Gesund durch Taijiquan, Qi Gong, Yoga und Co.

Philosophie

Einige stil- und methodenübergreifende Prinzipien und praktische Anregungen

Taijiquan, Qi Gong, Yoga

Der Wunsch, die eigene Gesundheit ganzheitlich zu bewahren bzw. wiederherzustellen, ist wahrscheinlich das häufigste Motiv für Menschen, um Taijiquan, Qi Gong, Yoga und andere Übungswege zu erlernen.
Daher ist es wichtig zu verstehen, wie dieser gesundheitliche Nutzen sich auch möglichst gut einstellen kann. Dieser Artikel soll grundlegende und alle Übungswege verbindende Prinzipien thematisieren, die unabhängig von der genauen Art des angestrebten gesundheitlichen Nutzens und der geübten Disziplin wichtig zu kennen und in der Praxis zu beachten sind, damit Taijiquan, Qi Gong und Yoga ihre gesundheitliche Wirkung entfalten können.
Gesundheit möchte ich in diesem Artikel als eine ganzheitliche Leistungs- und Belastungsfähigkeit aller unserer Organsysteme verbunden mit geistiger Wachheit, emotionaler Ausgeglichenheit sowie einem subjektiv empfundenen Zustand von Wohlbefinden, Zufriedenheit und Glück verstehen. 
Dies schließt natürlich die Freiheit von körperlichen und geistig-seelischen Leiden und Krankheiten ein.
Manche Anhänger haben eine Art Allheilserwartung bezüglich der Praxis des Taijiquan, Yoga und Qi Gong. Es ist jedoch keineswegs so, dass die Praxis uns zwangsweise, quasi von selbst und in jedem Fall, gesund macht! 
Es ist wichtig genau zu wissen, worauf es in der Praxis ankommt und welche weiteren Faktoren außerhalb der Übungspraxis noch berücksichtigt werden müssen, damit sich wirklich gute und nachhaltige gesundheitliche Effekte einstellen oder sogar spezifische Krankheiten geheilt werden können.
Welche Faktoren begünstigen also eine tiefgreifende gesundheitliche Wirkung unserer Übungswege?
Ich habe im Folgenden einige wesentliche Aspekte zusammengestellt, die weit über den engen Rahmen der (körperlichen) Übungspraxis hinausgehen, meiner Meinung nach aber sehr wichtig sind:

Beginnen Sie bei ihrem Herzen
Praxistipp 1
Klären Sie ihren Geist
Praxistipp 2
Stärken Sie Ihre Energie
Praxistipp 3
Üben Sie Ihren Körper regelmäßig, ausgewogen und sachgerecht
Praxistipp 4
Gestalten Sie Ihren Alltag gesundheitsförderlich
Praxistipp 5
Finden Sie eine gute Umgebung
Praxistipp 6
Finden Sie einen guten Lehrer
Praxistipp 7
Schlussbetrachtung

Beginnen Sie bei ihrem Herzen

Wuji

Einer der wesentlichsten gesundheitlichen Risikofaktoren in der heutigen westlichen Gesellschaft ist psycho-sozialer Stress.
Dieser entsteht aus einem Zusammenwirken unserer inneren Einstellung zu uns und der Welt (Werte, Motive, Glaubenssätze) mit dem grundlegenden Zustand unseres Nervensystems (Erregungsbereitschaft) und unseres Körpers (Leistungs- und Belastungsfähigkeit) mit den Anforderungen unserer Lebensumwelt (äußere Anforderungen).
Eine Lebenssituation, die den einen Mensch unter Druck und Stress setzt, berührt einen anderen Menschen überhaupt nicht. Der Unterschied liegt in der unterschiedlichen Ausprägung der inneren Faktoren Einstellung, Erregungsbereitschaft und Leistungs- und Belastungsfähigkeit.
Während z.B. ein eher unsicherer Mensch auf Kritik mit starkem Stress reagieren kann, kann sie ein selbstsicherer Mensch häufig gelassen annehmen.
Während eine herausfordernde Arbeitssituation einen wenig erregungsbereiten und gut belastbaren Menschen häufig wenig berühren wird, kann sie für einen sehr erregungsbereiten und wenig belastbaren Menschen zu einem großen Stressfaktor werden.
Unsere Leistungs- und Belastungsfähigkeit kann z.B. durch körperliches Training gut verbessert werden.

Wenn wir langfristig gut mit den vielfältigen Anforderungen unseres modernen Lebens umgehen und so der Entstehung von negativem Stress vorbeugen wollen, müssen wir aber auch unsere innere Einstellung und damit unsere Werte, Motive und inneren Glaubenssysteme prüfen und ggf. korrigieren.

