Das Schwert bewegen
Hierbei kommt es auf zwei Dinge an: Das eine ist, wie sich das Schwert bewegt, und das andere, wo die Bewegung herkommt.
Das Schwert ist lang und schmal wie ein Stab; es bewegt sich, soweit es ausgerichtet ist wie ein Pfeil, mit wenig Anstrengung, beim Zustechen ähnlich dem westlichen Fechten. Um einen Schnitt oder eine Schnittwunde zu erzeugen, wird im westlichen Fechten die Spitze benutzt und dabei Kraft aus dem Arm- und Handgelenk geschöpft. Dies funktioniert sehr gut mit den extrem leichten Sportfechtinstrumenten, aber nicht so gut mit den schweren Duellschwertern, die ihnen vorausgingen.
Die Tai Chi Prinzipien weisen uns an, die Spitze zu bewegen, indem wir unseren Griff bzw. unsere Hand in die entgegen gesetzte Richtung bewegen und dabei das Zentrum des ‚Stabes’ relativ unbewegt lassen wie bei einem Hebel, was wenig Körperkraft im Handgelenk benötigt. Das Tai Chi Schwert, mit seinem Schwerpunkt 2 bis 6 Inches [ca. 5-15 cm] vor der Parierstange, ist am Griff schwerer als andere Schwerter. Dieses Zentrum ist es, indem seine Ruhe liegt, und dies ermöglicht es uns, ein etwas schwereres Schwert leicht und schnell zu bewegen. Unsere Arme bewegen sich nicht viel aus unseren Schultern heraus, sondern werden von unserem Zentrum aus gelenkt.
Das Schwert bewegen beim Schneiden
Beim Schneiden muss der Bewegung der Klinge besondere Beachtung geschenkt werden. Bei größeren Schnittbewegungen wie „Blocken und Ablenken“ muss das Schwert zunächst seiner Länge nach bewegt werden, wobei der Knauf in Richtung des beabsichtigten Schnittes zeigt. Während wir uns aus unserem Zentrum heraus drehen, wird die Zentrifugalkraft die Geschwindigkeit der Klinge erhöhen und die Spitze nach außen treiben. Anfangs haben der Unterarm und das Schwert dabei einen 90°-Winkel; in dem Moment, in dem das Schwert das Ziel trifft, befinden sich Unterarm und Schwert fast in einer Linie.
Bei kleineren Schnittbewegungen, wie „Troddeln im Wind“, beginnen Unterarm und Schwert in einem Winkel von etwa 45° und bei chirurgischen Schnitten wie „im Gras nach der Schlange suchen“ bleiben Unterarm und Schwert mehr oder weniger in einer Linie.
Bei der Ausführung eines jedweden Schnittes muss die Klinge sich in derselben Ebene wie ihre beiden Schnittkanten bewegen. Jegliche Abweichung davon wird die Klinge abheben oder abtauchen bzw. in gewissem Grade von ihrem beabsichtigten Kurs abweichen lassen.
Bei einer defensiven Aufnahme der Klinge von O hingegen, d.h. beim Kleben, Anhaften, Hören und Neutralisieren, wird die Klinge in dem für diese Fertigkeiten jeweils passenden Winkel gehalten. In der Folge – wenn wir schneiden oder stechen – ändern wir den Winkel der Klinge für den Schnittmodus.
Da die Bewegungen vom Zentrum (Dan Tien) herkommen, bleiben Schwertgriff und Klinge größtenteils zwischen uns und O, während beide sich von unserem Zentrum aus und mit unserem Zentrum bewegen. Dies ist beim Schwert entscheidender als mit leeren Händen, weil viele Kampfkünstler einen starken Boxstoß oder Schlag mit der offenen Hand auf ihren Körper einstecken können, aber niemand auch nur einen Inch [5 cm] scharfen Stahls aufnehmen kann, ohne ernsthafte Unannehmlichkeiten zu erleiden.
