Geschichte der 5 Elemente

Geschichtlicher Überblick der 5 Elemente Theorie

Dies ist der dritte Teil unserer Artikelserie zur Lehre der 5 Elementen, chin. Wuxing. Die Autoren beschreiben u. a. wie aus 6 Elementen, FU (Wasser, Holz, Feuer, Erde, Metall und Getreide als 6. Element) durch einen Wandel in der Sicht der Naturerscheinungen die WUCAI „5 Fähigkeiten“ und erst dann die WUXING, die 5 Elemente entstanden. Parallelen zu den uns bekannteren klassisch-griechischem System der 4 Elemente entwickelten sich zeitgleich. (nk)

Die Lehre von den 5 Elementen

4, 5 und 6 Elemente – Zur Geschichte der 5 Elemente

In Griechenland gab es zeitgleich ähnliche Elemente-Theorien

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4, 5 und 6 Elemente – Zur Geschichte der 5 Elemente

Obwohl im Werk YUANQI SHANGZHEN, das der frühen, westlichen ZHOU-Dynastie (etwa 1100 – 771 vor Chr.) zugeschrieben wird, die 5 Elemente bereits erwähnt wurden, kann von einer Lehre von den 5 Elementen wohl erst ab dem 4. Jahrhundert vor Chr. gesprochen werden (manche Sinologen nehmen sogar eine noch spätere Entwicklung an). Insbesondere die Vertreter der „Naturalismusschule“ (Hauptvertreter war ZOU YAN, 350 – 200 vor Chr.) entwickelten die Ansätze der 5-Elementen-Lehre weiter und bezogen sie zunächst nur auf Naturbeobachtungen, später auch auf politische und soziale Verhältnisse. Durch aufmerksame Beobachtung von Vorgängen in der Natur wurden Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Erde, Himmel und Mensch entdeckt. Da diese Wechselwirkungen meist zyklisch verlaufen, konnten Gesetzmäßigkeiten abgeleitet und die ihnen innewohnenden Wandlungsprozesse immer wieder eindrucksvoll bestätigt werden. So wurde z.B. dem jeweiligen Herrscher einer Dynastie ein bestimmtes Element zugeordnet, das aus himmlischen und in der Natur beobachteten Entsprechungen bestimmt wurde. Auch wurden diverse gesellschaftliche Aktivitäten wie Feste, Riten, Zeremonien, Kleidungsvorschriften, Farben, Musik und sogar die Thronfolge mit dem jeweiligen Element in Einklang gebracht. Offensichtlich signalisierten Himmel und Erde vielversprechende Zeichen, deshalb genossen diejenigen, die die Natur und die 5 Elemente studiert hatten und die Zeichen lesen und deuten konnten, bedeutenden gesellschaftlichen Rang, Macht und manchmal auch Hochachtung.

Wann immer eine neue Dynastie im Entstehen ist, eröffnet der Himmel den Menschen viel versprechende Zeichen. Während des Aufstiegs von HUANGDI (des Gelben Kaisers) erschienen große Regenwürmer und Ameisen. Er sagte: „Das zeigt, dass das Element Erde im Aufsteigen begriffen ist, deswegen möge unsere Farbe gelb sein und unsere Geschäfte mögen unter dem Zeichen Erde stehen.“

Während des Aufstiegs von YU dem Großen, brachte der Himmel Pflanzen und Bäume hervor, die ihr Laub im Herbst und im Winter nicht verloren. Er sagte: „Das zeigt, dass das Element Holz im Aufsteigen begriffen ist, deswegen muss unsere Farbe grün sein, und unsere Geschäfte müssen unter dem Zeichen des Holzes stehen…“ Zitat von G. Maciocia (87), Seite 19

5 Elemente_Wuxing

In der Anfangszeit dieser Entwicklung wurde statt „XING“ noch die Bezeichnung „FU“ (= Regierungssitz, auch Waren- oder Getreidesammelstelle) verwendet, was mit „wichtiger, zentraler Standort“ übersetzt werden kann. Später wurde dann auch die Bezeichnung „CAI“ verwendet (WUCAI), was soviel wie „Möglichkeit, Fähigkeit, aber auch Material, im Sinne von Stoffen, Gegenständen bzw. Bausteinen“, bedeutet.

