tiefergehende Hinweise zur Sprache und zu den Zeichen des Originaltextes.
Autor: Redaktion Taiji Forum
Bilder: Taiji Forum