Viele Menschen, die sich mit östlichen Übungswegen beschäftigen, kennen das Phänomen: Unsere Übungen bringen uns in einen Zustand von innerem Frieden, Gelassenheit und Wohlbefinden, aber unser Alltag raubt uns diese Schätze wieder Stück für Stück.
Häufig wird die Ursache dann in den äußeren Faktoren, wie z.B. der Arbeitssituation oder anderen Menschen gesehen.
Diese Sichtweise lässt aber außer Acht, dass äußere Faktoren nur im Zusammenspiel mit den oben beschriebenen inneren Faktoren zu Stress und Überbelastungen führen können.
Und diese inneren Faktoren unterliegen zum ganz erheblichen Teil unserem Einfluss!

Wie wäre es, wenn dieselbe Situation, die Sie jetzt noch zur Weißglut bringt, Sie durch eine innere Veränderung kaum mehr berühren würde?
Was wären die Folgen? Nicht nur, dass Sie sich im Alltag besser und entspannter fühlen und die Beziehungen zu anderen Menschen entspannt würden, sondern die Notwendigkeit, den psychischen Alltagsstress durch Übungen auszugleichen, würde erheblich reduziert.

Gelassenheit und innerer Frieden können aber durch körperliche Übungen, Atemtraining oder einfache stille Meditation nur begünstigt, nicht aber dauerhaft stabil erreicht werden.
Nur die Veränderung unserer inneren Einstellung zum Leben und zu uns selbst, unserer Werte und Glaubenssätze und damit eng verbunden unserer emotionalen Reaktionsmuster kann uns dauerhaften Frieden und innere Gelassenheit bringen.
Auch die Frage, ob wir die uns bekannten gesundheitsförderlichen Faktoren, wie z.B. Ernährung, Bewegung, Entspannung, psychische Ausrichtung, etc. für uns tatsächlich praktisch nutzen oder nicht, hängt von unserer Motivation und damit von unserer inneren Einstellung und unseren Werten ab.

Dieser Bereich unserer Motive, inneren Einstellung, Werte, Überzeugungen und emotionalen Muster wird in der chinesischen Weisheitstradition dem Herzen zugeordnet.
Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass unsere eigene Lebensgeschichte in unserem Körper gespeichert wird. 
Erleben wir belastende Situationen und können die daraus resultierenden negativen Gefühle und Emotionen nicht gut verarbeiten, so speichern sich diese Informationen in unserem Körper ab und können fortan das leib-seelische Gleichgewicht stören und nach und nach auch zu Erkrankungen führen.
Je mehr solcher gespeicherter Lasten wir in uns haben, desto höher ist unsere innere Stressbelastung und desto weiter entfernen wir uns von Stille und Frieden in unserem Leben.
Auch dieser Bereich des Körper- bzw. Zellgedächtnisses wird in der chinesischen Tradition unserem „Herzen“ zugeordnet.

So wird auch eine alte chinesische Weisheit verständlich, die besagt: Willst Du den (Übungs-) Weg beschreiten, so reinige zuerst Dein Herz!
Die Reinigung des Herzens bezieht sich auf die bewusste Prüfung und Korrektur unserer inneren Einstellung zu uns und zum Leben und damit unserer Werte, Motive und Glaubenssätze ( ) sowie auf die Auflösung der in uns gespeicherten negativen emotionalen und geistigen Erinnerungen.
Nur so können wir stabil Ruhe und Frieden finden, der Entstehung von Stress ursächlich entgegenwirken und einen wirklich tiefgreifenden Nutzen aus unseren körperlichen oder energetischen Übungen ziehen.

Eine Übungspraxis, die diese Zusammenhänge jedoch nicht berücksichtigt, kann nicht dauerhaft zu Gesundheit führen, da die tieferen Ursachen der Beschwerden nicht beseitigt werden.

Daher verfügen alle fundierten östlichen Übungswege über Methoden, um diese Lasten in uns aufzuspüren und zu neutralisieren.

Im Neidan Gong der daoistischen Drachentorschule verwendet man hierzu z.B. spezielle Meditationsformeln und eine spezielle geistige Ausrichtung in der Lebenspraxis.

Praxistipp 1: Richten Sie sich geistig positiv aus und befreien Sie sich von emotionalen Altlasten

Nehmen Sie sich in einem ungestörten Augenblick etwas Zeit und begeben Sie sich in einen Zustand möglichst tiefer Ruhe. Beantworten Sie sich dabei folgende Fragen möglichst ehrlich selbst:
1. Was für Ziele verfolge ich in meinem Leben? Inwieweit sind diese mit dem Ziel gesund zu 
 sein vereinbar?

