Die Atemblume

Anleitung mit Bildern und PDF zur Qigongübung „Die Atemblume“

Einfache Qigongübung "Atemblume" zum Mitmachen

Man könnte sagen: Alles, was wir im Qigong machen, ist, uns in Verbindung zu setzen. Wir atmen in unsere Mitte hinein, spüren die Erde unter unseren Füßen und den Himmel über unserem Kopf. Durchlässig werden, sich öffnen und die eigene Zugehörigkeit zum Ganzen erleben – das ist es, das heilt.

Die Atemblume – eine Qigongübung für jedermann
Die Atemblume besteht aus acht in einander fließende Bewegungen
Grundsätzliches zum Qigong-Üben
Die Atemblume: Anleitung zum Mitmachen
Vorbereitung zur Qigongübung „Die Atemblume“
Die acht Phasen des Zyklus
Abschluss
PDF und Video „Die Atemblume – Anleitung einer einfachen Qigongübung“
Anmerkung und Tipps zur „Atemblume“

Die Atemblume – eine Qigongübung für jedermann

Die Atemblume ist einfach in ihrer Durchführung, doch tiefgründig und unmittelbar in ihrer Wirkung. Sie erzählt vom Leben und Sterben einer Blume, von der Verwurzelung bis zur Öffnung, von ihrem Verwelken und Wiederentstehen. Sie ist eine Qi-Gong-Übung für jedermann und jedefrau, ist leicht zu erlernen, sanft und gemütlich. Doch enthält sie auch – wie jede wirklich gute Form – eine große Tiefe und trägt eine Vielfalt an Ebenen und Bedeutungen in sich.

Wir durchleben also den Lebenszyklus einer Blume. Aus der Erde geboren, erwächst die Knospe, steht voller Kraft in der Sonne, entfaltet sich zur Blüte, erzeugt Samen in ihrer Mitte, lässt sie um sich herum fallen und kehrt zur Erde zurück, wo ein neuer Lebenszyklus entsteht.

Wie im Kleinen, so im Großen (Mikro und Makro): Wir durchleben die Jahreszeiten, die Kraft des Frühlings, die Fülle des Sommers, die farbige Vergänglichkeit des Herbstes und dann den Winter, in dem sich jedes Leben erholt und regeneriert; wir durchleben aber auch einen Tageszyklus, wo wir an die essenzielle Wichtigkeit des Ausruhens erinnert werden, an den Rhythmus des Lebens, der nicht nur aus Schaffen und Erzeugen bestehen kann – wie gegenwärtig immer noch allerorts suggeriert wird.

Die alte chinesische Kultur hat alles Erscheinende wunderbar in der Lehre der Fünf Elemente oder Wandlungsphasen geballt gesammelt und aufgeteilt.
Die Fünf Elemente: wechselseitige Beziehungen aus der Sicht der chinesische Medizin (Shen Zyklus: Hervorbringungszyklus; Ke Zyklus: Kontrollzyklus; Wu Zyklus: Verspottungzyklus / Cheng-Zyklus: Zyklus der Überkontrolle)

Das Bild lässt sich schließlich auf alles Lebende erweitern. Die alte chinesische Kultur hat alles Erscheinende wunderbar in der Lehre der Fünf Elemente oder Wandlungsphasen geballt gesammelt und aufgeteilt. Holz: die sprengende Kraft des entstehenden Baums, die Kindheit, der Frühling, Grün, die Leber und die Wut. Feuer: die Fülle, der Sommer, das Herz, Rot, das Lachen, die Liebe und die Lust. Erde: die Mutter, das Nährende, Gelb, die Umwandlung, die Milz, das Singende und das Vertrauen. Metall: die Kraft der Entscheidung, das Schwert, die Gerechtigkeit, das Trennen, das Loslassen, die Lunge und die Trauer. Wasser: die Nacht, das Speichern, die Nieren, Schwarz, die Weisheit, der Mut und seine Schwester, die Angst. Es sind einige aus der Lehre der fünf Wandlungsphasen willkürlich ausgewählte Bilder. In diesem wunderbar großzügigen Gefäß lässt sich alles einschließen und wiederfinden, alles Lebende resoniert und hallt wieder in einem kosmischen Netz der unsichtbaren Zusammenhänge.

yin yang mondphasen
Yin und Yang Verwandlungen. Die Trigramme im Bezug auf dem Mondzyklus

Reduzierter noch wurde die Welt der Erscheinungen aufgeschlüsselt: Statt durch fünf, durch zwei. Das Wechselspiel von Yin und Yang – die zwei Aspekte aller Dinge, die sich gegenseitig bedingen und erzeugen, kontrollieren und ineinander verwandeln – kann ebenso alles erfassen, was ein Anfang und ein Ende hat. So auch das Leben einer Blume, die durch die Verwandlungen vom Geburt bis zum Tode ihrer Lebenszyklus durchlebt und dem ewigen Tanz von Yin und Yang ihre Form verleiht.

