Taiji – Das große Ganze

Eröffnungsvortrag des Taiji Forum Treffens 2016
von Ernst-Michael Beck (Shenjing -Qigong-Institut, Hannover)

 

Liebe Freunde des Taiji-Forums! Mein Name ist Ernst-Michael Beck und ich bedanke mich für die Ehre, mit einem einleitenden Impulsreferat die geneigte Zuhörerschaft einzustimmen auf das Wesen und die Inhalte dessen, was wir unter Taiji und Qigong verstehen. Es gibt Vorträge, Workshops, freies Üben von freien Menschen unter freiem Himmel und auch Pausen, in welchen man ausruht, einen Tee trinkt, leckere Sachen essen kann und sich mit den anderen austauschen kann.

Zu meiner Person: Ich bin Qigonglehrer und Arzt und stehe in der Tradition von meinem Lehrer Prof. Jiao Guorui aus Beijing.

Der Kreis

Yin und Yang

Wer schon mal versucht hat, einen Kreis zu malen, also einen wirklich runden Kreis, der weiß, dass das gar nicht so einfach ist. Meist entsteht erst eine Art Oval, Anfangspunkt und Endpunkt stimmen nicht überein – Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Da gibt es einen Trick: wenn man nun nacheinander viele Kreise malt, wird das Ergebnis immer runder – mit einem deutlichen dicken Kreis in der Mitte, welcher von vielen kleinen Bögen umgarnt ist. Dies deutet schon an, dass man an der Sache arbeiten muss – über längere Zeit. Der Malende, der Übende muss Geduld und Disziplin aufbringen, seine anfänglich unvollkommenen Produkte zu ertragen, nicht aufzugeben und beharrlich weiterzumachen – und irgendwann kann er mit seinem Werk zufrieden sein – und dann ist es nichts mehr Großes, was er produziert – es geht wie von allein. – Das Ergebnis verliert an Wichtigkeit – er merkt, dass das Handeln, die Tätigkeit, das Umsetzen dessen, was er in seinem Geist als Wille und Vorstellung generiert hat, integrativer Bestandteil des Ergebnisses ist – das zum Begriff „der Weg ist das Ziel“.

Hier eine kleine Geschichte von Albrecht Dürer, einer der großen Künstler des Mittelalters: Er gab auch Mal-und Zeichenunterricht, und seine Schüler waren oft die Söhne der reichen Patrizier. Einige warfen ihm vor, sie mit einfachen Übungen zu langweilen – sie wollte lieber was ganz dolles und kompliziertes malen, um damit anzugeben vor der Familie und den Freunden. Dürer malte daraufhin in einem Schwung mit freier Hand einen Kreis an die Tafel und setzte einen Punkt in die Mitte. Daraufhin forderte er seine Schüler auf, mit dem Zirkel nachzumessen – der Kreis war perfekt.

„So – wer das auch kann, dem werde ich Weitergehendes zeigen“. Dann hat keiner mehr gemeckert.

Ein Kreis ist eine Linie, welche sich gleichmäßig in zwei Richtungen bewegt, um dann wieder an den Anfangspunkt anzuknüpfen – das Ende ist der Anfang.

Auf einem Blatt Papier ist diese Bewegung noch zweidimensional – bewegt sich der Kreis in eine dritte Richtung, entsteht eine Spirale, ein dreidimensionaler Körper. Schau ich da von oben, sieht es immer noch wie ein Kreis aus – erst der Blick von der Seite verdeutlicht die Aufwärtsbewegung des Kreises.

Jiao meinte: “Das Üben hat auch spiralige Natur – wir üben jeden Tag das Gleiche, und dennoch ist eine stete Entwicklung und Veränderung spürbar“ – es ist immer der gleiche Fluss, aber nie das gleiche Wasser.

Anders gesagt: hier findet eine Entwicklung statt – „entwickeln“ deutet darauf hin, dass da schon etwas vorhanden ist, was nun zum Vorschein gebracht wird – im leeren Raum, im Chaos sind alle möglichen Bestandteile schon vorhanden – aber ungeordnet, als Möglichkeit – noch nicht realisiert. So, wie aus einer Salzlösung ein Kristall seine Form findet – oder aus einem Tonklumpen eine Figur entsteht.

Laotse meinte, dass es keinen Unterschied gibt zwischen Illusion und Wirklichkeit – es ist nur ein kleiner Schritt – und hundert Meilen beginnen mit dem ersten Schritt.

Schritt für Schritt kann man sich dann die 100 Meilen erobern – zu versuchen die 100 Meilen mit einem Schritt hinter sich zu bringen, wäre der Weg des Extremen – aber wir versuchen, den Weg der Mitte zu gehen und die Extreme zu vermeiden – dann sind wir im Wuwei – wir handeln nicht gegen unsere Natur, sondern verhalten uns im Rahmen der Möglichkeiten unseres Körpers und unseres Geistes.