2. Welche inneren Überzeugungen habe ich bezüglich meiner Gesundheit und meiner 
 Fähigkeit, sie zu erlangen bzw. zu erhalten? Unterstützen oder behindern mich diese 
 Überzeugungen auf meinem Weg?
3. Habe ich in meinem Leben belastende Situationen erlebt? Bin ich beim Gedanken an diese 
 Situationen mittlerweile wirklich in innerer Ruhe und Frieden angekommen?
4. Inwieweit habe ich Ruhe und inneren Frieden für mich (im Alltag) erreicht?

Klären Sie ihren Geist

Geist

Der zweite wichtige Punkt betrifft unseren geistigen Zustand.
Es reicht nicht, sich einfach nur auf den Übungsweg zu machen, man muss auch die Richtung und die entscheidenden Wegmarken kennen, um am Ziel Gesundheit anzukommen.
Mit anderen Worten: Wir müssen wissen, wie wir unser Ziel erreichen. Dies ist die Domäne unseres Geistes (chin. Yi).
Je wacher und klarer unser Geist ist und je tiefer unser Wissen über die innere Struktur und die Ursachen unserer Gesundheit und etwaiger Gesundheitsprobleme sind, desto leichter und effektiver können wir unser Ziel erreichen.
In der chinesischen Überlieferung sagt man, man müsse zuerst die Prinzipien einer Sache verstehen (chin. Yi Li), um sie dann zu meistern.
So ist es ja auch kein Wunder, dass sowohl das Studium der westlichen ( ) als auch der Traditionellen Chinesischen Medizin mit der Vermittlung eines umfangreichen Wissens zur Entstehung von Krankheit und Gesundheit beginnt.
Wissen ist natürlich kein Ersatz für die Praxis, aber eine notwendige Voraussetzung, um mit der Praxis etwas erreichen zu können.

Viele Übende gleichen hier einem Wanderer, der in dunkler Nacht ( ) ohne Licht und Karte durch einen Wald irrt und sich dann vielleicht auch noch wundert, dass er nirgends oder woanders als geplant ankommt. 
Natürlich kann man auch auf diesem Weg Erfahrungswissen sammeln. Wenn man aber daran interessiert ist, ohne große Umwege und Schwierigkeiten zum Ziel zu kommen, dann ist es sinnvoller, sich zuerst gut zu informieren.

Verstehen und Tun sind hier zwei Aspekte von Yin und Yang, die untrennbar miteinander verbunden sind. Verstehen ermöglicht hilfreiches Tun und Tun führt zu vertieftem Verstehen.

Die erste wichtige Frage ist, welches Problem überhaupt auf welcher Ebene vorliegt bzw. vermieden werden soll. Es braucht also zuerst eine Diagnose. 
Wichtig ist dabei zu beachten, dass die asiatischen Übungswege und die hinter ihnen stehenden Medizinsysteme zum Teil ein anderes und meiner Ansicht nach weitergehenderes Verständnis zur Entstehung von Krankheit und Gesundheit als die westliche Medizin haben.
Dieses sollte, wenn möglich, in der Praxis berücksichtigt werden.

Dann müssen wir verstehen, mit welchen Methoden und auf welche Art wir hier einen Einfluss haben können.
Spezifische Probleme brauchen hierbei in der Regel Lösungen in Form von spezifischen Übungen und Übungsmethodiken. In diesem Punkt unterscheiden sich die östlichen Übungswege nicht von der westlichen Medizin!
Genau wie niemand auf die Idee käme, für jede Erkrankung dasselbe Medikament einzunehmen, ist es wenig sinnvoll, für alle Probleme dieselben Übungen und Übungsmethodiken zu verwenden.
Was einem bei einem Bandscheibenproblem hilft, muss nicht unbedingt auch bei einer Erkältung oder einem Stressproblem helfen.
Natürlich kann nicht jeder Übende zu einem Gesundheitsexperten werden, daher ist es in diesem Punkt häufig wichtig, den Rat eines gut ausgebildeten und erfahrenen Experten einzuholen, um die eigene Situation und die daraus resultierenden Möglichkeiten besser einschätzen zu können und sich im Idealfall ein individuelles Übungsprogramm zusammenstellen zu lassen.

Praxistipp 2: Entwickeln Sie einen wachen und offenen Geist

Machen Sie sich einmal in einer ruhigen Minute Gedanken zu folgenden Fragen:
1. Welche geistigen, emotionalen, seelischen, energetischen, körperlichen oder sozialen 
 Faktoren machen mich krank oder lassen mich in meiner individuellen Situation gesund 
 bleiben?