Zeichnung "Yin und Yang im Mondzyklus"
Yin und Yang Verwandlungen: die Bigramme im Bezug auf dem Tagesablauf. Die Erscheinungsstrukturen vom Berg (männlich) und Tal (weiblich)

Die Atemblume besteht aus acht in einander fließende Bewegungen

1)    Wurzeln schlagen

2)    wachsen und in der Sonne stehen

3)    sich öffnen

4)    in der Mitte der Blüte: steigen

5)    in der Mitte der Blüte: sinken

6)    neue Samen für den Winter verteilen

7)    in die Erde eingehen

8)    aus der Erde wieder emporsteigen.

Grundsätzliches zum Qigong-Üben

Anfang und Ende aller Dinge sind wichtig. Wir nehmen uns genügend Zeit, um langsam in die Übungen hinein- und aus ihnen herauszugleiten. Wir forcieren eine Übung nie: Wir lassen sie wachsen, die Bewegungen weiter werden, geräumiger. Es geht nicht darum, irgendwo anzukommen. Im Gegenteil, wir bemerken, dass wir schon ganz und gar da sind. Die Wirkungsweise kann von Mal zu Mal unterschiedlich sein und sich verändern. Jeder Moment ist ein neuer Anfang. Man macht mit einer Übung seine eigene Erfahrung, lässt sich auf sie ein, lernt sie kennen, versteht sie immer besser und tiefer – wie eine neue Freundschaft schließen, sich auf eine Reise machen: möglichst offen, neugierig, großzügig.

Die Atemblume: Anleitung zum Mitmachen

Die Übung fängt mit einem großen Ausatmen an, die Atemzüge folgen der Choreographie.

Mit der Zeit beruhigt sich der Atem und wird auf natürliche Weise langsamer und tiefer. Das Gleiche gilt für die Bewegungen. Falls die Beachtung des Atemrhythmus sich als anstrengend erweist, so empfiehlt es sich, den Atem erst einmal frei fließen zu lassen und sich auf die Bewegungen zu konzentrieren. Mit der Zeit wird sich der Atemrhythmus auch sanft einführen lassen.

Die Hände begleiten von außen die innere Bewegung und das Fortschreiten der Bilder in der Vorstellung, ohne direkte Berührung des Körpers. Die Aufmerksamkeit begleitet stetig das Geschehen, wir sind ganz bei der Übung.

Vorbereitung zur Qigongübung „Die Atemblume“

Wir stehen mit den Füßen im Parallelstand, etwa hüft- oder schulterbreit. Wir geben in allen Gelenken im Bein leicht nach und nehmen uns ein wenig Zeit, um in die Füße hinein zu fühlen. Wir spüren in die belasteten Stellen hinein, aber auch in die nicht belasteten Stellen, durch die ein eher feinstofflicher Kontakt mit der Erde besteht. Schließlich nehmen wir die Erde wahr, die uns trägt.

Wir bringen die Aufmerksamkeit zum Bauch hin und lassen es zu, dass die Atmung die Bauchdecke bewegt. Wir bemerken, wie die Luft aus dem Körper ein- und ausgeht, ohne dass wir dafür etwas tun müssen. Beim Einatmen füllt sich der Bauch, beim Ausatmen leert er sich. Wir stellen uns vor, wie die Organe von der Bewegung der Luft sanft massiert werden.

Der Kopf ist leicht. Wie ein Luftballon sucht der Scheitelpunkt den Weg nach oben. Der Nackenbereich entspannt sich. Die Stirn glättet sich. Der Raum zwischen den Augenbrauen wird weit und öffnet sich nach vorne. Um die Nase herum entspannt es sich, wie auch in den Kiefergelenken. Auch die Zunge entspannt sich und legt sich dabei auf den Gaumen. Der Raum zwischen den Schulterblättern wird weit.

Wir stellen uns vor, wie die Schultergelenke sich von innen aus wie Tore öffnen. Die Arme „füllen“ sich und heben sich dabei sanft nach vorne. Die Handrücken wenden sich zueinander: Wir sind nun bereit, mit der Übung anzufangen.

