So, Meister Chen, wie hast Du von Taijiquan erfahren und wie und wo und wann hast Du damit angefangen?
Ich habe im Alter von 18, 19 Jahren angefangen. Und der Grund war, dass ich nach den Kampfkünsten schaute – alle diese Comic-Hefte und Fantasie-Geschichten mit Kampfkünsten, Zauberkräften… Aber dann, zur selben Zeit, als ich 18, 19 war, besuchte ich Professor Cheng. Tatsächlich war Professor Cheng ein Spielkamerad meines Vaters gewesen.
Ich verstehe…
Eines Tages haben sie sich in Taiwan auf der Straße getroffen. Und es ging: „Ahh, wie geht es der Familie?, Wie ist es mit…?“ Und dann erwähnte mein Vater, dass er einen Sohn habe – mich – und dann war die Frage: „Ohh, warum kommst Du nicht vorbei, um Dir mein Haus anzugucken und bringst Deinen Sohn mit?“ Das war es, warum er mich mitnahm. Glücklicherweise sah Professor Cheng wie ein wundersamer Mensch aus, weißt Du? Er war eine sich im Aussehen sehr [von anderen] unterscheidende Person. Zugleich hörte ich viele Sachen über ihn. Dann ging ich hin ihn zu treffen und wir redeten ein bißchen und Professor Cheng sagte: „Na, hast Du Lust Tai Chi zu lernen?“ Ich sagte: “Klar hab ich das!“ Er war einverstanden und schrieb mir sofort die Adresse auf und sagte mir, wohin ich gehen sollte, und sagte dass er am Donnerstag irgendwo eine Gruppe unterrichtete – und ich fing sofort an. Das war der Beginn, der Anfang Tai Chi zu lernen.
Und das war jetzt in China?
Das war in Taiwan.
Schon in Taiwan…
Was eigentlich passiert war, war Folgendes: Sie waren in China zusammen als sie klein waren, jung waren – Spielkameraden – aber sie sind fort gegangen. Mein Vater ging zur Armee und war dann bei der Armee und Professor Cheng war in einem anderen Landesteil, in Shanghai – also waren alle weg gegangen. Und dann, nach dem Zweiten Weltkrieg, gingen Professor Cheng und mein Vater beide nach Taiwan.
Warum hast Du China verlassen?
Im Buch habe ich das den Leuten schon erklärt – ich habe gesagt, dass mein Vater nach dem Zweiten Weltkrieg eine Einladung an die Universität von Taiwan erhielt und dann unterrichtete er dort Chinesische Literatur. Er ging rüber an die Universität von Taiwan, nach Taipei. Nachdem er ging, ein Jahr danach, sagte mein Vater: „Warum kommst Du nicht nach Taiwan?“ – Und ich sagte… – zu dieser Zeit war ich gerade 8 Jahre alt. So ging ich aus meiner Heimatstadt fort nach Taiwan. Das war auch eine nette kleine Geschichte, weil ich 8, 9 Jahre alt war und sie zu dieser Zeit keine Flugzeuge hatten. Sie hatten wohl Boote, aber keine richtigen Schiffe, also setzte mich meine Mutter in einen kleinen Kahn, ein Verkaufsboot, von meiner Heimatstadt nach Taipei und das war auch sehr gefährlich. Aber ich wusste nichts über die Gefahr und fuhr einfach, aber dennoch – ich hatte genug Glück. Und dann dauerte die ganze Aktion zwei Wochen. Es waren nicht wirklich 14 Tage, tatsächlich mussten sie erst eine Woche lang auf den Wind warten. Dann fanden sie einen guten Wind und segelten los. Das Boot, wie groß war wohl das Boot? Vielleicht eher „sehr klein“ – das ganze Boot war nur so, dass wir 10 Leute hatten, Passagiere, und die Besatzung waren vielleicht 3 oder 4 Leute, aber trotzdem war das nett damit dahin zu kommen, aber zur selben Zeit sehr gefährlich. Das war eine sehr gute Erfahrung.
Dieses Interview führte Nils Klug mit GM William C. C. Chen 2012 im Tai Chi Studio Hannover.