2. Welchen Einfluss kann ich mit welchen Methoden auf diese Faktoren nehmen?
3. Wie müssen diese Methoden angewendet werden, um wirksam zu sein?
4. An welchem Punkt komme ich selbst nicht weiter und brauche den Rat und die 
 Unterstützung eines Experten?

Stärken Sie Ihre Energie

Der beste Übungsplan nützt nichts, wenn uns die Energie fehlt, ihn umzusetzen!
Überhaupt ist ein Energiemangel an sich schon eine häufige eigenständige Krankheitsursache in unserer westlichen Welt.
Hohe Ansprüche an unsere eigene Arbeit, eine starke Konkurrenz, die Überbetonung von Aktivität und die Beschleunigung unseres Lebens sind Faktoren, die viele Menschen an die Grenzen ihrer Leistungs- und Belastungsfähigkeit bringen.
Der Einfluss, den der Einzelne auf diesen Lebensstil hat, ist häufig bei weitem größer als man denkt. Hier gilt es, das eigene Verhalten und die eigene Einstellung kritisch zu hinterfragen.

Abgesehen davon kann die Beachtung einiger wichtiger Faktoren nicht nur das Energieniveau erheblich erhöhen, sondern auch einige wichtige Krankheitsursachen direkt neutralisieren:

Genug Sauerstoff: In allen traditionellen asiatischen Übungssystemen wird der Schulung des Atems eine große Bedeutung beigemessen. 
Dies hat neben der damit verbundenen Veränderung des geistigen Zustandes die einfache Bedeutung, dass uns nur mit einer guten und funktionalen Atmung genug Energie in Form von Sauerstoff zur Verfügung steht. 
Blockaden in der Atmung und ein gewohnheitsmäßiger Aufenthalt in geschlossenen Räumen können unser Energieniveau erheblich senken. 
Es ist daher empfehlenswert, seine Atmung zu schulen und sich viel an der frischen Luft aufzuhalten, bzw. wenn möglich dort seine Übungen zu absolvieren.

Gute Ernährung: Die Höhe unseres Energieniveaus und letzten Endes auch die Qualität unserer Körperstrukturen hängt entscheidend davon ab, welche Stoffe wir ihm in welcher Qualität durch unsere Ernährung als Grundlage für seine Funktion zur Verfügung stellen. 
Hierbei ist es wichtig, auf eine möglichst natürliche (d.h. wenig verarbeitete), vitalstoffreiche und der individuellen Konstitution und Situation angemessene Ernährungsweise zu achten. 
Die traditionelle chinesische Ernährungslehre nach den 5 Elementen hält hierzu z.B. viele gute Anregungen bereit.
In der heutigen Zeit ist es außerdem wichtig darauf zu achten, möglichst wenige Giftstoffe und Chemikalien mit der Ernährung zu sich zu nehmen, die langfristig unserer Gesundheit schaden können.
Ausreichend Aktivität: Ein ausreichendes Maß an Bewegung (am besten an der frischen Luft) ist in unserer Gesellschaft für viele Menschen ein Schlüsselfaktor für eine gute Gesundheit. Die Bewegung muss dabei so ausgewählt werden, dass sie die Alltagsbelastungen ausgleicht.
Dies bedeutet auch, dass jedes Übungsprogramm in der Regel auch körperlich aktive und in angemessenem Umfang anstrengende Übungen enthalten muss, bzw. dass die körperlichen Belastungen des Berufs- und Alltagslebens dadurch sinnvoll ausgeglichen werden müssen.
Ausreichend Erholung: Genug Schlaf, Pausen, arbeitsfreie Wochenend- und Urlaubszeiten sowie Muße sind ein weiterer wichtiger und unverzichtbarer Faktor, um unser Energieniveau hoch zu halten und unsere Gesundheit zu bewahren bzw. wiederherzustellen.
Positive Erlebnisse: Tun Sie jeden Tag Dinge, die sie lieben, die Sie begeistern und die Sie motivieren. Umgeben Sie sich mit positiven und vitalen Menschen. Nur so können Sie Ihre physiologische Energie auch nutzen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass unsere verfügbare Energie dadurch entsteht, dass wir uns nach einer angemessenen Belastung lange genug ausruhen und dabei auf möglichst gute Nährstoffe zurückgreifen können, um unsere Energiedepots aufzufüllen und unsere Körperstrukturen zu regenerieren.
Verfügen wir dann über genug Sauerstoff und sind positiv motiviert, steht einer vollen Entfaltung unserer Energie nichts mehr im Wege!

