Rujing

Interview mit Faye Yip Teil 1 - Zukunftspläne

Eintreten in die Stille – Rujing

Wuji

Heute möchte ich ein wenig über das sogenannte „Rujing – Eintreten in die Stille“ schreiben, weil es eine enorme Bedeutung für die Effektivität des Qigongübens hat. Es gibt 3 Stufen des Eintretens in die Stille, Rujing, Ruding und Ruwa, die in der genannten Reihenfolge unterschiedlich tief in Körper, Qi und Geist hinein wirken, entspannen und auflösen.

Ich möchte hier ausführlicher auf den ersten Aspekt des Still-Werdens, das Rujing, eingehen. Zu Beginn jeder Übungspraxis sollen wir unseren Körper entspannen und unseren Geist ruhig werden lassen. Und wie dies aussieht, ist abhängig von der jeweiligen Situation, in der ich mich gerade befinde und sollte entsprechend berücksichtigt werden. Üben Sie nicht immer dasselbe, gewohnte Programm, wenn Sie doch in ganz unterschiedlichen körperlichen als auch emotionalen Situationen anfangen zu üben.
Es ist irgendwie amüsant, wenn wir beispielsweise in Filmen sehen, das sich ein Ehepaar gerade wahnsinnig zofft und sie (meistens ist sie es…weil die Frauen zumeist offener für energetische Aspekte sind) dann ins Schlafzimmer rennt und sich in eine Meditationshaltung auf das Bett setzt und OM sagt…wutentbrannt…;-)! So können wir nicht meditieren und auch kein Qigong oder Taijiquan üben, mit einer riesigen Wut im Bauch. Wenn es wirklich so extrem ist, kann man beispielsweise die Fajin-Bewegungen (Kraftentladung) des Taijiquan nutzen, um sich abzureagieren. oder wir gehen zunächst Holz hacken und anschließend Qigong üben.
Oder, was selbstverständlich auch geht, wir üben und schauen uns unsere Wut genau an. Wir untersuchen sie. Wo kommt sie her? Warum bin ich so wütend geworden? Was ist durch die äußere Situation mit meinem Partner im Inneren bei mir so berührt worden? Dies sind ganz spannende Fragen und diese Betrachtung ist übrigens ein Teil des Prozesses der „Kultivierung des Herzens“, welches ja ein ebenfalls sehr, sehr wichtiges Qigong-Prinzip darstellt und eigentlich die erste Aufgabe im Qigong ist: sein Herz kultivieren. Ich werde darauf in weiteren Artikeln immer wieder eingehen, weil es der Hauptaspekt des Qigong ist. Festzustellen bleibt, dass eine neugierige Untersuchung meiner Emotionen und deren Wurzel zum Üben von Qigong, Taijiquan oder Meditation dazu gehört und einen Teil dieser Methoden darstellt.
Generell sollten wir zu Beginn den Körper lockern. Schütteln ist eine sehr wirkungsvolle Methode. Schütteln und Loslassen, sich befreien vom Alltag durch Herausschütteln und das Zerfließen-Lassen  von allem, was in uns Schwere verursacht. Oder aber eine Qigongübung wie „Himmel und Erde verbinden“ üben. Die Idee ist diesselbe wie bei der vorherigen Übung. Wir entspannen, lassen los, lassen alles Schwere, alles Vergangene ziehen und kommen so langsam zur Ruhe. Wir können dies mit dem Ausatmen und entsprechenden Bildern/Vorstellungen wie beispielsweise einer inneren Dusche verbinden.
Wir beziehen unseren Geist, unsere Aufmerksamkeit mit ein, damit auch dieser schon beginnt, sich zu entspannen und im Jetzt, im Moment ankommen kann. Diese Ausrichtung des Geistes ist sehr wichtig. Wir sind im Moment, wir beobachten einfach nur unser Tun, unser Üben oder wir unterstützen die Situation, die wir gerade körperlich leben nicht nur durch einfache Aufmerksamkeit, sondern eben durch gezielte Förderung über Visualisierungen, Bilder, Vorstellungen. Diese Visualisierungen sollten allerdings ohne große, vor allem intellektuelle Anstrengung geschehen. Wir sollen die Dinge, die wir tun wollen, die Bilder, die hilfreich sein sollen nicht denken, sondern einfach durch leichte Wahrnehmungs-Impulse zur „Realität“ werden lassen, sie entstehen lassen (Hier wird der Aspekt von „Yi“ angesprochen, den ich in einem gesonderten Beitrag thematisieren werde). Und die Gedanken, die weiterhin erscheinen mögen, lassen wir so wie sie sind. Wir springen nicht auf sie auf, wir machen nichts mit ihnen, wir wollen sie auch nicht verdammen oder verjagen, wir lassen sie einfach los und ziehen. Wir beobachten aber beteiligen uns nicht. Und wenn dies doch geschieht, was zu Beginn ganz normal ist, dann beenden wir dies, sobald wir es bemerken und kehren zur reinen Beobachtung zurück.
Dieser Prozess des Still-Werdens, des Eintretens-in-die-Stille ist wichtiger als das Üben von Übungen! Nur in der Stille, nur mit einem ruhigen Herzen erreichen wir Effekte und nur dann entstehen die gewünschten und gesuchten Ergebnisse. Und sie können nicht erzwungen werden, sondern wir müssen ihnen Raum geben, damit sie sich entfalten können. Und in das, worin wir dann eintauchen lassen, das wird oft auch als Qi-Feld bezeichnet. Es ist die Leinwand für alle Bilder des Lebens, es ist die Grundlage aller Töne und Laute, aller Bilder und Ereignisse, die wir dann Leben nennen. Und sie alle sind eingebettet in Stille.

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Autor: Joachim Stuhlmacher

Fotos: Loni Liebermann