Hui Chun Gong – Rückkehr des Frühlings (Qigong)
Hui Chun Gong (Rückkehr des Frühlings) – ein bewegtes Qigong der daoistischen inneren Alchimie – soll aus der Daoistischen Schule QuanZhen (Vollkommende Wahrheit) auf dem HuaShan Berg in der Provinz ShaanXi stammen. Dieses Qigong, das der Überlieferung nach in der Endphase der nördlichen Song-Dynastie (960 – 1127) schon existiert haben soll, wurde nach chinesischer Quelle bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts als Geheimnis gehütet und nur an einige wenige Auserwählte weitergegeben. ZhiZhong Bian, der zusammen mit seinem Sohn QianJin Bian dieses Übungssystem seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zuerst in China und später auch in Japan, in südostasiatischen Ländern wie Malaysia und Singapur sowie in Nordamerika (USA und Kanada) verbreitet hat, ist ein Vertreter der 19. Generation der Daoistischen Schule QuanZhen. Nach seiner Angabe hat er bei LiGui Feng, Vertreter der 18. Generation der Daoistischen Schule QuanZhen, gelernt.
In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat ZhiZhong Bian zusammen mit seinem Sohn QianJin Bian die Übungen überarbeitet, unterrichtet und publiziert. Diese ursprüngliche Version des Hui Chun Gong hat zwölf Bewegungsfolgen und eine abschließenden Selbstmassage. Die Übungen des Hui Chun Gong werden auf natürliche Weise praktiziert. Dabei sollen die Lernenden und Übenden sowohl beim Erlernen als auch beim Ausüben auf ihre eigenen Möglichkeiten achten. Sie sollten die vorgesehenen Bewegungen angepasst an die eigene momentane Fertigkeit und auch an eventuelle individuelle Einschränkungen ausführen. Diese Vorgehensweise entspricht dem daoistischen Grundprinzip, mit der Natur in Einklang zu sein.
Die Atmung im Hui Chun Gong
Auch die Atmung sollte, was die Frequenz und Dauer betrifft, nicht gegen die eigene Möglichkeit extrem verlangsamt und über Gebühr in die Länge gezogen werden. Denn diese unter Zwang praktizierte Übungsweise führt zu ungewollter Verspannung, manches Mal sogar zu Verkrampfung der betroffenen Körperteile, wodurch die Qi- und Blutzirkulation eher gehindert als gefördert werden. Auch die Ruhe und die Achtsamkeit, die sie brauchen, werden stark gestört. Dies alles könnte die erwünschten Wirkungen stark beeinträchtigen oder gar zunichtemachen. Wenn die Übenden diese Natürlichkeit beim Erlernen und bei der Übungspraxis beherzigen, werden sie in der Lage sein, die Übungen besser aufzunehmen und zu praktizieren. Sie werden auch bald feststellen können, dass sie sich wohlfühlen und weiterentwickeln können. Sie sind in der Lage, die Bewegungen besser und sinngemäß auszuführen.
Natürlichkeit und Weichheit im Hui Chun Gong
Die Bewegungen sollen weich, rund, fließend, rhythmisch und in Ruhe mit weniger Kraft, jedoch nicht schlaff sondern mit entsprechend erforderlicher Struktur, ausgeführt werden. So kann das Qi im Körper während des Übens und auch danach auf natürliche Weise ungehindert fließen. Sie hilft auch, die Anspannungen, die im Alltag oft durch fehlendes Bewusstsein, sowie im Umgang mit Stresssituationen (Schulterhochstand, vorübergehender Atemausfall etc.) erworben wurden, allmählich abzubauen. Auf diese Weise können Sie am eigenen Körper erfahren, wie die Weichheit die Härte besiegt, wie eins der daoistischen Prinzipien sagt.
Durch die oben erwähnte Natürlichkeit und Weichheit ruft Hui Chun Gong bei Ihnen als Übendem nach einer gewissen Dauer von nur wenigen Wochen bei täglicher Praxis einen wohltuenden Effekt hervor. Sie spüren im ganzen Körper eine deutliche Entspannung, Ihr Körper und Ihre Bewegungen sind geschmeidiger geworden, Sie bemerken eine deutliche Leistungssteigerung auf körperlicher und geistiger Ebene, und Sie werden in Stresssituationen nicht mehr so schnell aus dem psychischen Gleichgewicht zu bringen sein. Sie können sogar feststellen, dass Sie öfter gut gelaunt sind.