Praxistipp 3: Stärken Sie Ihr Energieniveau

Fragen Sie sich ( ) aus einem Zustand geistiger Stille heraus:
1. Schätzen Sie Ihr Energieniveau selbst ein. Reicht es aus, um alles das, was Ihnen wichtig ist, zu erreichen und dabei gesund und glücklich zu sein? Möchten Sie dort etwas ändern?
2. Prüfen Sie inwieweit Ihr aktueller Lebensstil dazu beiträgt und ob Sie ggf. ungünstige Lebensgewohnheiten aus Ihrem Umfeld (unbewusst) übernehmen.
3. Bewegen Sie sich ausreichend und für Sie angemessen fordernd und regelmäßig an der frischen Luft.
4. Absolvieren Sie ein Atemtraining und integrieren es in Ihre Tagesroutine.
5. Überprüfen Sie Ihre Ernährung und die Auswirkungen auf Ihre Gesundheit.
6. Schlafen Sie genug und planen ausreichend Erholungspausen im Alltag ein.
7. Verbringen Sie jeden Tag mit Dingen, die Sie Freude erleben lassen und motivieren.

Üben Sie Ihren Körper regelmäßig, ausgewogen und sachgerecht

Betrachten wir nun die körperliche Übungspraxis. Worauf ist dabei zu achten und was gilt es zu vermeiden, wenn wir gesund sein oder werden wollen?
Ein wichtiger Punkt ist Wertschätzung unseres Körpers und seiner Gesundheit und damit untrennbar verbunden die Achtung seiner natürlichen Funktionsprinzipien und Grenzen. 
Wir haben in diesem Leben nur diesen einen Körper und auch wenn er sich von vielerlei Beschwerden und Beeinträchtigungen durch seine Selbstheilungskräfte heilen kann, so sind diesen Selbstheilungskräften doch meist Grenzen gesetzt.
Benutzen wir unseren Körper auf eine ihm nicht angemessene Weise, so werden die unausweichlichen Folgen früher oder später Krankheit und Gebrechen sein, die uns auch wiederum seelisches Leiden bringen und damit unser ganzes Lebensglück und die Erreichung unserer Lebensziele gefährden können.

Qigong-Übungen

Beispiele für die nicht angemessene Benutzung unseres Körpers gibt es viele. 
So führt z.B. die Nichtbeachtung und mangelnde Benutzung des Körpers bei körperlich inaktiv lebenden Menschen früher oder später unausweichlich zu (körperlicher) Degeneration und damit zu Krankheit und Leiden. 
Genauso führt die längerfristige Überbeanspruchung und mangelnde Regeneration unseres Körpers, z.B. durch Sport und Arbeit, unausweichlich zu Verschleiß und Burnout, denn der Leistungs- und Belastungsfähigkeit unseres Körpers sind selbst bei den stärksten Menschen Grenzen gesetzt. 
Aber selbst wenn wir uns vor diesen beiden Extremen schützen, so gibt es genug Fälle, in denen eine zwar ausgewogene, aber nicht sachgerechte Be- und Entlastung unseres Körpers zu gesundheitlichen Problemen geführt hat.
So können selbst an sich sanfte Methoden, wie Taijiquan, Yoga und Qi Gong, unter bestimmten Umständen zu Gesundheitsproblemen führen, wenn sie nicht sachgerecht und an den individuellen Menschen optimal angepasst ausgeführt werden.
So finden wir in der Praxis nicht selten Fälle von Lendenwirbelbeschwerden durch Yoga und Knieproblemen durch die Taiji-Praxis. 
Es sind dabei aber nicht die Methoden an sich, die diese Probleme auslösen, sondern meist der zu starke Ehrgeiz und die daraus resultierende Nichtbeachtung der individuellen Leistungs- und Belastungsgrenzen oder eine Unkenntnis der korrekten Übungsausführung!

Es ist wichtig, alle Organ- und Funktionssysteme unseres Körpers durch das Training ausgewogen zu stimulieren. 
Dies bedeutet, dass ein gutes Training sowohl für den äußeren Aspekt unseres Körpers, wie Muskeln, Faszien, Knochen und Gelenke als auch seine inneren Aspekte, wie innere Organe, Nervensystem, Atmung und Durchblutung angemessene Reize bereithalten muss.
Dies kann naturgemäß nicht durch einige wenige Übungen, sondern nur durch ein umfassenderes und gut aufeinander abgestimmtes Übungsprogramm verschiedener spezieller Übungen geschehen.
Gerade im Wissen um diese inneren Aspekte unseres Körpers haben die asiatischen Übungswege, wo sie korrekt und umfassend erlernt werden können, meiner Ansicht nach einen großen Vorsprung gegenüber den Ansätzen des westlichen Sports.