Die acht Phasen des Zyklus

  1. Die Fingerspitzen ziehen nach unten – der Keim schlägt Wurzeln. Dadurch entsteht eine Dehnung im Schulterbereich. Im Körper steigt innerlich die Erde-Kraft zum Scheitelpunkt des Kopfes hin, so dass gleichzeitig ein Steigen und ein Sinken vorhanden sind. Indem wir die Dehnung in den Schultern sanft auflösen, beginnen die Handgelenke wie von selbst zu steigen.
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  2. Wir spüren die Kraft aus der Erde emporsteigen und uns aufrichten, uns zwischen Himmel und Erde füllen und strecken. Die Hände steigen weiter, die Handrücken lösen sich auf natürliche Weise voneinander, alle Finger berühren sich: Die Knospe steht jetzt voller Kraft in der Sonne. Der Brustkorb sucht den Weg nach oben, das Becken ist nach unten los gelassen und der Atem bewegt die Bauchdecke: Der Raum für unsere Mitte wird groß!
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  3. Die Ellenbogen sinken seitlich allmählich, die Knospe öffnet sich. Überall ist ein großes Sinken wahrnehmbar – in den Schultern, in den Armen, bis in die Hüfte und in die Füße hinein. Ein Öffnen, ein behütetes, angstfreies Sich-Zeigen und Da-Sein. Wenn die Ellenbogen auf der Höhe des Solarplexus angekommen sind, übernehmen die Hände die Führung und legen sich übereinander vor dem Bauch.
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  4. und 5: Wir sind im Inneren der Blüte, in den Staubblättern und bei den Samen. Während die übereinander liegende Hände sich heben (bis unter das Brustbein) und senken, wird der Rumpf insgesamt belebt und entspannt, damit auch der Rücken.
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  5. (siehe unter 4)
  6. Die Samen werden in die Erde verteilt, der neue Zyklus bereitet sich vor. Die Hände kreisen um den Körper – die Handflächen zum Körper hin gewandt – und landen vor den Nierenregion. Die Hände führen, der Rücken bleibt gerundet und unangestrengt.
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  7. Wir begleiten das Sinken in die Erde durch das Streifen der Yang Meridiane nach unten – ohne die Beine zu berühren, d.h. nur mit unserer Aufmerksamkeit. Hier ist der Punkt der Umkehrung erreicht, des neuen Anfangs- wie bei der Wintersommerwende, wo mitten im Winter die Natur beginnt, sich wieder zu erneuern.
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  8. Beim Wiederaufsteigen des Körpers begleiten wir den Lauf der Yin Meridiane entlang der Innenseite der Beine nach oben. Wichtig: Vor dem Aufsteigen in die Knie beugen, den Rücken vom Steißbein her rund aufrollen. Wir finden uns in der Anfangsposition wieder: Die Handrücken berühren sich, ein neues Ziehen nach unten führt das erneute Wurzelschlagen ein.
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Es werden so viele Zyklen durchlaufen, wie es sich angenehm anfühlt und passend erscheint.

Abschluss

Ein letztes Mal formt sich die Blume zur Knospe. Nachdem die Blätter sich geöffnet haben, führen wir die Hände diesmal nach vorne und legen sie auf einen gedachten großen Luftballon, der auf unserem Bauch liegt. Die Ellenbogen sind leicht eingesunken, so dass die Schultern sich entspannen können. Das Becken wandert nach hinten, als wären wir Kängurus und könnten uns auf unseren Schwanz stützen.
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Wir nehmen den inneren Raum der Arme wahr: die Handflächen, die Arme innen, den Brustkorb vorne, den Bauch nach unten, die Beine vorne nach unten und bis in die Erde hinein. Dann spüren wir den äußeren Kreis: die Handrücken, die Arme außen, die Schulterblätter und den Raum dazwischen, den Rücken nach unten, die Beine hinten nach unten und bis in die Erde hinein. Dann drucken wir sanft mit dem Scheitelpunkt des Kopfes den Himmel nach oben und spüren den Raum über uns.

Vorsichtig führen wir schließlich die Hände zum Bauch hin und legen die Handflächen übereinander. Wir verweilen noch einen Moment in dieser Stellung und spüren die Übung im Körper nach. Dann ziehen wir die Hände auseinander und reiben sie so lange, wie es angenehm ist.

Viel Freude beim Üben!

PDF und Video „Die Atemblume – Anleitung einer einfachen Qigongübung“

Wir haben eine PDF-Datei mit dieser einfachen Qigongübung für Sie bereitgestellt.
Download: Atemblume_Anleitung_für_Zuhause
Das Video wird zur Zeit noch bearbeitet und im August hier und auf unserem Youtube-Kanal zur Verfügung stehen. Tipp: Abonnieren Sie unseren Youtube-Kanal und erhalten Sie so automatisch Bescheid, sobald ein neues Video hochgeladen ist. Wir haben auch eine Playlist zu Qigong-Übungen zusammengestellt.

Anmerkung und Tipps zur „Atemblume“

Ich habe die Atemblume, zusammen mit den Sechs Meridian Dehnübungen und den Acht Brokaten im Sitzen, 2004 auf einer Lehrer-Fortbildung mit Dieter Mayer kennen gelernt. Ich mag alle drei Übungen bzw. Übungsreihen sehr und sie sind Bestandteil meiner eigenen Übepraxis und meines Qigong-Unterrichts. Wahrscheinlich sind sie nun anders geworden, als ich sie damals kennengelernt habe, aber der Kern ist geblieben.

Die Übungen sind auch in dem detailreich und liebevoll geschriebenen Buch Im Reich der Mitte* enthalten.

*Barbara Schmid-Neuhaus, Liane Schoefer-Happ, Dieter Mayer-Allgaier, Qigong Akupressur und Selbstmassage, Im Reich der Mitte, (Kursbuch und Arbeitsbuch), Klett Verlag 2001

Surf-Tipps: Unsere Qigong-Übungen finden Sie unter der Rubrik „Qigong Überblick“. Die Links führen zu unseren beliebtesten Qigongübungen zum Mitmachen, wie z. B. die 8 Brokate und die 5 Elemente Qigong Übungen.

Autorin: Roberta Polizzi

Fotos und Zeichnungen: Roberta Polizzi