Autor: Ken van Sickle
Übersetzung: Gabi Kannenberg
Fotos: Ken van Sickle und Taiji Forum
Englische Version des Buches Tai Chi Schwert
- Tai Chi Schwert von Kenneth van Sickle
- VORWORT DES HERAUSGEBERS – Tai Chi Schwert 1
- Einleitende Gedanken – Tai Chi Schwert 2
- VORWORT – Tai Chi Schwert 3
- KENNETH VAN SICKLE – Tai Chi Schwert 4
- CHENG MAN CH’ING – Tai Chi Schwert 5
- DIE KÖNIGIN UNTER DEN WAFFEN – Tai Chi Schwert 6
- SCHWERTABMESSUNGEN – Tai Chi Schwert 7
- WARUM UND WIE – Tai Chi Schwert 8
- ZEITPUNKT UND STIMMUNG – Tai Chi Schwert 9
- HARMONIE – Tai Chi Schwert 10
- SENSIBILITÄT – Tai Chi Schwert 11
- GEISTESHALTUNGEN – Tai Chi Schwert 12
- ANFÄNGERFEHLER – Tai Chi Schwert 13
- UNTERSCHIEDE – Tai Chi Schwert 14
- KRAFT – Tai Chi Schwert 15
- Namen CHENG MAN CHING’S TAI CHI SCHWERTFORM – Tai Chi Schwert 16
- Drehtricks – Tai Chi Schwert 17
- Tranzendenz – Tai Chi Schwert 18
- Fechten – Tai Chi Schwert 19
- Tai Chi Schwert-Unterricht – Tai Chi Schwert 20
- Zurückgeben – Weitere Gedanken – Tai Chi Schwert 21
- Das Schwert und Kalligraphie – Tai Chi Schwert 22
- Die Schwertjungfern – Tai Chi Schwert 23
- Über das Üben – Neun Zitate – Tai Chi Schwert 24
- Hsin und Chi (Xin und Qi) – Tai Chi Schwert 25
- Gleichungen – Tai Chi Schwert 26
- Über das Zentrum – Tai Chi Schwert 27
- Zur Ausrichtung – Tai Chi Schwert 28
- Das Schwert bewegen – Tai Chi Schwert 29
- Der Griff – Tai Chi Schwert 30
- Die Gelenke – Tai Chi Schwert 31
- Die Schwertfinger – Tai Chi Schwert 32
- Die Quaste – Tai Chi Schwert 33
- Einladungen – Tai Chi Schwert 34
- Während der Veröffentlichung der Serie „Notizen zu Cheng Man Ching’s Tai Chi System“ wird die Veröffentlichung weiterer Teile von Ken van Sickle’s Buch Tai Chi Schwert für neun Wochen bis Anfang Juli pausieren!
- Bedenke – Tai Chi Schwert 35
- Aktionsregeln – Tai Chi Schwert 36
- Fünf Anwendungen (1) – Tai Chi Schwert 37
- Der Meister zieht sich zurück – Tai Chi Schwert 38
- Das Rhinozeros starrt den Mond an – Tai Chi Schwert 39
- Die fliegende Gans schießen – Tai Chi Schwert 40
- Troddeln im Wind – Tai Chi Schwert 41
- Strategien – Tai Chi Schwert 42
- Der Ablauf beim Fechten – Tai Chi Schwert 43
- Umgangsformen – Tai Chi Schwert 44
- Lao Tzu (Laozi) Zitate – Tai Chi Schwert 45
- Vorschriften über Tun und Lassen – Tai Chi Schwert 46
- Ti Feng & Fa Jing – Tai Chi Schwert 47
- Fechtkunst – Sieben Zitate – Tai Chi Schwert 48
- Parallelen/Entsprechungen – Tai Chi Schwert 49
- Sicherheit – Tai Chi Schwert 50
- Gepolsterte Schwerter – Tai Chi Schwert 51
- Unbekannte – Tai Chi Schwert 52
- Meister Sein – Tai Chi Schwert 53