Alle unsere Organsysteme verfügen über komplementäre Funktionen, die nur in ihrem wohl abgestimmten Zusammenwirken unser Leben und unsere Gesundheit ermöglichen.
In China beschreibt man dies mit dem Taiji-Prinzip, dem Prinzip der harmonischen Balance und Interaktion von Yin und Yang.
So können uns unsere Muskeln z.B. nur deshalb bewegen, weil sie gleichermaßen die Fähigkeit zur Anspannung (Yang) wie auch Entspannung (Yin) haben.
Sowohl ein Übermaß an An- wie auch an Entspannung wird unweigerlich zu Problemen führen!
Dies bedeutet ganz praktisch, dass in einem ausgewogenen Übungsprogramm für unsere Gesundheit gleichermaßen die Fähigkeit zur An- und Entspannung unserer Muskeln geschult werden muss. Der Schwerpunkt kann dabei aber, je nach individueller Konstitution und Lebenssituation, unterschiedlich gesetzt sein.
Die starke Betonung der Entspannungskomponente (Yin Aspekt) in vielen zeitgenössischen Ausprägungen von Taijiquan, Yoga und Qi Gong ist wohl darauf zurückzuführen, dass das Leben in unserer modernen westlichen Gesellschaft mit einem hohen Maß an Stress und damit Anspannung verbunden ist. 
Daher steht häufig am Anfang der Praxis die Kompensation dieser Spannungen bei vielen Menschen im Vordergrund.
Wichtig ist aber zu wissen, dass wir auf Dauer nicht gesund und belastbar sein können, wenn wir nicht auch unsere Yang Aspekte, wie z.B. unsere Kraft, auf eine angemessene Art und Weise schulen.
Wir sind dann gesund, wenn Yin und Yang in Form der verschiedenen komplementären Funktionen unseres Körpers und Geistes im Gleichgewicht sind!
Dies ist keine Philosophie, sondern das natürliche Gesetz, nach dem wir funktionieren.

Wahrscheinlich ist vielen Menschen nicht bewusst, dass wir in modernen westlichen Gesellschaften trotz des erreichten Wohlstandes in vielerlei Hinsicht unter ungünstigen Bedingungen leben. 
Dies liegt daran, dass sich unser Körper über Jahrmillionen der Evolution an das Leben und Überleben in einem anderen Umfeld angepasst hat. 
So verlangt ein gesundes Umfeld dem Menschen u.a. täglich ein angemessenes Maß an körperlicher und geistiger Aktivität (Yang Aspekt) ab, erlaubt ihm aber auch eine tiefgreifende Erholung durch ausreichenden Schlaf und Pausen (Yin Aspekt).
Da diese Grundbedingungen heute für viele Menschen nicht mehr gegeben sind, bleibt uns häufig keine andere Wahl, als unseren Lebensstil durch ein angepasstes körperliches und geistig-seelisches Übungsprogramm zu balancieren.
Und dieses müssen wir dann, so lange diese ungünstigen Bedingungen herrschen, aufrechterhalten, wenn wir gesund sein wollen.
Wie Sie sehen, bleibt uns bei gesundem Menschenverstand in der Regel keine Alternative zur sehr regelmäßigen, wenn nicht sogar täglichen Absolvierung eines Übungsprogramms.
Die aktive Fürsorge für unseren Körper ist und bleibt für alle Menschen, die gesund und glücklich leben wollen, eine lebenslange Aufgabe!

Die Konsequenz dieser Ausführungen ist, dass wir nur dann gesund sein können, wenn wir regelmäßig und mit Freude ein ausgewogenes Training absolvieren, in dem sowohl Unter- als auch Übertreibungen vermieden werden und das sich an den natürlichen Funktionsprinzipien unseres Körpers orientiert, alle wichtigen Organsysteme angemessen stimuliert und an den individuellen Menschen und seine Eigen- und Besonderheiten optimal angepasst ist.

Praxistipp 4: Üben Sie Ihren Körper regelmäßig, ausgewogen und sachgerecht


1. Üben Sie regelmäßig, besser täglich zu festen Zeiten und finden Sie dabei eine gute und fordernde 
 Motivation, aber vermeiden Sie übermäßigen Ehrgeiz.


2. Fordern und erholen Sie sich in allen Bereichen Ihres (körperlichen) Selbst ausgewogen. 
 Vermeiden Sie dabei sowohl Unter- als auch Übertreibungen. 