Auch die Zahlen änderten sich. Aus den ursprünglich 6 FU (Wasser, Holz, Feuer, Erde, Metall und Getreide als 6. Element) wurden, ausgelöst durch einen Wandel in der Sicht der Naturerscheinungen, im Verlauf der Jahrhunderte die WUCAI / „5 Fähigkeiten“ und dann erst die WUXING, die 5 Elemente.

Dieser Wechsel von ursprünglich 6 zu 5 Elementen beinhaltete eine tiefe Symbolik und dementsprechend auch einen echten Wandel im Denken und Handeln:

  • Die Zahl 5 und die 5 Elemente als „5 Seinsqualitäten“ (88) stehen in Bezug zur Manifestation der Phänomene auf der Erde, der ihrerseits die Zahl 4 für Materie zugeordnet ist. So wird auch das Tagesbewusstsein sowie rationales Denken und Handeln mit der Zahl 5, der Anzahl der Finger einer Hand, assoziiert.
  • Die Zahl 6 steht für die irdischen Manifestationen des Himmels, dem seinerseits die Zahl 7 zugeordnet ist. So sind z. B. die 6 äußeren klimatischen Faktoren oder die 6 x 6 Zeiteinheiten als himmlischer Zyklus für 1 Jahr zu sehen. Die Zahl 6 steht aber auch für den Archetypus des Mythos (89), in dem der Zustand des „Eins- seins“ mit allem in der Natur gelebt wurde. In einem solchen mythischen „paradiesischen“ Leben zählte nur die Gegenwart, es wurde im „Hier und Jetzt“ gelebt, es fand keine rational begründete Projektion auf die Zukunft statt und auch keine dualistische, wertende Zuordnung zu „gut oder böse“, „richtig oder falsch“.

Letztlich bedeutete die Anwendung von Zahlen, insbesondere aber der Übergang von der Zahl 6 (Zuordnung Mythos) zur Zahl 5 (Zuordnung Ratio und Tagesbewusstsein), den Beginn einer rational-wissenschaftlich orientierten Sicht der Natur. Aus dieser neuen rationalen Sicht konnten durch Naturbeobachtungen und deren Interpretationen die ihnen zugrunde liegenden Ablaufmuster erkannt werden. Diese Muster ließen sich ordnen und konnten so zum neuen und erweiterten Verständnis der Funktionsweise des menschlichen Körpers herangezogen werden.

In Griechenland gab es zeitgleich die 4 Elemente-Theorie

Etwa zur gleichen Zeit entwickelten sich in Griechenland ähnliche Elementtheorien:

Empedokles (504 – 433 v. Chr.) erkannte und formulierte das klassisch-griechische System der 4 Elemente Feuer, Erde, Luft und Wasser, die zum einen als Grundbausteine der Materie galten, zum anderen aber auch Prozesscharakter hatten, in dem durch Mischung der Grundelemente alle zusammengesetzten und veränderlichen Stoffe geschaffen wurden. Dabei wurden bei Empedokles die Stoffe durch Liebe verbunden und durch Hass getrennt. Man darf in den Grundannahmen des Empedokles eine Analogie zu den Stadien der Transformation von YANG und YIN sehen.

• Für Aristoteles (384 – 322 vor Chr.) waren die „4 weltschöpfenden Elemente“ wie bei Empedokles auch Bausteine der Natur. Gleichzeitig stellten sie aber die Basis für alle natürlichen Phänomene dar. Sie waren fähig zur Interaktion, Transformation und Generation des jeweils anderen Elements. Durch Kombination der 4 Grundqualitäten kalt, heiß, trocken und feucht ergaben sich die 4 Elemente und folglich alle Naturphänomene. Dazu kam später als 5. Element der „Äther“ für all das, was nur als „Numinoses“, als nicht wirklich greifbares „Letzt- endliches“, als göttliches „Wunder des Seins“, empfunden bzw. gefühlt werden konnte.