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Yin und Yang im Kreis

Yin und Yang sind ein Symbol, welches erstmal vor uns erscheint – sie sind außerhalb von uns – der erste Kontakt findet über das Sehen, unsere Augen statt. – Kann ich innen schon etwas spüren? Das Bild ist abstrakt – was hat es mit mir zu tun? Ich sehe einen runden Kreis, der von zwei Figuren ausgefüllt ist – eine weiß, die andere schwarz – als ob sie sich umkreisen. Sie sind unterschiedlich – ganz hell und ganz dunkel – dennoch ist eine harmonische Aufteilung des Kreises zu sehen – Yang ist weiß, Yin ist schwarz – je nach Lage ist mehr schwarz als weiß und umgekehrt, aber insgesamt ausgeglichen.

Yin und Yang im Körper

Yin-Yang-oben-unten

Kann ich diese Polaritäten in mir spüren? Wo sind in mir Gegensätzlichkeiten, die aber doch zusammenhalten und eine gemeinsame Wirkung entfalten?

Hmm: oben und unten. Die Erde zieht mich an, und der Körper strebt nach oben. Die nach oben gerichtete Kraft lässt die Kraft nach unten erst deutlich werden. Unten ist Yin, oben ist Yang.

Die Rückseite ist Yang – die Bauchseite ist Yin – die linke Seite ist Yang, die rechte ist Yin. Außen ist Yang – innen ist Yin – wenn die Sonne den Körper bescheint, ist es draußen hell und innen dunkel.

In der chinesischen Betrachtung wird die Aufteilung in Yin und Yang in allen möglichen Bereichen angewandt – männlich-weiblich, Feuer – Wasser, heiß – kalt, um nur einige zu nennen, und dient der Unterteilung in Aktivität und Passivität.

Zum Yang gehört das Steigen, das Entfalten der Kraft, das Ausdehnen, das Übertragen der Kraft – zum Yin gehört das Sinken, das nach innen Sammeln, das Zusammenziehen, das Aufbauen der Kraft. – Beim Spannen des Bogens wird Yin aktiv, das Loslassen des Pfeils setzt die Yang-Kraft frei. Oder allgemein gesprochen: Jede Bewegung beginnt mit einer Gegenbewegung. Yin ist die Basis des Yang – ohne Sammeln kein Verteilen, ohne Zusammenziehen kein Ausdehnen. Die Ruhe ist die Basis der Bewegung, die Langsamkeit ist die Basis der Schnelligkeit. Jiao sagte: „Im Universum ist nur die Bewegung eine absolute Größe – die Ruhe ist immer relativ“.

Yin und Yang in der Übung

Bewegungsübungen gehören zu Yang, die Meditation zum Yin.

Mache ich eine Bewegung und habe gleichzeitig eine Aufmerksamkeit im Dantian, habe ich Yin im Yang. Mache ich eine Meditation und bewege mich gleichzeitig, habe ich Yang im Yin. Ausgehend von der These, dass Yin und Yang zusammengehören, ist es also günstig, bei Bewegungen immer eine gewisse Aufmerksamkeit zu bewahren und bei der Meditation eine Bewegung durchzuführen – was durch das Atmen schon vorhanden ist. In der Darstellung von Yin und Yang finden wir oft auch noch inmitten des weißen Yang ein kleines schwarzes Yinfeld und vice versa – das Eine geht nicht ohne das Andere – beides ist immer in einem bestimmten Mischungsverhältnis – und wenn wir aufmerksam beim Üben in uns hineinspüren, können wir dieses Mischungsverhältnis eigentlich ganz gut wahrnehmen.

Bewahre ich bei der bewegten Übung ständig meine Aufmerksamkeit im Dantian,

so hab ich Yin im Yang und bleibe somit in der Mischung der Polaritäten. Eine Bewegung ohne Aufmerksamkeit ist wie ein Baum ohne Wurzel oder ein Pfeil ohne Ziel. Wenn ich nun bei der äußeren Bewegung neben der reinen Aufmerksamkeit den Geist zusätzlich in Bewegung bringe, z.B. einen Kraftimpuls von den Füßen zu den Händen schicke, haben wir Yang im Yin, und das Yin im Yang. Erst bewegt sich der Geist, dann das Qi, dann der Körper – oder anders: das Qi folgt der Vorstellungskraft.

Auch in der Meditation können wir nun zwischen Yin und Yang unterscheiden:

Yin repräsentiert die reine Aufmerksamkeit – ich nehme das war, was ich spüren kann – ich nehme die Realität wahr, so, wie sie ist – ohne sie zu verändern – dies ist Yin im Yin, und entspricht der reinen Aufmerksamkeit.

Eine Visualisierungsübung, z.B. stelle ich mir einen weißen Kreis vor, ist eine Veränderung dessen, was ohne Einwirkung da ist. – Ich verändere durch meine Einwirkung die Realität – dann habe ich Yang im Yin. Bewegt sich der Geist im Körper, um eine Zustandsänderung zu bewirken, ist es das Gleiche – ich spüre einen Druck auf meinem Arm – ich weiche aus und leite den Druck ab.

Das Gesamtergebnis des Übens ist abhängig vom Mischungsverhältnis von Yin und Yang – vom Wahrnehmen und vom Handeln. Das Bewegen erfordert Zeit, bis ein befriedigendes Ergebnis erzielt wird, ebenso ist es mit dem Wahrnehmen, hierzu braucht es Geduld und Disziplin, um beiden gerecht zu werden.