3. Stimulieren Sie alle Organ- und Funktionssysteme Ihres Körpers und deren komplementäre 
 Funktionen, indem Sie sich ein abwechslungsreiches Programm zusammenstellen, in dem z.B. 
 Kraft/Muskulatur, Ausdauer/Herzkreislaufsystem, Beweglichkeit/Faszien, Haltung/Gelenke und 
 Knochen, Energie/Atmung, Regeneration/Parasympathikus, Motivation/Sympathikus, innere Stille 
 und Körperbewusstheit gleichermaßen gefordert werden.


4. Stellen Sie sicher, dass Sie Ihr Übungsprogramm sach- und gesundheitsgerecht durchführen.
 Bei Unklarheiten informieren Sie sich oder lassen sich von einem Experten beraten.


5. Haben Sie ggf. Ihre eigenen körperlichen Schwachstellen im Blick und prüfen Sie, ob Ihr 
 Übungsprogramm daran angepasst werden muss.

Gestalten Sie Ihren Alltag gesundheitsförderlich

Für viele Übende sind Übungen ein Ausgleich für einen aus dem Gleichgewicht geratenen Alltag. 
Dies hat auch durchaus dort seine Berechtigung, wo wir unseren Alltag gerade nicht ändern können oder wollen. Sollte dies der Fall sein, so müssen wir uns gut überlegen, welche Belastungen unser Alltag mit sich bringt und wie wir sie durch die Übungen am besten ausgleichen können.
So können wir häufig unseren Gesundheitszustand auch in schwierigen oder belastenden Lebensphasen oder Situationen aufrechterhalten.
Sollten wir jedoch gravierendere gesundheitliche Probleme haben oder mit dem Gefühl, durch die Übungen einen Schritt vorwärts und durch den Alltag einen Schritt rückwärts zu machen, nicht mehr zufrieden sein, so können wir noch einen Schritt weiter gehen.
In dem wir systematisch unseren Alltag darauf untersuchen, welche Faktoren eine Belastung für uns darstellen und uns überlegen, wie wir sie zum Positiven wandeln können, schaffen wir die Grundlage eines neuen Lebensstils, in dem uns unsere Art zu leben an sich schon Kraft gibt. Wenn wir dann noch mit den passenden Übungen am Ball bleiben, öffnen sich häufig Tore für große (gesundheitliche) Veränderungen.

Praxistipp 5: Leben Sie ein gesundes Leben

1. Finden Sie heraus, was Sie gerade in Ihrem Leben belastet und was Sie ggf. daran ändern können.
2. Überlegen Sie, wie Sie gerade nicht änderbare Faktoren (z.B. durch eine entsprechende Übungspraxis) ausgleichen können.

Finden Sie eine gute Umgebung

Unsere Umgebung in Form der Menschen, mit denen wir uns umgeben und der Orte, an denen wir uns aufhalten, hat einen weitreichenden Einfluss auf unsere Gesundheit.
Eine intakte naturnahe Lebensumwelt und eine Gemeinschaft aus gesunden und positiv ausgerichteten Menschen unterstützt den Prozess der Gesundung und Gesunderhaltung erheblich. 
Dahingegen kann es in einer verschmutzten, lauten, urbanen Umgebung und umgeben von kranken, negativ ausgerichteten oder feindseligen Menschen besonders schwer sein, gesund zu werden oder zu bleiben.
Wichtig ist dabei auch, dass uns unsere Umwelt ausgleichend ergänzt. Fühle ich mich gestresst und nervös, werden mich ruhige Menschen in einer naturnahen Umgebung ausgleichen. 
Fühle ich mich träge und antriebslos, so kann mich die Gesellschaft von vitalen und inspirierten Menschen und eventuell eine abwechslungsreiche Umgebung ausgleichen.
Sollte ich mein Lebensumfeld gerade nicht ändern können oder wollen, so habe ich immer noch die Möglichkeit, die daraus resultierenden Belastungen, z.B. durch Übungen auszugleichen.

Praxistipp 6: Leben Sie in einer gesunden Umgebung unter gesunden Menschen

Überprüfen Sie Ihr Lebensumfeld durch folgende Fragen:
1. Wie wirken der Ort, an dem ich lebe und seine Umgebung auf mich? Fühle ich mich dort wohl? Liegen Belastungen durch Lärm, Luftverschmutzung oder ähnliches vor?
Gibt es gesundheitsförderliche Ressourcen, wie Gärten, Wälder, Parks, Seen, etc., die ich nutzen kann?
2. Wie fühle ich mich unter den Menschen, die mich umgeben? Wie ist die Grundstimmung und wie die Qualität der Beziehungen? Erlebe ich genug Nähe, Freundschaft und Rückhalt?
3. Kann und will ich etwas an meinem Umfeld ändern?
4. Gibt es Möglichkeiten, vorhandene Belastungen auszugleichen?

