Wissenschaftliche Qigong Studien – Bestimmung des Forschungsgegenstandes

Anschließend an den Abschnitt zur Methodik der Qigong-Forschung beschäftigt sich dieser Teil mit der Bestimmung des Forschungsgegenstandes (was ist Qigong?). Die häufigste Form der wissenschaftlichen Studie, die Einzelversuchsreihe, wird kurz vorgestellt und ihre Bedeutung erörtert.

Der Forschungsgegenstand – Was ist Qigong?

Wissenschaftliche Qigong Studien

Eine praktisches Problem bei Studien zu Qigong und Heilung ist die uneinheitliche Bestimmung des Forschungsgegenstandes: „Qigong“ wird oft als Eins begriffen, obwohl das Wort in China erst vor einigen Jahrzehnten als Oberbegriff für alle „Energieübungen“ unabhängig von deren Zweck und deren Herkunft eingeführt wurde. So fallen darunter u.a. Kampfkunst, Meditation, Abhärtungsübungen, Bewegungsübungen, Heilmassagen und andere Arten der Energieübertragung.

Qigongforschung ist eine junge Disziplin mit einem weit gefächerten Studienfeld.
Einige ForscherInnen verstehen bspw. Qigong als Oberbegriff für chinesische Bewegungskünste, einige als Oberbegriff für chinesische Energietherapie.
Einige Studien differenzieren zwischen Qigong und Taijiquan, andere untersuchen Qigong und Tai Chi zusammen ohne auf Unterschiede einzugehen. (Tai Chi „als Qigong“ durchzuführen, d.h. die Tai Chi Formen zu laufen ohne den kämpferischen Aspekt zu beachten, ist insbesondere in der Gesundheitsbewegung in den USA weit verbreitet.)
Wieder Andere sehen Qigong als meditative Bewegungstherapie und nennen es in einem Atemzug mit Tai Chi und Yoga.

Einige Studien unterschieden zudem nicht zwischen internem und externem Qigong – also zwischen Arbeit mit dem Qi durch die Person selbst und Übertragung von Qi durch eine andere Person. Während internes Qigong in Übungen zur Koordination von Körper, Atmung und Geist durch den Patienten selbst besteht, bezeichnet externes Qigong Anwendungen wie Tuina (chinesische Massage) genauso wie die umstrittene Energieübertragung auf Distanz (also ohne Berührung) zwischen zwei Personen. Einige Arten des externen Qigong ist in China eine übliche Therapie im Rahmen der traditionellen chinesischen Medizin. Entsprechungen im Westen sind u.a. medizinische Massage, Physiotherapie und Chiropratik.

Mit der Zeit werden sich mit der Entwicklung der Forschungslandschaft einheitliche Begrifflichkeiten in Bezug auf die verschiedenen Aspekte des Qigong herausbilden. Zur Zeit muss man genau hinschauen, welches „Qigong“ die jeweilige Studie untersuchen möchte.

Einzelversuchsreihen (Randomized Controlled Trials) und ihre Bedeutung

Einzelversuchsreihen Qigong

Es gibt zahlreiche (oder zahllose) Einzelversuchsreihen zu einzelnen Qigong-Sets. – Viele kleinere Forschungsprojekte haben schon zum Thema Qigong geforscht und dabei wichtige Impulse für die Entwicklung einer Forschungslandschaft gesetzt.
Der Ansatz der Einzelversuchsreihen ist dabei meistens, herauszufinden, ob Qigong ähnlich geeignet ist wie andere, herkömmliche Therapiemethoden aus dem Bereich der Bewegungstherapie als Teil der Grundlagenforschung. Dies dient zum Einen der Abschätzung, ob es negative Begleiterscheinungen gibt (Qigong als „sichere Methode“). Zum Anderen ist der Hintergrund dieser Studien, den Krankenkassen und anderen Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen Material an die Hand zu geben, welches eine Aufnahme von Qigong in Förderkataloge ermöglicht (Etablierung von Qigong als anerkannte Alternative).
Daneben gibt es Forschungsprojekte, die aus der Praxis entspringen – wenn z. Bsp. in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung neue Therapiewege mit Patienten erprobt werden, die dann wissenschaftlich begleitet werden. In beiden Fällen geht es darum, Praktiken, die den Patienten gut tun oder von Einzelnen (Versicherten, Patienten, engagierten PflegerInnen und ÄrztInnen) an Institutionen herangetragen werden, eine formal-wissenschaftliche Grundlage zu geben – zu sehen, ob der empfundene Erfolg wissenschaftlich nachweisbar ist.