Der Kreislauf der Energie: Jing, Qi und Shen (Materie, Energie und Geist)

Drei Größen, welche sowohl für das Qigong als auch für das Taijiquan die Grundlage darstellen, sind im Kreislauf von Jing, der Materie, Qi, der Energie, und Shen dem Geist dargestellt. Die übergeordnete Größe hierbei stellt das Qi dar, als die ursprüngliche kosmische Kraft, welche sich sowohl in den zehntausend Dingen wie auch im leeren Raum zeigt. – Jing ist eine Form des Qi, wo das Qi sich materialisiert und auf einer relativ niedrigen Ebene schwingt, während Shen eine eher hochfrequente Form des Qi repräsentiert.

Der Übende versucht, sich diesen Begriffen durch seine Übungserfahrung langsam anzunähern und sie begreifbar zu machen. Dies geschieht einerseits durch die geistige, intellektuelle Annäherung auf dem Weg des Denkens und der Meditation, andererseits durch die aktive körperliche Übung. Prof. Jiao sagte: „Theorie und Praxis sollten sich die Waage halten.“ – Goethe meinte: „Ach, wie grau ist alle Theorie“

Im Kreislauf wandelt sich das Jing in das Qi, dann wandelt sich das Qi in Shen – und Shen wirkt wieder auf Jing ein. Wer den Kreislauf verlassen möchte, muss den Shen, wenn er durch den Baihui ins Wuji eingedrungen ist, mit dem Dao verbinden – dann ist das Ziel des Weisen erreicht.

Während der große Himmelskreislauf dazu dient, das Qi gleichmäßig durch alle Meridiane zu leiten und das Qi im ganzen Körper zu verteilen, dient der Kleine Himmelskreislauf dazu, das Qi so zu beschleunigen und anzureichern, bis ausreichend Energie zur Verfügung steht, den Kreislauf aktiv zu verlassen.

Definition Taiji-quan

Tai Chi

Der Begriff „Tai-ji“ kommt aus dem Altertum und ist eine Umschreibung für das „Große Ganze“ – (Tai ist groß, ji ist eins) – und wenn alles eins ist, dann ist dieses Eine wahrhaft groß. „Quan“ ist die Faust und beleuchtet den Kampfkunstaspekt des Taiji, in welchem auch Waffentechniken Platz finden, vom Fächer bis zum Schwert.

In der Konfuzianischen Philosophie entwickelt sich aus dem Einen die Zweiheit (Yin und Yang), die drei und die zehntausend Dinge.

Die älteste bekannte Erwähnung des Begriffs „Taiji“ finden wir im Buch der Wandlungen, im Yijing (I Ging) (4. Jh. v. Chr.). Die ursprüngliche Darstellung des Taiji in der Kalligraphie als Kreis ist aus der Tang-Zeit bekannt. Die Mitte ist noch leer – sie repräsentiert das Wuji – die Leere, doch sie enthält die zehntausend Dinge – noch nicht präsent, noch nicht entwickelt – so wie ein Stück leeres Papier die Grundlage sein kann für alle möglichen Worte und Sätze.

Aus dem 11. Jh. stammt die Darstellung eines Kreises von Zhou Dunyi, in welchem sich weiße und schwarze Felder gegenüberstehen – gleichmäßig verteilt.

Danach verändert Shao Hong die statische Darstellung in eine dynamische:

Hier wird das Wuji, die Leere, das noch ungeordnete Chaos in zwei gleichberechtigte Polaritäten aufgeteilt – Yin und Yang – und sie winden sich spiralförmig umeinander – in einem unaufhörlichen Kreislauf.

Von der eins zur zwei: das große Ganze teilt sich wie eine Zelle in zwei – in Yin und Yang – so wie ein Berg eine sonnenbeschienene Seite hat, und eine, die im Schatten liegt. Dunkel und hell, weiblich und männlich, Himmel und Erde – Polaritäten und sich ergänzende Teile des Ganzen – ineinander übergehend in einem ewigen Kreislauf. Das Ganze ist ein dynamischer Prozess, keine statische Situation. Es ist bloß schwierig, auf dem Papier den Kreis in Bewegung zu sehen – das bleibt dem Zuschauer und seinem Intellekt überlassen. Er hat die Aufgabe, das Geschaute zum Leben zu erwecken – nur dann kann er von der mitgeteilten Erfahrung eines anderen profitieren – und wenn diese Erfahrung schon tausend Jahre her ist. (Intellekt kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „interlegere – dazwischen lesen“ Man kann lernen, zwischen den Zeilen zu lesen, um dann die Botschaft der Worte in die jetzige Realität zu übertragen – um dann aus einem Samen einen Baum wachsen zu lassen.)

Historisches – Zur Geschichte des Taijiquan

Die geschichtlichen Hintergründe und die Herkunft des Taiji sind nur schwer nachzuvollziehen – es wird mit dem Yijing (frühe Tang-Zeit 600 bis 900 v. Chr.) verknüpft und den Meistern Chen Lingxi und Hsü Hsüen Ping. Beide hinterließen Schriften zum Taijigong.

Im 13.-14.Jhdt. lebte Zhang Sanfeng. Mit dem Kreis als Ausgangspunkt entwickelte er in den Wudang-Bergen auf der Grundlage des Yijing aus dem Taijigong das Taijiquan.

