Tai Chi Form nach Yang Lu Chan

Die Tai Chi Form nach Yang Lu Chan und ihr Erhalt in Deutschland

Die Tai Chi Form nach Yang Lu Chan und ihr Erhalt in Deutschland von Ulf Angerer mit einem Vorwort von Thierry Alibert

Vorwort Thierry Alibert

Yang Lu Chan
Ulf Angerer und Thierry Alibert

Seit dem 19. Jahrhundert steht der Fortbestand des Übungsgutes im Mittelpunkt der Übermittlung des Tai Chi Chuans. Sowohl im physischen wie mentalen Training entspricht der Weg des Tai Chi Chuans dem eines Kriegers/Kämpfers. Der Stil Yang Lu Chans, ist der Ursprung aller Schulen des Yang-Stils, doch wäre er beinahe verschwunden, oder wegen fehlender Übermittlung auf den zweiten Platz hinter dem moderneren und leichter zugänglichen Tai Chi seines Enkels Yang Chen Fu verbannt worden. Seit mehr als 30 Jahren ist er langsam wieder präsenter: Dank einiger Passionierter.
Erinnern wir uns daran, dass der Yang-Stil vom Chen-Stil stammt und eine Weiterntwicklung dieses Stiles ist, entdecken wir eine gewisse Anzahl von gemeinsamen Punkten, obwohl beide Stile sehr verschieden bleiben. Die Form von Yang Lu Chan weist eigene Wesensmerkmale auf, die sie klar von der Chen-Schule unterscheiden. Mehrere dieser typischen Faktoren wurden wegen eines moderneren Yang-Stils und des Wu – Stils aufgegeben bzw. vernachlässigt, wobei der Wu – Stil ohne Zweifel in seiner Essenz dem Yang – Stil am nächsten ist.
Aber kommen wir zu Yang Lu Chan (gestorben 1872) zurück. Man muss zugeben, dass die Lehrer, die an der Weitergabe dieses Stils mitgewirkt haben, selbst andere Formen erfunden oder das Original modifiziert haben, sich aber dennoch auf ihn berufen. So schuf Yang Shao Hou, der Bruder von Yang Chen Fu, das Kleine San Shou und Chang Yu Chun (einer der wenigen Schüler Shao Hou’s) entwickelte zusammen mit Trainingsfreunden das Große San Shou und  zwei Pao Chui Formen (Formen mit explosiven Entladungen). Was Yang Chen Fu betrifft, so leugnete er nicht seine Absicht, den Stil zu erneuern, ebenso sein Onkel Yang Ban Hou, der seinerseits eine eigene Version entwickeln wollte.
Im Laufe meiner zahlreichen Treffen lernte ich Praktizierende kennen, die einerseits neugierig auf diese Form waren und sind, aber auch jene, die ihre Existenz anzweifeln. Die Historiker sind sich in dem Punkt einig, dass Yang Chen Fu, der Enkel von Yang Lu Chan, die Form vereinfacht hat, die er in der Tradition eines Familiengeheimnisses erhalten hatte.
Yang Shao Hou und Chang Yu Chun haben immer erklärt, dass sie die Form von Yang Lu Chan weitestgehend übernommen haben mit dem Ziel die Tradition zu wahren […], auf daß das Tai Chi eine lebendige Kampfkunst bleibt. Doch darf man nicht vergessen, dass jeder Lehrer seinen Stil und seine Persönlichkeit hinterlässt und die für ihn notwendigen Veränderungen der Sequenzen der traditionellen Form vornimmt.
Heute zeichnet sich diese Form durch kraftvolle Bewegungen mit gesprungenen Sequenzen aus. Sie ist anspruchsvoll hinsichtlich der Technik, aber mit einer guten pädagogischen Methodik kann jeder motivierte Übende sie erlernen. Dennoch muss man einräumen, dass bis zum heutigen Tag niemand behaupten kann, die genaue Art und Weise zu kennen, (so) wie Yang Lu Chan in der einen oder anderen Zeit seines Lebens trainierte. Wenn wir von der Arbeit an der Alten Form der Yang – Schule sprechen, so ist es besser von einer Form „im Sinne“ Yang Lu Chan’s zu sprechen.
Ich werde an dieser außergewöhnlichen Tai Chi-Form festhalten, die mir persönlich immer viel Glücksempfinden und ein großartiges Verständnis des Yang – Stils gegeben hat und auch noch heute gibt.
Diese Form hat es mir ermöglicht, zahlreiche Siege in Europa und China zu erringen, dabei bleiben die Begegnungen und Diskussionen die schönsten Erfolge.
Mein aufrichtiger Dank gilt allen Sifus, die daran mitgewirkt haben, dieses Tao zu übermitteln, wie Yang Shao Hou, Chang Yu Chun, Erles Montaigue, Georges Saby und natürlich danke ich allen, bei denen ich die Ausbildung absolvieren konnte. Ein ganz besonderer Dank geht an Sifu Ulf Angerer, der zu diesen Passionierten gehört. Er vermittelt seinerseits den Stil in Deutschland, dafür sei ihm herzlichst gedankt. Er trägt mit anderen dazu bei, den Geist von Yang Lu Chan, einem der größten Meister in der Geschichte der Kampfkunst, fortbestehen zu lassen.