Finden Sie einen guten Lehrer

In allen asiatischen Übungswegen kommt dem Lehrer eine besondere Bedeutung zu, denn er ist es, der dem Schüler das notwendige Wissen und die Praktiken vermittelt und ihm, wo notwendig, mit Rat und Weisung bei der Überwindung seiner Schwierigkeiten zur Seite steht.
Ein guter Lehrer ist auf einem Übungsweg wie Taijiquan, Yoga oder Qi Gong absolut unverzichtbar, denn nur er kann durch seine umfassende Ausbildung und langjährige Erfahrung den Schüler in den verschiedenen Abschnitten seines Lernprozesses korrekt unterweisen und, was noch wichtiger ist, auf die ihm unbewussten Schwierigkeiten hinweisen und darüber hinweg helfen. Dies kann kein noch so gutes Buch und kein Video leisten.
Besonders wichtig ist ein guter Lehrer, wenn es darum geht, bestimmte gesundheitliche Beschwerden zu heilen. Hierzu braucht es in der Regel einen Lehrer, der aufbauend auf einer guten Ausbildung im westlichen oder östlichen medizinischen Bereich, schon Erfahrungen mit Ihrem gesundheitlichen Problem sammeln konnte.

Praxistipp 7: Finden Sie einen wissenden, fähigen und Ihnen sympathischen Lehrer

1. Werden Sie sich klar darüber, bei was Sie genau Unterstützung brauchen und wer Ihnen dabei weiter helfen kann.
2. Fragen Sie sich, welche Erfahrungen und ggf. Qualifikationen ein solcher Lehrer wahrscheinlich braucht (insoweit Sie das selbst einschätzen können).
3. Schauen Sie sich dann mehrere Lehrer an und vergleichen Ihre Eindrücke miteinander. Suchen Sie sich einen Lehrer, mit dem die „Chemie“ stimmt, denn nur so kann das Lernen dauerhaft gut gelingen.
4. Entscheiden Sie sich dann, bei wem Sie lernen wollen und begegnen Sie diesem Lehrer mit Hochachtung und Respekt, damit er sich ganz für Sie öffnen und damit an seinem Wissen und Können teilhaben lassen kann.

Lehrer finden: In unserer Datenbank finden Sie Lehrer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Schlussbetrachtung

Zusammenfassend kann man sagen, dass die gesundheitlichen Wirkungen von Taijiquan, Yoga und Qi Gong umso stärker sind, je mehr es uns gelingt, uns in allen Aspekten unseres Menschseins und Lebens auf Gesundheit auszurichten, das Krankmachende in allen Lebensbereichen hinter uns zu lassen und je mehr gute Unterstützung wir auf diesem Weg bekommen.

In diesem Artikel wurde eine größere Zahl von möglichen Ansatzpunkten zur Verbesserung der gesundheitlichen Wirkung Ihrer Übungspraxis gegeben.
Naturgemäß werden Sie nicht alle gleichzeitig umsetzen können. Ich empfehle Ihnen daher zu überlegen, welche Ansatzpunkte für Sie im Moment am wichtigsten und machbarsten sind und mit diesen zu beginnen.

Mögen die Informationen in diesem Artikel Ihnen dabei helfen, Ihre Gesundheit in vollem Umfang zu bewahren oder, wenn nötig, wiederzuerlangen!

Tobias Puntke

Autor: Tobias Puntke M.A.,
Studium Sportwissenschaft, Medizin und Rechtswissenschaft. Wissenschaftliche Forschung im Bereich gesundheitliche Wirkungen von Taiji und Qi Gong in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten. 
Seit 1987 intensive Ausbildung in inneren und äußeren Kampfkünsten, Qi Gong und anderen daoistischen Künsten in Europa, China und Taiwan. 6. Duan des TaijiDao-Systems, Ausbildungsleiter für Neidan Gong und Meisterschüler seines Shifu Shen Xijing (22. Generation der daoistischen Drachentorschule). Technischer Direktor der Europäischen TaijiDao Gesellschaft (ETG) und Direktor der Europäischen TaijiDao Akademie e.V. (ETA) in Münster.

Fotos: Archiv Tobias Puntke, ETG und Taiji Forum

Taijiquan / Qigong und Gesundheit