In der neueren Zeit (19.Jhdt.) sind verschiedene Taiji-Schulen bekannt geworden, die auf Yang Luchan, Chen Changxing, Wu Quanyou und Song Shuming (um nur einige zu nennen) als Begründer zurückgehen, welche bis heute gelehrt und geübt werden.

Manche Schulen betonen den Kampfkunstaspekt, bei anderen steht der gesundheitsfördernde Aspekt im Vordergrund. Die inneren Aspekte der Meditation finden ebenfalls unterschiedliche Betonung je nach Schule, gehören aber grundsätzlich zur Basis des Taiji.

Definition Qigong

Das Qigong hat seine Wurzeln ebenfalls in der frühen chinesischen Geschichte.

„Qi“ bedeutet Energie, und „Gong“ bedeutet Arbeit. In manchen Qigong-Schulen wird im Wesentlichen der äußere Aspekt der körperlichen Bewegung als Kernübung betrachtet, in anderen (auch meiner Schule nach Jiao) ist die Innere Übung, die Meditation gleichwertig zur äußeren körperlichen Übung.

Historisches – Zur Geschichte des Qigong

Schon aus der Zhou-Zeit (11. Jh. v. Chr.) sind Übungsbeschreibungen bekannt.

Ge Hong (um 300 n. Chr.) prägte den Begriff Yangsheng – die Pflege des Lebens durch die Harmonisierung des Kreislaufs von Jing, Qi und Shen (Materie, Energie und Geist). Im 7. Jh. n. Chr. schrieb Sima Chengzhen eine Abhandlung über die sitzende Meditation. Die engen Beziehungen von Qigong zum Wushu (der Kampfkunst) sind ebenfalls in den Bewegungsformen deutlich, allerdings liegt die Betonung der Übungsziele eher in der Gesundheitspflege. In den 50er bis 80er Jahren des 20. Jh.s wurde das Qigong von staatlicher Seite als gesundheitsfördernd anerkannt und wird bis heute in Kliniken als Heilmethode für die unterschiedlichsten Krankheiten eingesetzt.

Mein Lehrer, Prof. Jiao, entwickelte aus verschiedenen Stilen und Techniken ein Übungssystem, welches Bewegungs-, Atem-, und Meditationsübungen als die drei Säulen des Systems gleichwertig und zusammengehörig zur Gesundheitspflege einsetzt. Generell gibt es heute sehr viele verschiedene Qigong-Schulen und es hängt von der jeweiligen Schule ab, ob neben den äußeren Übungen auch die inneren Übungen gelehrt und angewandt werden.

Wenn mich jemand frägt, was ist der Unterschied zwischen Taiji und Qigong? – Dann sag ich: Das ist wie bei Bruder und Schwester. Sie sind unterschiedlich, haben aber auch Gemeinsamkeiten.

Medizinische Aspekte und Gesundheit

Die Künste, die wir betreiben, sehen nicht nur schön aus, sie sind auch gesund. Medizinisch-physiologisch betrachtet ist es günstig, den ganzen Körper täglich in Bewegung zu bringen. Dies dient dem Erhalt unserer körperlichen Fähigkeiten – denn, wenn wir uns nicht bewegen, baut der Körper das ab, was nicht gebraucht wird. Es findet so oder so ein täglicher Umbau statt – neue Zellen werden gebildet, altes Material wird ausgeführt. Es ist wichtig und sinnvoll, diesen Prozess täglich in Gang zu halten – in der eigenen Regie. Geschieht dies, bevor ein Defizit entsteht, nennt man das Prophylaxe. – Geschieht dies nicht, entstehen Probleme und dann benötigen wir eine Therapie. – Das Gute ist: Qigong und Taiji sind für beide Anwendungen geeignet.

Auswirkungen auf den Körper

Welche Bereiche werden beeinflusst? Körperlich gesehen aktivieren wir die Muskulatur – da kann man in 4-6 Wochen schon gut was aufbauen –, dann kräftigen wir die Sehnen und Bänder – da braucht es schon mindestens 6 Monate – und die Gelenke und Knochen sind eine Daueraufgabe – was aber kein Problem für den ist, der täglich übt. Mein Lehrer sagte: „Von 7 Tagen in der Woche solltet ihr an 6 Tagen üben – dann könnt ihr einen Tag Pause machen“. Leichter gesagt, als getan. – Für die Meisten ist es nicht einfach, das tägliche Üben in den Alltag einzubauen.

Ich sage dann: Würdet ihr mit eurem Darm diskutieren – „Jeden Morgen dieser lästige Zeitverlust – können wir uns auf Dienstag und Freitag einigen?“ – Dann lachen alle, aber sie begreifen, was ich sagen will. Der Körper hat seine Gesetzmäßigkeiten, und die müssen wir akzeptieren und damit umgehen – wie mit der Gravitation – da kann man auch nichts gegen machen.

Gelenkprobleme haben in den letzten Jahren massiv zugenommen – denn die Leute sitzen immer mehr und bewegen sich immer weniger – und damit auch die orthopädischen Operationen – manchmal mit gutem Ergebnis, manchmal mit schlechtem Ergebnis. Sinnvoller ist es, mit täglichem Training eine Situation zu vermeiden, welche nur noch operativ zu behandeln ist.