Die durchschnittliche Dauer für das gesamte Hui Chun Gong, wenn es mit der empfohlenen Anzahl der Wiederholung – in der Regel je achtmal – praktiziert wird, inklusive der Pausen zwischen den Folgen, kann bis zu 1,5 Stunden betragen. Da jede der Übungen in sich abgeschlossen ist, können Sie einzelne Übungen separat oder auch einige ausgewählte Übungen zusammen praktizieren. Selbst die Reihenfolge der Übungen, in der sie beschrieben werden, müssen Sie nicht einhalten. Die Wirkungen der einzelnen Übungen bleiben genauso erhalten.
Keinerlei Einsatz von aktiver Qi-Führung
Das Hui Chun Gong erfordert bei seiner Ausführung keinerlei Einsatz von aktiver Qi-Führung. Das heißt, Sie brauchen das Qi weder durch Einsatz Ihrer Atmung oder Imagination in dem Körper oder durch die Meridiane bewusst zu leiten. Ebenso eine bewusste Vorstellung eines bestimmten Sinnbildes oder einer Metapher wird bei der Praxis mit Hui Chun Gong nicht verlangt und ist nicht erforderlich. Nach den daoistischen Lehrmeinungen fließt das Qi im Körper besser, wenn Sie es freigeben und zulassen können. Die Natur sorgt dafür, dass das Qi in die richtigen Bahnen fließen wird.
Wirkungsweise des Hui Chun Gon
Die verschiedenen Folgen des Hui Chun Gong mit ihren charakteristischen Handbewegungen, Schritten und Körperhaltungen haben besonders starke Wirkung auf den Organismus hinsichtlich der Jing-Essenz, des Qi und des Shen-Geistes. Die steigenden und sinkenden Handbewegungen, die meist rundlich oder kreisend ausgeführt werden, können das Qi im Körper – insbesondere im sogenannten kleinen Qi-Kreislauf (Xiao Zhou Tian 小周天) – positiv beeinflussen. Die Beine, die bei vielen Übungsfolgen aneinandergelegt werden, bewirken eine besser pumpende Aktion für das untere DanTian im kleinen Becken, so dass das Qi vermehrt in den kleinen Qi-Kreislauf hinein fließen kann.
Die oben beschriebene Art und Weise der Handbewegungen und der Beinarbeit des Hui Chun Gong werden zwar durch ziemlich sanfte Muskelarbeit ausgeführt. Diese sanfte aber gezielte An- und Entspannung der Muskulatur führt dazu, dass die Meridiane durchlässig gemacht werden. So kann das Qi in den Meridianen ungehindert frei fließen. Das ist eine der wichtigen Voraussetzungen, damit die verschiedenen Organe mit Blut und Nährstoffen versorgt werden, um ihre Aufgaben wahrzunehmen. Ebenfalls durch diese Bewegungsart des Hui Chun Gong, insbesondere die Beinarbeit mit der deutlichen Pumpaktion im kleinen Becken, werden die urologischen und Sexualorgane, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) mit dem Organbegriff Shen-Niere zusammengefasst werden, stimuliert. Ferner schulen die teilweise recht komplexen Bewegungen die Konzentrations- und Koordinationsfähigkeit der Übenden. Diese bedingen wiederum eine bessere Achtsamkeit und innere Ruhe.
In Folge dieser Wirkungsweise kann Hui Chun Gong daher die Funktionen der verschiedenen Organe (auch des Gehirns) stimulieren und regulieren, die Jing-Essenz (inklusive diverser Hormone) und das Blut, somit auch das Qi vermehren. Das ist, was die Traditionelle Chinesische Medizin als Yin und Yang harmonisieren im Sinne von guter stabiler Gesundheit bezeichnet. Daher kann Hui Chun Gong in gewisser Hinsicht nicht nur die Gesundheit erhalten, sondern auch die natürlichen Alterungsprozesse spürbar verlangsamen. Insofern ist die Annahme begründet, dass uns Hui Chun Gong bei regelmäßiger Praxis jung und vital halten kann.
Autor: Foen Tjoeng Lie
Geb. 1948 in Indonesien, wurde in Indonesien und China in TCM, Qigong und Taijiquan ausgebildet. Er ist Ausbildungsleiter der Kolibri-Seminare für TCM, Qigong und Taijiquan und Autor mehrerer Bücher über diese Themen. Für den Zeitraum 1999 bis 2002 wurde er vom Guangxi College for TCM in Nanning, Südchina, zum Gastprofessor ernannt.
Fotos: Foen Tjoeng Lie