In der Theorie des „Aktuell-Seins“ und des „Möglich-Seins“ d. h., der Aktualität und der Potenzialität beschreibt Aristoteles darüber hinaus ähnliche Polaritäten und Transformationsmöglichkeiten, wie die von YIN und YANG. In der Aktualität, der tatsächlichen, konkret und strukturiert ablaufenden Situation, also ein YIN-Aspekt des QI, im Sinne von Struktur und Konkretisierung, muss nicht zum Ausdruck kommen, was eigentlich möglich wäre. YANG ist in diesem Sinne Potenzialität, Anlage und Möglichkeit, die noch nicht konkretisiert ist. Die der Situation innewohnende, potenzielle Möglichkeit braucht bestimmte Grundbedingungen und Entwicklungsstadien, um sich als Aktualität zu manifestieren. Es braucht jeweils ganz bestimmte Voraussetzungen, damit sich das im Inneren Angelegte in der Außenwelt zeigen und wirken kann bzw., dass wir es leben können. Auf diese Zusammenhänge weist J. W. von Goethe in einem Zitat hin, welche Potenzialität mit Fähigkeit sowie Aktualität mit Fertigkeit verbinden:

„Aus Fähigkeit kann und muss Fertigkeit werden“. J. W. von Goethe

Aufgrund dieser möglichen Differenzierung von Potenzialität und Aktualität unterscheidet man im QIGONG Seelenqualitäten und Tugenden. Spezifische Seelenqualitäten der einzelnen Elemente sind potenziell angelegte Möglichkeiten, die, wenn sie verwirklicht werden, als Tugenden aktuell gelebt werden.

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In China existierten zunächst das YIN-YANG-Entsprechungssystem (seit etwa 700 vor Chr.) und das Entsprechungssystem der 5 Elemente / WUXING (seit etwa 400 vor Chr.) nebeneinander. Erst am Ende der „Zeit der streitenden Reiche“ und dem Beginn während der HAN-Dynastien (90) begann eine teilweise Vereinigung in der Literatur. Beispielsweise bezogen sich bestimmte Teile des NEIJING / „Klassiker des Inneren“ auf das YIN-YANG-Konzept und die WUXING (Kap.3, 4, 5, 22, 23 usw.). Das NEI- JING selbst mit den beiden Teilen SU WEN / „Reine, elementare Fragen“ und LINGSHU / „Geistige Achse, das Zentrum des Wirkvermögens“, wurde etwa 100 vor Chr. aus älteren Schriften, die früheren Dynastien entstammten, zusammengefasst und niedergeschrieben. Wann allerdings die WUXING in den Text des NEIJING einbezogen wurden, ist in Sinologenkreisen nicht restlos geklärt. Obwohl die 5-Elemente-Lehre im weiteren Zeitverlauf unterschiedlich kommentiert, mit moralisch-ethischen Inhalten erweitert und auch wegen einiger starrer und scheinbar willkürlicher Entsprechungsbeispiele kritisiert wurde, entstanden insbesondere auf dem Gebiet der Medizin eine Vielzahl von grundlegenden Schriften, die auf den WUXING aufbauten.

Ab der Zeit der SONG-Dynastie (960 – 1279 nach Chr.) gelangte die 5-Elementen-Lehre wieder zu großem Ansehen und wurde zur Erklärung bei der Auslösung von Krankheiten und der Therapie mit gutem Erfolg eingesetzt. Heute ist die 5-Elementen- Lehre aus dem Themenbereich TCM und QIGONG nicht mehr wegzudenken. Da im System WUXING in den letzten Jahren wesentliche Klärungen und Erweiterungen bezüglich der psychologischen und geistigen Inhalte vorgenommen wurden, wurde es auch für die QIGONG-Praxis zunehmend wichtiger. In den folgenden Ausführungen wird schwerpunktmäßig auf die Zusammenhänge von WUXING und QIGONG eingegangen.

Autoren: Dr. Gerhard Wenzel und Norbert Herwegh

Fotos: Eagle Verlag (Franz Mittermair), Dr. Gerhard Wenzel Norbert Herwegh.
Grafikerin: Christine Pirker

Kalligraphie: Wang Ning

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Autoren Dr. Gerhard Wenzel und Norbert Herwegh

Literatur:

(87) Siehe G. Maciocia: „Die Grundlagen der Chinesischen Medizin“

(88) siehe die Ausführungen unter Punkt Die 5 Elemente sind „5 Stadien der Transformation von Qi“

(89) Mythos wird hier als Bezeichnung für den paradiesischen Urzustand des „ALLES IST EINS“ verwendet. Es ist dies ein weit zurückliegender Zeitabschnitt der Sagen und Mythologien.

(90) westliche HAN-Dynastie 206 vor Chr.– 8 nach Chr. und östliche HAN- Dynastie 25 – 220 nach Chr.