Die Übungen sind auch wesentlich, um Blutdruck und Gefäßsystem zu stabilisieren – das Herz pumpt das Blut in die großen Gefäße, dann ins Kapillarsystem – und dies macht 50% des Gefäßvolumens aus! Wenn keine tägliche Bewegung da ist, verkümmern die Kapillaren, aber das Herz pumpt weiterhin mit dem gleichen Druck – also entsteht Bluthochdruck.

Es gibt noch mehr positive Wirkungen auf unsere Gesundheit, es würde aber den Rahmen sprengen, alles aufzuführen.

Auswirkungen auf die mentale Situation

QigongÜbungen

Die Meditation ist das Bewegungstraining für den Geist – auch in unserem Gehirn und den Nerven finden ständig Aufbau- und Abbauprozesse statt. – Wir haben es in der Hand, diese Situation zu beeinflussen und zu unserem Wohle zu gestalten. Entgegen früherer Behauptungen können auch im Gehirn neue Zellen gebildet werden – der Begriff „lebenslanges Lernen“ ist durchaus angebracht.

Neuroplastizität bedeutet, dass das Gehirn jederzeit bereit ist, neue Inhalte aufzunehmen und die Programmierung auszubauen. Lernen heißt neue Inhalte einbauen, wiederholen bedeutet, die Inhalte stärker zu verankern. Ein bereits eingespeicherter Inhalt kann nicht mehr gelöscht werden, aber er wird umso kleiner und geringer in seinen Auswirkungen, je seltener er aufgerufen wird. Dies kann negativ sein, kann aber auch positive Auswirkungen haben.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass ein Erkenntnisprozess („Endlich weiß ich, was mein Problem ist“) nicht die tägliche Auseinandersetzung mit dem Problem oder einem Seinszustand ersetzt. Bekannt ist, dass Psychotherapie in 80% der Fälle (unabhängig von der Methode) zu einer Besserung des Zustandes führt – aber schaut man das Ergebnis nach einem Jahr wieder an, sind 80% der Fälle wieder im Zustand vor der Therapie. Warum? Sie haben das Problem erkannt, aber haben es versäumt, täglich daran zu arbeiten und ein Gegengewicht aufzubauen.

„Positiv denken“ heißt halt nicht: “Jetzt denk ich mal positiv!“ – Es bedeutet andauernde aktive mentale Arbeit!

Im Qigong heißt es: „Das Qi folgt der Vorstellungskraft“ – dies bedeutet, wenn ich an etwas denke, fließt Energie dorthin – und wenn ich den ganzen Tag an ein Problem denke, wird seine Repräsentation im Kopf und im Körper immer größer. Sinnvoll ist es, die Gedanken auf ein anderes Objekt zu richten – und damit ein Gegengewicht zu negativ besetzten Inhalten aufzubauen.

So was nennt man dann Ressourcenförderung. Seine Kräfte stärken und aufbauen in einem kontinuierlichen Prozess macht es einfacher, auf akute Anforderungen eine Antwort zu finden. Wenn ich einen Koffer nicht heben kann, hilft es nicht, sich an ihm abzuarbeiten – besser ist es, den Ärmelkanal zu durchschwimmen, die Alpen rauf-und runterzulaufen etc. – wenn man dann wieder an den Koffer kommt, ist er meist leichter geworden.

Kleine Aufgabe:

Versucht mal, 1 Minute nicht an ein weißes Pferd zu denken…

… Das Problem ist, dass die Negation des Objektes immer noch das Objekt enthält – es klappt nur, wenn man an was anderes denkt – z.B. einen blauen Papagei.

Auswirkungen auf das Lebensalter und Lebensqualität 

Taiji und Qigong sind Bewegung – sie bringen Leben in die Bude. Im Qigong gibt es den Begriff „Yangsheng“ – das Leben nähren. Physiologisch unterscheiden wir zwischen dem Lebensalter und dem biologischen Alter. In einem spanischen Bergdorf leben die meisten 90 bis 100jährigen Europas auf einem Haufen (demoskopisch gesehen). Was machen die? Die ernähren sich gesund, krabbeln jeden Tag den Berg rauf und runter, um ihre Äcker zu bearbeiten und bleiben so fit bis ins hohe Alter. Rein biologisch gesehen, sind es die Telomere, Anhängsel an den Chromosomen, welche die Teilungsfähigkeit der Chromosomen bestimmen und damit unser Fähigkeit, neue Zellen zu bilden und den Organismus dadurch am Leben zu halten. Ist das Telomer am Ende, sind wir es auch. Bisher hieß es, die Telomere könnten nicht beeinflusst werden – inzwischen hat man gesehen, dass sie doch repariert werden und länger funktionsfähig bleiben können, wenn der Organismus in Harmonie bleibt und damit seine Stressresistenz erhöht.

Es gibt ja die Genetik – also die Wissenschaft von den vererbten Anlagen, und die besagt, dass wir alle in uns archivierten Anlagen weitertragen und zum Vorschein bringen. Zum Glück gibt es seit einiger Zeit die Epigenetik, die jüngste Tochter der Genetik – und die beschäftigt sich mit den Einflüssen der Umwelt auf die Chromosomenexpression – also welche Zellen auf den genetischen Befehl des Chromosoms produziert werden.

