Qigong, Taijiquan und Daoismus: „Mit den passenden Schuhen vergißt man die Füße – Ein Zhuangzi-Lesebuch“ von Henrik Jäger – Eine Leseempfehlung
Spontan scheint der Daoismus für die meisten modernen Westler zugänglicher zu sein als der Konfuzianismus, der allgemein mit Riten, Regeln und strengem Patriarchat – mit Sittenstrenge und Mühsamkeit – assoziiert wird. Der Daoismus hingegen, der den meisten Menschen zunächst anhand von bunten Zitaten aus dem Daodejing bekannt wird, begeistert mit seiner Rätselhaftigkeit und Verspieltheit. Überall werden Fragen aufgeworfen, Denkanstöße gegeben.
Das Buch, das dies auf die Spitze treibt und damit als das vielleicht schwierigste philosophische Werk Chinas gilt, ist Zhuangzi – Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Henrik Jäger, Sinologe und selbst Taiji-Praktizierender, hat sich in seinem Buch „Mit den passenden Schuhen vergißt man die Füße – Ein Zhuangzi-Lesebuch“ eingehend mit den darin enthaltenen teils fragmenthaften Textabschnitten beschäftigt, diese übersetzt und thematisch zusammengestellt. Es entsteht ein Lesebuch mit Querbezügen und ergänzenden Kommentaren, welches zum Stöbern einlädt und gerade für praktisch Interessierte kaum einen Wunsch offen lässt.
Die Struktur des Buches ist so ungewöhnlich wie sein Gegenstand. Dank der kurzen in sich schlüssigen Abschnitte kann die Lektüre überall begonnen werden. Mittels eines Stichwortverzeichnisses kann man direkt zu den enthaltenen Gleichnissen und Bildern gelangen und erst einmal ein Gefühl für den Text entwickeln, bevor man sich der inhaltlichen Einführung, den Informationen zur Geschichte des Werkes oder der Herangehensweise des Zhuangzi widmet, die auf den ersten 90 Seiten informativ, aber nie technisch-trocken dargestellt werden. Ein Anhang macht chinesische Kommentare zu den zentralen Stellen des Textes zugänglich und ergänzt Erläuterungen zu den chinesischen Begriffen.
Die „Pflege des Lebens“ als praktischer Wegweiser des Übens
Der Kern des Buches – das eigentliche Lesebuch – ist nach Oberthemen gegliedert und bildet das ganze Spektrum der Lebensphilosophie ab: Wandlung, Wissen, Nützlichkeit, Entwicklung, das Wandern, das Diskutieren, die Pflege des Lebens und die Sicht der Welt werden in den einzelnen Abschnitten anhand verschiedener Ausschnitte aus den Originaltexten mit anschließender kurzer Deutung behandelt.
Der Schwerpunkt des Buches liegt dabei auf einer doppelten Einführung: erstens in die Art und Weise, die einzelnen Texte zu lesen, sodass sie zu lebendiger Philosophie werden, und zweitens in die reichhaltige Bilder- und Gedankenwelt des Zhuangzi. Der Autor lädt dabei kein theoretisches akademisches Wissen ab, sondern schafft aktuelle gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Bezüge, die das Eintauchen in diese alte-neue Welt des Zhuangzi zu einem spannenden Leseerlebnis machen.
Für die Praktizierende der chinesischen Bewegungskünste ist insbesondere das Kapitel zur Pflege des Lebens („Mit allen Dingen im Frühling sein“) von unmittelbarem praktischen Wert. Zhuangzi ist der erste Philosoph, der den Ausdruck Yangsheng (Nähren des Lebens) benutzte. Mittels dieses Gedankens der Pflege des Lebens zeichnet er uns einen Weg des Lebens (und Übens) vor, und zwar auf eine Weise, die konkret genug ist, dass man in ihrem Geiste eigene Ideen und Handlungsweisen entwickeln kann, aber zugleich abstrakt genug bleibt, um eine zu enge Orientierung der Praxis an eisernen Prinzipien zu vermeiden.
Allen, die sich über die Frage des Übens hinaus mit dem Rätsel beschäftigen wollen, wie Fluss und Harmonie nicht nur in der Übung selbst, sondern auch im Umgang mit Mitmenschen oder der Natur erreicht werden könnten, sei das Buch sehr empfohlen. – Aber Vorsicht: Wer vorgestanzte Lösungsvorschläge erwartet, wird enttäuscht! Wer hingegen bereit ist, eine neue Denkweise für sich zu entdecken, der wird zahlreiche Anregungen für die eigenständige praktische Auseinandersetzung mit diesen Fragen finden.
Autor: Redaktion Taiji Forum
Bilder: Henrik Jäger
Henrik Jäger
Mit den passenden Schuhen vergisst man die Füße. Ein Zhuangzi-Lesebuch
Das Werk des Zhuangzi bildet gemeinsam mit Menzius’ Werk die höchste Blüte chinesischer Philosophie – ein Denken, in dem Intuition und Rationa- lität, Dichten und Denken, Spiel und Ernst eine einzigartige Einheit bilden. Im Zentrum des Zhuangzi steht die wechselseitige Verbundenheit aller Lebewesen, ihre Würde und ihre Sehnsucht nach dem größeren Lebens- zusammenhang. Genau dieser werde durch das erkaltete Gefühl eines »Maschinenherzens« gefährdet, das seine Entscheidungen nur nach dem »Nutzen« fällt. Damit berührt dieses über 2000 Jahre alte, von Henrik Jäger hier in einem klassischen Lesebuch vorgestellte Werk, das wegen seiner literarischen Schönheit und paradoxen Weisheit Generationen chinesischer Gelehrter begeistert hat, den Kern unserer materialistischen Gegenwart und bietet unvermutete Denkausgänge.
circa 300 Seiten, gebunden,
mit Schutzumschlag
€ 28,00 (d) / € 28,80 (a) / sFr 34,80 Erscheint am 2.Februar 2018
isbn 978‐3‐95757‐514‐2