Die Vielfalt dieser Studien, die oft mit kleinen Gruppen über einen kurzen Zeitraum und mit unterschiedlichen Qigong-Übungen als Grundlage durchgeführt werden, ist kaum zu überblicken. Die darin erzielten Ergebnisse haben oftmals nur eine geringe Aussagekraft, wenn es um generelle Aussagen zu Qigong und dessen Heilungswirkung gehen soll.

Dies hält LehrerInnen und ehrgeizige Praktizierende naturgemäß nicht davon ab, die Titel einzelner Studien als generellen Beweis für die Heilkraft von Qigong in Bezug auf diese und jene Krankheit heranzuzitieren und stolz zu verkünden, Qigong helfe bei bspw. Altersdiabetes. Dies geschieht nicht immer böswillig. Mitteilungen von Universitäten, die oft durch deren Presseteams verfasst werden, leisten hier ihren Beitrag, indem Einzelstudien, die bestenfalls des ersten Anfang einer tiefergehenden Forschungsarbeit repräsentieren, als bahnbrechend porträtiert werden. Unter Zuhilfenahme von Interviews mit Studienteilnehmern oder Forschern werden Studien bspw. Beitrag zur Krebsforschung dargestellt, obwohl die Studie lediglich die Effekte von Qigong auf die Fähigkeit zu schlafen (Entspannung im weiteren Sinn) betrachtete. Dass an der Studie Krebspatienten beteiligt waren, macht die Studie jedoch nicht zu einer aussagefähigen Studie über Krebs.

Es lohnt ein kurzer Blick in die Studien selbst – die Abstracts (Kurzzusammenfassungen) sind im Internet in der Regel frei erhältlich und oft auch direkt verlinkt. Schon ein Blick in diese Zusammenfassung der Studien zeigt, dass der Nachweis einer heilenden Wirkung von Qigong auch von positiv eingestellten ForscherInnen derzeit nicht behauptet wird. Die überwiegende Mehrzahl der Studien stellt lediglich fest, dass kein Unterschied zu der oft als Vergleich benutzen Krankengymnastik in Bezug auf die positive Wirkung zu sehen ist.

Dieses „schmale“ Ergebnis ist dennoch wichtig für alle Qigong-LehrerInnen und alle Anbieter von Gesundheitsdienstleistugen, die an innovativen Therapien interessiert sind, weil es eine Grundlage liefert, Qigong als gleichwertige Alternative zu herkömmlicher Gymnastik zu etablieren. Es kann so aus der Esoterik-Ecke herausgeholt werden, in die es immer wieder gestellt wird. Nicht zuletzt ist es die Voraussetzung, Qigong in die Förderungskataloge von Krankenkassen aufnehmen zu lassen bzw. die Bedeutung von Qigong im Sektor der Alten – und Krankenpflege zu vergrößern.
Dies nützt letztlich auch den einzelnen Anbietern, da sie nicht jedes Mal bei Null anfangen müssen, wenn es um die Akzeptanz ihrer Methodik, sei es als Therapiemittel, sei es als Grundlage für ein eigenes anerkanntes Berufsbild geht. – Jede faktenwidrige Argumentation mit der angeblich jetzt auch wissenschaftlich erwiesenen „Heilkraft“ von Qigong zu Zwecken der Eigenwerbung und Schüleraquise ist hingegen Effekthascherei und schadet letztendlich dem Ansehen der Gemeinschaft der Qigong-Praktizierenden als Ganzer.

Serie „Heilung durch Qigong“ Teil 1 und 2
Heilung durch Qigong Teil 1 – Subjektive Effekte und wissenschaftliche Studien
QigongHeilung durch Qigong, die Arbeit mit dem Qi (Lebensenergie), gilt als allgemein gesunderhaltend. Dieser Grundgedanke des Yangsheng – der Pflege der Lebenskraft – unterscheidet es jedoch nicht unbedingt von anderen Systemen der Gesundheitspflege, der Bewegungslehre oder von anderen therapeutischen Atemschulen. Es gibt keine fundierten wissenschaftlichen Langzeitstudien, die eine besondere Wirksamkeit von Qigong für bestimmte Krankheiten belegen…
Wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit von Qigong stehen vor einer doppelten Herausforderung. Zum einen transportiert der kulturelle Hintergrund von Qigong eine spezifische Betrachtung des Menschen, die dem westlichen Körperbild, welches die Grundlage „moderner“ medizinischer Forschung ist, in Teilen widerspricht. Dazu tritt das Problem, dass die wissenschaftlichen Standardmethoden medizinischer Forschung, die derzeit die Qigong-Forschung bestimmen, anknüpfend an das westliche Bild der Medizin und auch aus ihrer eigenen Forschungstradition heraus, teilweise ungeeignet sind, typische Aspekte des Qigong zu erfassen…

Autor: Redaktion Taiji Forum

Bilder: Taiji Forum