Dies bedeutet, dass Umwelteinflüsse das Chromosom zu bestimmten Veränderungen des ererbten Inhalts bringen können. Dies bezieht sich nicht nur auf unsere direkte Lebenszeit, sondern auch auf die folgende Generation, vor kurzem vorgestellt von einer Arbeitsgruppe aus der Schweiz: Verhaltensveränderungen bei Mäusen, welche durch starke Stresseinwirkung entstanden waren, bewirkten Veränderungen an Zellen im Hippocampus und den Keimzellen und übertrugen sich so auf den Nachwuchs. Wurde dieser Nachwuchs in besonders stressarmer Umgebung aufgezogen, verschwanden die Veränderungen am Chromosom wieder.

Also: Wenn wir, in welchen Lebensumständen auch immer, dafür sorgen, dass wir regelmäßig Tätigkeiten durchführen, welche zur Stressreduktion beitragen, können wir sowohl akute Probleme als auch ererbte Faktoren beeinflussen und damit unsere Lebensqualität und die unserer Nachkommen steigern.

Philosophie erleben

Wuji

Oft liest man ja irgendwelche philosophischen Texte oder Sinnsprüche – aber so ganz versteht man es ja vielleicht doch nicht – man steht halt nicht an der Stelle dessen, der den schlauen Spruch geäußert hat.  Es sei denn, man hat ähnliche oder die gleichen Erfahrungen gemacht. Was ist eine Erfahrung?

Man hat Neuland betreten – etwas kennengelernt, was man vorher noch nicht kannte.

So was nennt man dann auch Bewusstseinserweiterung.

Bewusstseinserweiterung geschieht nicht nur durch die Einnahme von Drogen, sondern halt auch, wenn der Körper oder der Geist Neues wahrnimmt, sich damit vertraut macht, um es dann selbstständig in Anwendung zu bringen. – Der persönliche Werkzeugkasten wird größer – man gewinnt Fähigkeiten hinzu, um mit der uns umgebenden Realität umzugehen.

„In der Ruhe liegt die Kraft“ – wer sich mit Taiji und Qigong beschäftigt, wird bestätigen können, dass dies kein leerer Spruch ist, sondern dass dies eine erlebbare Größe ist. Körperliche und geistige Übungen führen den Übenden über einen Stufenweg der Erkenntnis und der Übungsfähigkeit bis zu dem Punkt, wo das Höchste auch wieder das Einfachste ist – nämlich in dem Moment, wo er nicht mehr wertet und nicht mehr unterscheidet – in der buddhistischen Betrachtung eine wichtige Voraussetzung, um das Anhaften zu überwinden – wo sich der Kreis schließt und das Ende sich nicht mehr vom Anfang unterscheidet.

Wie sagt Bruce Lee?: Am Anfang war ein Schlag nur ein Schlag, und ein Tritt nur ein Tritt – dann war ein Schlag nicht einfach nur ein Schlag, und ein Tritt nicht einfach nur ein Tritt – und zum Schluss war ein Schlag wieder nur ein Schlag und ein Tritt war ein Tritt.“

Der Kreislauf von Wahrnehmung und Handlung

Nehmen wir etwas wahr, so liegt dies an der Übermittlung einer Information von außen nach innen – ein afferentes Nervensignal führt die Information zur Verwertungsstelle – die Programmierung wertet aus und sucht eine passende Reaktion – ein efferentes Nervensignal bringt eine Handlung in Gang.

Nach der Handlung überprüft wiederum die Wahrnehmung das Ergebnis – und korrigiert ggf. mit weiteren Handlungen, bis das Ergebnis zufriedenstellend ausfällt.

Was bedeutet, dass die Wahrnehmung die Grundlage der Handlung ist – oder mit anderen Worten: Yin ist die Basis von Yang. Ohne eine Wahrnehmung kann keine adäquate Reaktion aufgebaut werden, welche die Realität verändert. Man muss erst zielen, und dann kann man schießen. (Darum ist es so hilfreich, am Gegner zu kleben – wenn man den Gegner spürt, erlebt man seinen Energiefluss und weiß, was er vorhat).

Der Kreislauf von Wirtschaft und Politik

Auch in der Wirtschaft gibt es Kreisläufe – z.B. den Kreislauf von Produktion und Nachfrage. Die Nachfrage kann man aber auch ein wenig steuern oder ihr auf die Sprünge helfen. Im alten Rom gab es den Begriff: Panem et circenses – Brot und Spiele. Der Mensch soll arbeiten, genug zu Essen haben und damit er nicht auf dumme Gedanken kommt, braucht er in der Freizeit eine Ablenkung: er soll spielen – dann geht seine Aufmerksamkeit in einen Bereich, wo die politische Realität nicht angetastet wird. Der Aufbau einer virtuellen Realität entspricht exakt dieser Zielsetzung – die Ablenkung vom Eigentlichen. Internet, Videospiele, Handygedöns – all dies fordert “ganzen Einsatz“ vom Anwender und entfernt ihn von sich selbst. Jedes Jahr schwappt eine neue Sportart über die gestressten Verbraucher – Powerfitness, Outdoor-Yoga, knallharte Entspannung. Die neuesten Apparate aus Amerika, Studios voller Geräte, für jede Sportart Höschen, Schühchen, Hemdchen etc. – jetzt kann auch noch jeder messen, was er macht – und gleich an die zentrale Messerfassung beamen. (Honi soit, qui mal y pense.)