Die Tai Chi Form nach Yang Lu Chan und ihr Erhalt in Deutschland

Bewegung "Der Drache erhebt sich"

Vor vielen Jahren löste die Tai Chi Form nach Yang Lu Chan eine bis dahin unbekannte Faszination auf mich aus. Ich war zu dieser Zeit bereits als anerkannter „Lehrer für Tai Chi Ch’uan “ nach den AALL des DDQT tätig und galt wohl nicht mehr als „Anfänger“. Doch diese Faszination war so groß, dass sie mich regelmäßige Studienreisen ins Ausland unternehmen ließ um sie zu erlernen. Diese Form zeichnet sich durch eine extrem ästhetische Optik aus. Die Form umfasst 264 Sequenzen. Sie enthält schnelle Bewegungen und Sprünge. Zudem sind in ihr deutlich die traditionellen Tierbilder enthalten. Diese Besonderheiten und eine gesteigerte Anforderung an das psychosomatische Leistungsvermögen des Adepten führten dazu, dass dieses Kleinod globaler Tai Chi Kunst vom Aussterben bedroht ist!
Ich lernte diese Form in der Ahnenfolge:
Yang Lu Chan > Yang Ban Hou > Yang Shao Hou > Chang Yui Chun > Erle Montaigue > George Saby > Thierry Alibert.
Diese Ahnenfolge beinhaltet unterschiedliche Rahmen. An meiner Schule wird der „Kleine Rahmen“ (chin.:  XIAO JIA) favorisiert.
Thierry Alibert setzte mich offiziell als Vertreter seiner Schule für Deutschland ein.
Jan Leminskiy verankerte mich als Vertreter dieses Stils in seinem „Turnierhandbuch“.
Es muss leider davon ausgegangen werden, dass in Deutschland keine Handvoll Tai Chi Übender diese Form komplett beherrscht.
Ich mache mir große Sorgen, dass diese Form für immer in Vergessenheit gerät. Mein gesamtes Tai Chi Leben ordne ich dem erhalt dieser Form unter. Doch dazu brauche ich Verbündete. Menschen die bereit sind diese grandiose Form zu erlernen. Der Weg dahin ist steinig: Er dauert sechs Jahre und fordert in dieser Zeit einen Samstag pro Monat. Die Gefährten sollen die Yang Lu Chan Form am Leben erhalten und weitergeben. Um dies offiziell zu ermöglichen erhalten alle Weggefährten nach Erlernen der kompletten Form eine Lehrberechtigung die auch vom DDQT anerkannt wird. Die Keqi-Tai Chi Schule ist anerkanntes Ausbildungsinstitut des DDQT. Obwohl dieser Aufruf sich ehr an Übende richtet, die bereits über eine gewisse Tai Chi Erfahrung verfügen, sind wir auch bereit Neulinge in unserer Kunst zu unterweisen.

Weiter Informationen erhalten Sie beim Autor Ulf Angerer.

Video „Tai Chi Chuan nach Yang Lu Chan“

https://youtu.be/Tivb_W-Xnkg

Autoren: Ulf Angerer und Thierry Alibert

Fotos: Taiji Forum