Ein Problem von Tajij und Qigong ist in wirtschaftspolitischer Sicht die prinzipielle Unwirtschaftlichkeit dieser Aktivitäten: Jeder macht es selbst, keiner braucht dazu ein Sportstadion, es gibt keine Liga und keine Olympiade, Geräte sind überflüssig – und wenn, sind das vielleicht Backsteine, Stöcke, Decken oder Wassereimer – der Bettvorleger, der Waldrand, eine Wiese oder ein See sind auch als Übungsraum hilfreich, man kann mit nackten Füßen üben und die Klamottage besteht aus Hemd und Hose. Statt Nahrungsergänzungspülverchen und Powerdrinks gibt sich der Adept mit einer Schale Reis und einer Tasse Tee zufrieden – man könnte sagen, dass man hier die Leere fast schon spüren kann – um den Adepten herum kreist das Rad der samsarischen Illusionen – seine Antwort ist die Leere, das Nicht-Handeln – also wirtschaftlich gesehen eine echte Nullnummer.

Der Kreislauf von Körper und Geist

Tja – auch Körper und Geist sind in einem Kreislauf befangen – beeinflussen sich, bedingen einander und sind in ihrer Zwiespältigkeit und ihrer Unterschiedlichkeit aufeinander angewiesen – sie ergänzen sich und bilden letztendlich eine Einheit. Yin und Yang können alleine nicht – wenn sie getrennt werden, tritt der Tod ein.

Die Psychosomatik ist eine medizinische Fachrichtung, welche Psyche und Soma, Geist und Körper, gleichwertig nebeneinander stellt, die gegenseitigen Einflüsse untersucht und versucht, eine Harmonie zwischen beiden zu erzeugen und zu stabilisieren.

Die Erkenntnis, dass Körper und Geist gleichwertig zu betrachten sind, ist eine alte Erkenntnis, aber auch große Philosophen des Altertums hatten damit ein Problem.

Als Bodhidharma mit den heiligen Schriften von Indien zurückkehrte, gründete er ein Kloster und begann mit seinen Schülern den Weg des Dharma zu beschreiten. Jeden Tag saßen alle da und meditierten bis zum Umfallen. Was sie dann auch taten – denn sie wurden schwach und anfällig. Bodhidharma grübelte und suchte den Fehler. Bis er ihn gefunden hatte – denn er hatte den Geist über den Körper gestellt und so einen grundlegenden Fehler begangen: er hatte unterschieden und gewertet! – Er hatte den Geist über den Körper gestellt und betrieb emsig die Ausformung des Geistes und vernachlässigte dabei den Körper. (Vermutlich hatte er auf dem Weg nach Hause die Schriftrolle verloren, in welcher der Buddha das Asketentum als nicht sehr hilfreich beschrieben hatte.)

Und so begann er seinen Schülern Bewegungsübungen zu verordnen – und langsam kam alles wieder ins Lot. Und da die Zeiten wild waren, machten sie Bewegungsübungen, welche auch zur Selbstverteidigung geeignet waren – also, der Bodhidarma war schon ein praktischer Mensch.

– Mein Lehrer drückte es poetisch aus: er sagte: „Eine äußere Bewegung ohne innere Bewegung ist wie ein Himmel ohne Sterne!“

Die transzendentale Obdachlosigkeit

Philosophie

In der chinesischen Philosophie gibt es den Begriff „Yuan-shen“, was den vorgeburtlichen, ursprünglichen oder himmlischen Geist charakterisiert, und den Begriff „Shen-zhi“, der den nachgeburtlichen, erworbenen Geist beschreibt, welcher die Summe unserer Lebenserfahrungen kennzeichnet.

Nach dem Tod kehrt der Yuanshen zum Himmel (oder zum Dao) zurück, während der Shenzhi sich auflöst und wieder zur Erde zurückkehrt.

So tragen wir unser ganzes Leben ein Stück vom Dao in uns mit – sich dessen bewusst zu werden, ist eine Aufgabe, der sich vielleicht nicht jeder stellt, aber jeder kennt dieses innere Drängen nach Wahrheit und den Wunsch, sich in der Allheit, dem großen Ganzen geborgen zu fühlen, ein Teil dessen zu sein, was wir als Welt verstehen.

Goethes „Faust“ (Quan) ist hierfür ein lesenswertes Beispiel, und wer sich die Mühe macht, in die Mystiker der Vergangenheit, z.B. Meister Eckhardt, einzudringen oder sich mit Konfuzius, Laotse und Buddha beschäftigt, weiß, was ich meine.

Der rational denkende Mensch stellt bei Betrachtung der Geschichte immer wieder fest, dass die religiösen und philosophischen Bewegungen der Vergangenheit, so ehrlich und tiefgründig sie auch gewesen sein mochten, immer wieder von der herrschenden Klasse okkupiert und instrumentalisiert wurden, um die Hierarchie und die Herrschaft über das Volk zu sichern.

In den ursprünglichen Aussagen der Religionsstifter ist dummerweise immer von Nächstenliebe, Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit die Rede, vom Nicht-Werten und vom Nicht-Unterscheiden usw. – Das schadet der Hierarchie und ist deshalb nur bedingt gesellschaftsfähig – (also rein politisch gesehen, waren Buddha und Laotse Anarchisten…).

Diese Betrachtung kann nun leider dazu führen, dass mit der Ablehnung der institutionalisierten Religion oder Philosophie auch die Kernbotschaft über Bord geworfen wird – das ist traurig und schade – denn das sind nun mal zwei verschiedene Dinge. Dann entsteht das, was ich als „transzendentale Obdachlosigkeit“ bezeichne, oder tagesaktuell als „spiritueller Flüchtling“.

Schüttet man das Kind mit dem Bad aus, bleibt ein ungutes Gefühl, eine Sinnlosigkeit – eine Leere – aber dies ist dann eine hohle Leere, keine erfüllte Leere – so wie die Leere der Nabe eines Rades eine erfüllte Leere ist, denn sie hat einen Sinn – denn ohne diese Leere funktioniert das Rad halt nicht.

Das Problem dabei: Von alleine Einsichten, Kenntnisse und Fähigkeiten aufzubauen, ist nicht ganz einfach – und solange einem ein anderer was erzählt, kommt es von außen und muss erst verinnerlicht und verstanden werden – dann kann man den Weg alleine gehen – und jeder muss diesen Weg alleine gehen – sonst bleibt die Hierarchie als Unterscheidendes und wertendes Element im Geist bestehen –(also modern gesprochen, eine „innere Blockade“).

Meister Eckhardt und der tantrische Buddhismus lösen das Problem, indem sich der Adept mit dem Göttlichen verbindet und keinen Unterschied mehr macht zwischen sich und Gott – (uffuff – endlich geschafft!). Konfuzius hatte auch einen Spruch dazu: „Erzähl es mir und ich werde es vergessen, zeig es mir, und ich werde es bewundern, lass es mich machen, und es wird ein Teil von mir“.

Heutzutage sind viele Menschen auf der Suche – und auch dieses ist ein großes Geschäft – Kirchen und Sekten liegen überall auf der Lauer, um die Suchenden einzukassieren und in Abhängigkeit zu bringen. So-Do it yourself! Selbst ist der Mann (natürlich auch die Frau)!

Qigong und Taiji sind keine religiösen Systeme und auch kein Religionsersatz, aber sie bereiten den Grund für eine weitergehende Beschäftigung mit dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“.

Im Üben erfahren wir Harmonie, Ausgleich, Ruhe und Befriedigung – Körper und Seele kommen in Gleichklang. In den Übungsanweisungen finden wir Begrifflichkeiten wie „nach oben steigen, nach unten sinken, ausdehnen und zusammenziehen, hereinnehmen und auswerfen etc. – das sind in ihrer Natur Allegorien und Metaphern, metastrukturelle Anweisungen, welche mit sehr viel verschiedenen Inhalten ,vom Körper bis zum Kosmos, gefüllt werden können.

Die Kunst des „Gleichnisses“, schon von Jesus, Buddha, Laotse etc. angewandt, schafft es, hochkomplizierte Inhalte mit Alltagsbeispielen aus den verschiedensten Bereichen anschaulich und verständlich darzustellen. In der chinesischen Philosophie wird dies als die Widerspiegelung des Makrokosmos im Mikrokosmos bezeichnet (mathematisch gesehen entspricht dies der fraktalen Geometrie), – und dann schließt sich der Kreis von Himmel, Erde und Mensch, den drei Schätzen des Dao, denn überall lassen sich Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten und Entsprechungen finden.

Zum Schließen des Kreises noch ein Beispiel:

Ein Wanderer kommt in ein Dorf und läuft die Straße entlang. Links und rechts sitzen zwei alte Männer und essen Reis aus einer Schale. Er grüßt, und sie grüßen zurück. Er geht weiter.

Der eine der beiden Männer hat sein Leben lang das Reisfeld beackert und nie das Dorf verlassen, der Andere erlernte die Meditation, kämpfte mit den Dämonen in den Bergen und kennt alle Geheimnisse des Kosmos.

Der Wanderer sieht nur zwei alte Männer, die Reis essen.

So – ich hoffe, mein Vortrag hat euch nicht gelangweilt oder in den Schlaf gebracht – (und meine Aussprache von chinesischen Namen ist nur bedingt wettbewerbsfähig). – Ich wünsche euch viel Spaß beim Üben und Lernen – Philosophie erleben beim Bewegen und Schwitzen ist jetzt angesagt! Knallhartes Entspannen mit Taiji und Qigong! Adelante compañeros!

Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit und wünsche euch allen eine gute Zeit!

Videomitschnitt des Vortrags „Taiji – Das große Ganze“

Surf-Tipps zum Thema

Im Dezember 2016 veröffentlichen wir den Tagungsband zum Taiji Forum 2016 mit diesem und anderen Artikeln zum Thema Taiji. Im September 2017 organisieren wir das 2. Taiji Forum AustauschtreffenTipp: „Liken“ Sie uns auf Facebook, abonnieren Sie unseren Newsletter und/ oder den RSS-Feed. So bleiben Sie über aktuelle Themen und Treffen informiert.

Dr._Ernst_Michael-Beck

Autor: Ernst Michael Beck

Fotos: Taiji Forum